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Sonntag, 12. November 2006 | |
ILA hat ein Kamel in der Wüste Sinai und einen immens langen Atem. Er hat MAYA (Most Advanced Yet Accepted) hinter sich gelassen, seine Kunst ist vielschichtig, multidisziplinär und unakademisch. Ob Quantenphysik, Geologie oder Ökologie, ILAs Kunst öffnet sich neuen Bereichen. Mit dem Objekt „KLIMAERWÄRMUNGDÄMFUNGSMASCHINE" für die AVL Graz (2005) etwa hat ILA ein technisch wirkendes, symbiotisches Objekt geschaffen, das die Technik ausreizt und dennoch mehr anspricht als auf den ersten Blick sichtbar sein mag.
„The Brain" wächst martialisch energetisch aus der Betondecke – ein auf Stahlstützen fragil ruhendes Denkzentrum, das einerseits auf das sich hier befindliche Headquarter der AVL anspielt, andererseits aber auch auf die energetische Schaltstelle, die das Hirn an sich ist. Die schützende Hülle aus Glas ermöglicht den Blick in das Innere, in dem Stromleiter wie Neuronen in den Boden führen. Zwei Reihen von Photovoltaikplatten nehmen das Sonnenlicht auf und speisen ein Stromsystem, das nicht an der Erdoberfläche liegt, sondern unterirdisch verläuft und seine Kreise zieht. In einiger Entfernung, findet sich das Gegen- und Teilstück zugleich: „The Cloud" – ein Brunnen, der so gar nicht brunnenähnlich ist. Ein wolkenförmiger Spiegel, der die Wolken spiegelt. Aus der spiegelnden Oberfläche erheben sich millimeterhoch Stahlplatten in Form der Kontinente, die auf Minusgrade abgekühlt werden, sodass sich auf diesen eine Eisschicht bildet. Die Technik verbindet die beiden Teile der Skulptur. Während das Hirn die Energie – saubere Energie – liefert, wird diese in das Kühlsystem eingespeist und verleiht der Wolke ihr wandelbares Erscheinungsbild. Die „KLIMAERWÄRMUNGDÄMFUNGSMASCHINE" ist eine funktionelle Skulptur, deren Funktion sich über die metaphysische Bedeutungsebene selbst infrage stellt. Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik führt eine solche Maschine nicht zu einer allgemeinen Kühlung, sondern die Wärme- und Energiebilanz bleibt ausgeglichen. Und: Als Entwickler von Motoren ist die AVL sowohl für die Einsparung von unzählbaren Tonnen von CO2, als Teil des Systems gleichzeitig auch für dessen Produktion verantwortlich. ILA führt einen Stoß gegen das System, ohne es gänzlich zu verlassen. Die Vorstellung, dass der Mensch dereinst technologische Anlagen entwickeln wird müssen, die auf das Weltklima einwirken, steht als Gedanke im Raum und erhält zunehmend durch anthropogen verursachte klimatische Katas-trophen Bedeutung. Die Frage lautet: Wie weit ist unsere Zivilisation technologisch oder auch zeitlich davon entfernt, um systemisch in Entwicklungen auf der Erde einzugreifen, sie zum Beispiel als Ganzes zu kühlen? Sind Reparaturgedanken aber nicht grundsätzlich problematische Ansätze und Ausdruck menschlicher Allmachtsphantasien?
