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Sonntag, 12. November 2006 | |
Durchaus in dem Wissen, dass eine Abbildung niemals der vollständigen Wiedergabe eines Motivs respektive der Vervielfältigung eines Objekts gleichkommt, vielmehr bestenfalls einer Übersetzung in eine zur kompromissbehafteten Wiedergabe durch eine dem Medium taugliche Form entspricht, einer Umformung also die man üblicherweise als Information bezeichnet und die durch Verluste gegenüber dem Motiv oder dem Objekt gekennzeichnet ist, machte sich der junge Grazer Medienkünstler Daniel Hafner im Sommer dieses Jahres daran, 25 Meter Landstraße, irgendwo auf der Strecke zwischen Feldbach und Mürzzuschlag gelegen, akustisch abzubilden.
Die Idee zu dieser Arbeit entstand mit der Vergabe des K.U.L.M.-Stipendiums an den Künstler und der Einladung zur Teilnahme an der Ausstellung Periphere Strukturen in der Kunsthalle Feldbach im heurigen Steirischer Herbst. Dass sich die Wirklichkeit in analytischer Betrachtung als nicht unkompliziert erweist, über die Analyse sich vielfach nicht eine, sondern etliche Wirklichkeiten abzeichnen, darauf will der bewusst nicht unkompliziert formulierte Einleitungssatz verweisen. Die selbst gestellte Aufgabe sollte also auch nicht schlicht mit Mikrofon und Aufnahmegerät und naheliegender Wiedergabe durch herkömmliche Apparaturen von Hafner bewerkstelligt werden. Verfahren wie Ergebnis sprechen für die Grundhaltung des Künstlers, der vorausgehenden präzisen Beobachtung eine ebensolche Ausführung als Werk folgen zu lassen.
Information Landstraße. Entlang eines 25 Meter langen Ganges in der Kunsthalle Feldbach baute er also eine Batterie von Lautsprechern auf, die die festgehaltenen Geräusche aus dem Umkreis dieser 25 Meter Landstraße wiedergaben. Zu hören waren hauptsächlich Vogelgezwitscher und Grillengezirpe, hin und wieder das Geräusch eines vorüberfahrenden Autos – für Daniel Hafner vorrangig der Transporter, mittels dem Stadt und Land auch noch in absehbarer Zeit miteinander verbunden bleiben. Die Wiedergabe des erstellten Tondokuments lehnte Hafner an Prinzipen serieller Abfolgen von Einzelbildern an, wie sie zur Erstellung der Bewegungssequenzen von Étienne Jules Marey oder Eadward Muybridge noch zu Ende des 19. Jahrhunderts angewandt wurden und wie sie im Prinzip immer noch für den Film gelten. Für jeden Lautsprecher entlang der Strecke bearbeitete Hafner ein komplettes, dem Aufstellungsort entsprechendes Soundsample mit Hüllkurve und Dopplereffekt. Der Geschwindigkeit des vorüberfahrenden Autos angepasst, wurde nacheinander jeder Lautsprecher separiert angesteuert, was in Summe dem wirklichen Verlauf von Geräuschen über eine Distanz in einer Zeit verblüffend nah kam – eine Installation als Hörfilm namens BRRRRMMMMM. Außerordentlicher Schüler. Der 1979 in Deutschlandsberg geborene Daniel Hafner absolvierte die Meisterschule für Kunst und Gestaltung in Graz, er war – wohl in mehrfachem Sinn – außerordentlicher Schüler von Jörg Schlick, studierte an der Universität für bildende Kunst in Wien bei Peter Kogler und ist derzeit in der Meisterklasse für Kunst und digitale Medien bei Konstanze Ruhm. Zur Veranschaulichung der Arbeitsweisen des Medienkünstlers mag ein Diktum des Filmtheoretikers Béla Balázs vom Anfang der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts dienlich sein, das wohl noch für eine erste Generation von KünstlerInnen bezeichnend gewesen ist, die mit ihren Video- und Computerarbeiten in erster Linie die