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Die Stimme des Untoten
Archiv - Kultur
Montag, 10. Juli 2006
Image„LAUF WENN DU KANNST, alle Texte" von Gunter Falk, herausgegeben von Günter Eichberger bei Ritter, 4141 Seiten, 23,90 EUR.

Besonders empfehlenswert; schwergewichtig, aber heiter zu lesen. Am 23.12.1983 las er zusammen mit dem Jazztrio „The Neighbours" und starb zwei Tage später - letztlich an einem zu intensiven, möglicherweise unglücklichen Leben. 25 Jahre später stellte der Grazer Autor Günter Eichberger als Herausgeber des Gesamtwerkes von Gunter Falk den bei Ritter erschienenen Band am 2. Juli im Studentenheim „Münzl" vor. Wie immer war das Klavier schwarz, wie immer waren Wände und Fenster schwarz abgehängt und wieder spielten die Neigbhours, diesmal zur Stimme des Toten, die aus der ursprünglichen Aufnahme heraus gesampelt worden war. (Dieter Glawischnig Klavier, Ewald Oberleitner Bass und Armin Pokorn, Gitarre, Sampling). Das raue, alkoholgetränkte Lispeln, die sanfte und zugleich wilde Stimme des längst Verstorbenen mischte sich gespenstisch mit der etwas aparten Livemusik. Die ursprüngliche Aufnahme, wesentlich wilder, findet sich auf zwei CDs, die dem bei Droschl erschienenen Dossier über Falk beigelegt sind.
Auf den Soziologen und Autor Falk trifft das Bild des Untoten zu, der keiner Welt ganz angehört und deren normale Bewohner verstört. Stets bestand ein Missverhältnis zwischen der öffentlichen Wertschätzung Gunter Falks und dem lesenden Publikum; zwischen dem „Franz beim Bier" wie ein Text heißt, und dem prophetischen Analytiker einer Kultur der Kulturlosigkeit. 1999 wurde eine Symposiumsreihe in der Hofburg den Intellektuellen der 2. Republik gewidmet und Falk war nach Ernst Fischer die zweite Persönlichkeit, der man sich widmete. Die Tragfähigkeit von Falks prophetischen Slogans, das Zusammenspiel zwischen Politik und Kunst, Reflexion und Sentiment zeigt sich aktuell in Zitaten wie „Die Grenzen Deiner Liebe sind die Reichweiten Deiner Raketen".
In seiner Einführung machte Günter Eichberger klar, dass mit dem Tod Gunter Falks die Grazer Ära der Spätboheme, eines selbstzerstörerischen, gelegentlich erhellenden Individualanarchismus endete. Während Hanns Koren, dessen 100. Geburtstag dieses Jahr begangen wird, den steirischen Aufbruch in die Moderne durch ein Beharren auf konservativen Werten betrieb, brachen die Forumliteraten Gunter Falk und Wolfgang Bauer mit ihren provozierenden Dunkelkammerlesungen in die gleiche Richtung auf. Insofern war der von Heimo Steps in seiner dem 100.Geburtstag von Hanns Koren gewidmeten Veranstaltungsreihe „auszeit" veranstaltete Abend nicht nur von beklemmender Intensität, sondern auch programmatisch stimmig.
Willi Hengstler

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