Medienreflexion und Medienrezeption. Im Vorfeld des Landtagswahlkampfes setzte sich ILA öffentlichkeitswirksam mit der Plakataktion „REBOUND" (2005)gegen die Einvernahme durch bestimmte Politiker zur Wehr. Die Dynamik der Medien konnte er auch in den vielfältigen Reaktionen auf seine Arbeit „CALL WOOD" (2004) bestens beobachten – ein Beweis für die Vielschichtigkeit von ILAs Arbeiten: Vom Schulbuch bis zum Frauen-Hochglanzmagazin, von der BBC bis zum Business-Journal wurde seine Arbeit aufgegriffen, immer unter unterschiedlichen Gesichtspunkten: Als Tipp zur Stressbewältigung für Powerfrauen oder den technischen Standard beleuchtend, als wissenschaftliches Projekt oder als nachahmenswertes Vorzeigemodell, losgelöst von der ursprünglichen Idee, ja sogar außerhalb des künstlerischen Kontextes beschrieben. „CALL WOOD", ein mittels Solarkollektor betriebenes Mobiltelefon in einem Waldbereich am Südhang des Schöckels, konnte, in Anspielung an das Phänomen der Call Center, angewählt werden, worauf sich der Wald meldete, respektive aufgrund der dem Wald eigenen Stille nicht meldete. Bei tatsächlich aufrechter Verbindung waren meist technisch bedingte Knackgeräusche zu vernehmen. Das Projekt, das angetreten war, um die Unmöglichkeit einer Übertragung der Stimmung des Waldes und des Erholungswert eines Waldspaziergangs, der Geräusche und Gerüche über das Telefon zu beweisen, erhielt durch seine Rezeption die Daseinsberechtigung geliefert, seine Relevanz bestätigt. Die Wirkung von Medientechnologien im Kontrast zur Natur erforschte ILA in der Arbeit „HALLO ALTE BUCHE" (2005). Ein in einem abgestorbenen Ast eines Baumes eingebauter Monitor mitten im Wald zeigte ORF 2. Des Nachts umflatterten Glühwürmchen den Moitor. Besonders von Interesse war für ILA die Wirkung des Fernsehers, des ausgesendeten Lichtes, des Flimmerns und der Geräusche in einer völlig anderen Umgebung. Die technologische Struktur, die sonst völlig normal erscheint und überall gewohnt ist, wurde im Wald zu einer Absurdität. Malerei und Mikrokunst. ILA malt auch. Seine Bilder der letzten Jahre sind kritische, ironische, fast zynische Mutanten der Wirklichkeit. Wer das L’Angolo in Graz besucht, muss ILAs Arbeit „hausfrauenidylle", die seit letztem Jahr dort ihren Platz gefunden hat, wohl wie die Nadel im Heuhaufen suchen. Die Kunststofffigur ist nur 5 mm groß. Ebenfalls 2006 entstand im Rahmen der Ausstellung „sculptors" (2B Galerie Budapest) „it is always about separation". Im Jahr 1956 gingen Fotos der Ungarischen Revolution um die Welt. Sie zeigten unter anderem die spontane Zerstörung diktatorischer Symbole, wie jene der Stalin-Statue am Felvonulási-Platz in Budapest. ILAs Arbeit setzt sich mit den unterschiedlichen Folgewirkungen dieser Fotos in den verschiedenen Regimen/ Systemen auseinander: Die Fotografen erlangten Berühmtheit für diese Bilder in ihrer Heimat, viele der Akteure hingegen wurden vom diktatorischen Regime nach der gescheiterten Revolution aufgrund derselben Fotos identifiziert und verhaftet. Vielschichtig in ihrer Aussage und Wirkung sind auch die „earth plugs" (2006). Sie sind individuell zu bespielende Mikrokunsträume, die an den unterschiedlichsten Orten fix verankert werden. Die 10 cm lange Metallhülse wird im Boden versenkt, eine 9 cm durchmessende Linse gibt den Blick auf den Inhalt frei. Der unangekündigte, versuchte Einbau des „earth plugs" „slow down" beim Museumsquartier Wien wurde zu einer „missglückten skulpturenschenkung" und endete mit Flucht. ILA engagierte eine Baufirma, um das Loch zu bohren, in das die Dose eingesetzt werden sollte. Bereits die Ankunft der