Funktionsweisen des Mediums selbst thematisierten: „Die technische Möglichkeit ist die wirksamste Inspiration. Der Apparat ist die Muse."1 Auf der Höhe der Zeit und im Wissen um Anwendungsverfahren und die Umsetzung von Ideen mittels verfügbarer Technologie steht für Hafner dagegen die Idee und das Konzept einer neuen Arbeit im Vordergrund der folgenden Überlegungen zu formaler und inhaltlicher Umsetzung mittels Adaption des dafür geeigneten Mediums. Entsprechend diesem Ansatz führt er immer wieder auch vor, wie Funktionsprinzipien von Apparaten aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik unterwandert oder umgewidmet werden, wie Hightech zu Lowtech wird. Sound und Bild. Musik aus der Batterie, eine technikbasierte Performance, wurde aus der Beobachtung des Auftretens von Eigendynamiken entwickelt, die durch gezieltes Hervorrufen von Defekten an elektronischen Kinderklavieren entstanden. Durch Ansteuerung mittels Niedervoltverfahren, über selbst gebauten Verteiler und Potentiometer an ein Elektroklavier, macht sich Hafner die „unerforschten Ressourcen" billiger Soundchips gefügig und erzeugt manipulierte Klänge, die den handelsüblichen Chips eigentlich nicht inhärent sein sollten. Eine Erweiterung traditioneller Tafelmalerei in Anlehnung an physikalische und chemische Prozesse der Lichtmalerei, die heute gerade noch als analoge Fotografie erinnert wird, gelingt Hafner mit seinen Regen-Momentaufnahmen: „Ich habe seit meiner Kindheit die Angewohnheit, wenn sich Regen ankündigt, hinaus zu gehen, um mitzuerleben und mitzufühlen, wie sich das Wetter verändert, welche Stimmung herrscht, welche Kräfte am Werk sind." Die Beobachtung verschiedenartigster Konstellationen und Konzentrationen von Regen führte zur Entwicklung eines geeigneten Abbildungsverfahrens. Bildträger werden, vergleichbar einem Belichtungsvorgang in der Kamera, für wenige Augenblicke dem Regen ausgesetzt. Die spezielle Grundierung dieser Leinwände bewirkt, dass Tropfen nur leicht angesaugt werden und für kurze Zeit ihre Form halten. In einem nächsten Schritt wird eine Mischung aus Pigment und pulverisiertem Bindmittel aufgebracht und nach Trocknung das überschüssige Pulver abgeblasen. Zurück bleiben Markierungen, die je nach Tropfengröße und Regendichte verschiedenartige Punktstrukturen wie in einem All Over ergeben. Die Einzigartigkeit des so festgehaltenen Augenblicks im Bild betont Daniel Hafner durch Zusatzinformationen meteorologischer Daten, Ort der Aufnahme, Datum, Aufnahmedauer neben der für Tafelbilder üblichen Format- und Bildträgerbeschreibung. Seine Beobachtungen diverser Phänomene hält er in einer Art Zettelkasten fest und erweitert sie angelegentlich zu Konzepten für neue Kunstwerke, die für Ausstellungen und Präsentationen ausgearbeitet werden. So entstand der Optoschüttler aus der etwas skurril anmutenden Praxis, sich während der Arbeit am Computer die Zähne mit einer vibrierenden Elektrozahnbürste zu putzen. Die in der Folge entwickelte und erstmals im heurigen Frühjahr im Rahmen von Vista Point im Grazer Medienturm präsentierte Installation besteht aus einem PC und einer vor dem Bildschirm positionierten Vorrichtung. Auf dem Bildschirm war das immer gleich bleibende Bild von Steinen zu sehen. Legte ein Betrachter sein Kinn nun in jene Vorrichtung, so wurde damit sein Kopf in leichte Vibration versetzt; durch Interferenzen zwischen Bildaufbaufrequenz am Bildschirm und der Frequenz des Kopfschüttelns entstand der Eindruck, die Steine auf dem Monitorbild würden von einer Wasserwelle überflutet. Laut und leise. Für die Gallery of Contemporary Art Celje baute Daniel Hafner TRÖÖÖT auf. Ironische Intention dieses „Spiels für eine Person" war, dass der Proband das Ziel des Spiels besser nicht erreichen sollte. Vielmehr galt es, über die entscheidende Handlung nachzudenken und sie schließlich nicht auszuführen. TRÖÖÖT veranschaulicht „ein unausgeglichenes Verhältnis zwischen intuitiver und analytischer Vorgehensweise", stellt Hafner in der Projektbeschreibung fest, und es stellt ein subtiles Beispiel für gefordertes Handeln gegenüber der individuellen Entscheidung zum Nicht-Handeln dar. Drei Schalter in einer Linie an der Wand befestigt, die zwei äußeren in einer Distanz voneinander, die ungefähr der Spanne ausgebreiteter Arme entspricht, sollten von einer Person gleichzeitig betätigt werden. Schaltete man die äußeren, so erreichte man den mittleren nur mehr mit der Stirn. Allerdings brachte man nun sein rechtes Ohr genau in Position vor eine Sirene, die bei nun gleichzeitiger Betätigung aller drei Schalter den Spielerfolg durch Alarmton bestätigte. Daniel Hafner ist auch Musiker. Mit seinen Brüdern Simon und Matthias sorgt er in der Formation Winterstrand für anlassgerechte IDM – Intelligent Dance Music. Das sind „Soundscapes, heavy breaks, relaxed (but never loungy) rhythms combined with a melodic intensity which generate a timeless feeling", wie der Ton und seine Folgen auf der Website www.winterstrand.net beschrieben werden. Beispiele zum Download sind dort verfügbar. Derzeit ist Wald im Rahmen der Ausstellung Erzählungen -35/65+ im Kunsthaus Graz zu sehen. Wald ist eine raumfüllende Installation aus einer halben Tonne Karton, die sich in einer labyrinthisch windenden Endlosschleife im Space01 des Kunsthauses befindet. Davor stehend, weil ein Eindringen unmöglich ist, sieht man „den Wald vor lauter Bäumen nicht", wie es in einem Gedicht des Romantikers Christoph Martin Wieland heißt, das als Material zum Konzept der Arbeit verstanden werden darf. Wenzel Mraček 1 Herbert Marshall McLuhan nahm 1967 die Adaption „The Medium Is The Message" vor. Biografie DANIEL HAFNER geb. 1979 in Deutschlandsberg, lebt in Wien Elevate Festival, Leemusic.org, Graz 2005Ausstellungen und Projekte (Auswahl): Periphere Strukturen, steirischer herbst, K.U.L.M., Kunsthalle Feldbach, Feldbach 2006 Vista Point, Kunstverein Medienturm, Graz 2006 It‘s Playtime!(Cat.), Gallery of Contemporary Art Celje, 2006 Über die Farbe und ihre Bedeutung in der Kunst, Künstlerhaus Graz am Landesmuseum Jonnaeum, Graz 2005 s/w (Cat.), Forum Stadtpark, Graz 2005ReModerne, Lange Nacht der Musik, for a better now, Künstlerhauskino, Wien 2005 Steirisches Literaturpreis/Fest Retzhof Leibnitz (Installation für einen Text von Christina Schlemmer), Leibnitz 2005 fly high (mit M. Gansberger und A. Purkrabek, Medienturm Graz 2004 Musikdilettanten, steirischer herbst 2002, Offenes Atelier, Forum Stadtpark, Graz 2002 Die Photographie, Retzhof Leibnitz, Leibnitz 2002 Graz intern, Forum Stadtpark, Graz 2002 3 elektrische Galerien, steirischer herbst, Galerie & Edition Atelier, Graz 2001 Risse/Farbräume, Fotogalerie Urania, Graz 2001 FARBEbekennen, steirischer herbst, K.U.L.M., Pischelsdorf 2001 Spring One, festival for electronic art and music, Graz 2001 Kunst auf Zeit, Gruppe 77, Graz 2001 A/V Kollision, Forum Stadtpark, Graz 2000, Musikprotokoll, steirischer herbst 1999
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