Baufirma fiel auf und binnen kurzem fanden sich Kontrollorgane ein, die Fragen stellten und telefonierten. ILA musste schließlich mit dem Glas in der Hand fliehen – eine missglückte Skulpturenschenkung. In kürzester Zeit war das gebohrte Loch wieder geschlossen, am nächsten Tag sogar der Pflasterstein ersetzt, alle Spuren eines Angriffs auf System waren beseitigt, die Normalität war wiederhergestellt. Auf mehreren Ebenen entfaltete dieser „earth plug" seine „Wirkung": Er verwies mit dem Aufruf „slow down" auf die Spannungen zwischen den unterschiedlichen Einrichtungen im Wiener Museumsquartier. Seine unangekündigte und misslungene Installation stellte aber auch einen Versuch dar: Was passiert, wenn man unser abgesichertes System stört? Nebenwirkung: die Selbsterfahrung der Bedrohung und der Flucht. Die Dokumentation der Ereignisse wurde in der Ausstellung „stange cargo" im Quartier 21 gezeigt, dann aus der Ausstellung gestohlen. Mit weiteren „earth plug" Angriffen ist zu rechnen … Katharina Dilena Biografie Geboren 1969 als Christian Rieger in Leoben, ab 1988 Studium der Architektur, Philosophie, Physik in Graz, 1996 Abschluss in technischer Geologie, TU Graz, lebt und arbeitet in Graz. Einzelausstellungen: 2005 „politisch korrekt" fühl dich stark (inst.), orf landesstudio /steiermark, graz / „call wood", forum stadtpark, graz 2000 „the conquest of the moon (the true story)", caelum gallery, new york, usa 1999 „something happens", retzhof, leibnitz (kat.) 1998 „ILA transgen", kunstraum lorenzoni, graz 1997 „summer in gries" (inst.), griesgasse 24 - raum für kunst, graz / „ohne haut", kunstraum lorenzoni, graz Gruppenausstellungen: 2006 „sculptors" it is always about separation , 2B galeria, budapest / „strange cargo" missglückte skulpturenschenkung (intervention), quartier 21, MQ wien / „eisenberger, dies ist doch kein porno", galerie lisi hämmerle, bregenz / „statements", galerie günter eisenhut, graz / „planetarium der wünsche", kulturabteilung des landes steiermark und verein aufwind, graz 2005 „16-22" anonymus (inst.), palais thienfeld, graz / „sternchen" lucky luke effect, werkstadt graz, graz 2004 „junge säulen", bin ich oder der produzent der fliegen fangfolie verantwortlich für das zu erwartende sterben (inst.), gruppe 77, stadtpark graz / „erben : erobern" 10. internationales projekt für bildende kunst, beschleunigung von erbangelegenheiten gesmbh (inst.), next in koop. mit steirischer herbst, innovationspark graz (kat.) / „ich glaube du bist dran" chemical nurse (inst.), galerie jette rudolph, berlin / „private public budapest" balkan konsulat im <rotor> association for contemporary art, graz und workshop, budapest / „open space" jumping child (inst.), klaus engelhorn depot, soho in ottakring, wien / „7 x junge kunst in alten kirchen" heute ist gestern und morgen (inst.), kirche maria am walde, wien / „junge kunst und albrecht dürer", dommuseum, wien / „ILA, sheik niass, veronika degenfeld", donaucity, wien 2002 „line.at, in der sprache der gäste", (inst.), künstlerhaus klagenfurt / „permanent-temporäre stadtskulptur" mikroview (skulptur), im rahmen von graz 2oo3 kulturhauptstadt europas, st. petersburg, russia / „graz-intern", forum stadtpark, graz / „ILA und judith zillich. junge malerei", minoriten-galerien, graz 2001 „soho in ottakring. urban und ländlich", wien / „i have seen something", art trend, graz / „machen sie mir dieses land wieder..." proper-proper, steirischer herbst in koop. mit pavel-haus, galerie kibla, marburg (kat.) / „one single moment", <rotor>, graz (kat.) www.ila.at
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