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Inventur – Von Minimal Art bis Neo-Konzeptualismus |
Archiv - Kultur | |
Sonntag, 9. Juli 2006 | |
Annik und Anton Herbert next to: Franz West: Der grüne Wagen, 1995, Foto: De Gobert
Zu Beginn der 1960er Jahre entwickelten Protagonisten wie Carl Andre, Donald Judd, Sol LeWitt eine „eminent amerikanische Kunstrichtung" (Gregor Stemmrich: Minimal Art. Dresden, Basel 1995) gegenüber aktuellen Strömungen der bildenden Kunst von Abstraktem Expressionismus, Neo-Dada, Pop Art bis zu neuem Realismus, die als weitgehend selbstreferenziell und antithetisch dem Bezugssystem der Kunst der Moderne, vor allem aber deren europäischen Einflüssen gegenüber steht: Minimal Art. In ihren Arbeiten verweigerten sich die Minimal-Künstler jeder subjektiven Botschaft, allen Vergleichen gegenständlicher Abbildung und damit verbundenem anthropomorphem oder kontextuellem Inhalt. Lawrence Weiner, Installation am Akademischen Gymnasium, Foto wm 1968 und 1989: Entscheidende Zäsuren Mit Inventur zeigt das Kunsthaus Graz eine Ausstellung von Werken aus der Sammlung von Annick und Anton Herbert, die mit ihren Exponaten aus kunsthistorischer Sicht als paradigmatisch für entscheidende Positionen der Minimal Art, Concept Art und Arte Povera stehen. Die Sammlung Herbert wurde bisher erst mit zwei Ausstellungen – 1984 im Stedelijk Van Abbemuseum in Eindhoven und 2000 im Casino, Forum zeitgenössischer Kunst in Luxemburg – gezeigt. Kultur- und ideengeschichtliche Angelpunkte der Kollektion bilden das Jahr 1968 mit der radikalen Politisierung sozialer und kultureller Verhältnisse sowie 1989 mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Imperiums und einer Überwindung der Konfliktordnung zwischen Ost und West wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg gegolten hatte. Im April 1969 hatte Harald Szeemann die Ausstellung When Attitudes Become Form für die Berner Kunsthalle kuratiert und viele der damals vertretenen Arbeiten von Künstlern wie Carl Andre, Giovanni Anselmo, Robert Barry, Jan Dibbets, Joseph Kosuth, Richard Long, Bruce Nauman oder Lawrence Weiner wurden zur Basis der im Entstehen begriffenen Sammlung des im Textilhandel in Gent tätigen Ehepaares Herbert. In den 1990er Jahren wurde der Sammlungsbestand von Minimal Art kaum noch vertieft, dafür fanden Arbeiten von Künstlern wie Franz West, Martin Kippenberger und Mike Kelley eingang, Künstler, die der Kulturtheoretiker Diedrich Diederichsen im Buch zur Sammlung und Ausstellung (Public Space / Two Audiences. Werke und Dokumente aus der Sammlung Herbert, Gent, Barcelona, Graz 2006) einem Neo-Conceptualism zuordnet. Sammeln als politischer Akt Zu Entwicklung und Strategie der Sammlung nennt Anton Herbert die Besetzung des Palais des Beaux-Arts in Brüssel 1968 unter maßgeblicher Beteiligung von Marcel Broodthaers als entscheidendes Moment. „Wir wollten auf eine kreative Art und Weise partizipieren und wir taten dies, indem wir begannen, eine Sammlung aufzubauen." Erste Ankäufe waren ein Textsatz von Lawrence Weiner, ein Konversationsstück von Ian Wilson und Stoffstreifen von Daniel Buren. Es folgten ein Floor Peace von Carl Andre, Werke von Gilbert & George, On Kawara und Dan Graham. Durch Galeristen und Kuratoren entstanden Kontakte zu weiteren Künstlern wie Joseph Kosuth und Lawrence Weiner die in Freundschaften mündeten, was nicht zuletzt Grund dafür war, dass Graham, Kosuth, Weiner, Gilbert & George, Michelangelo Pistoletto, Luciano Fabro, John Baldessari zur Eröffnung von Inventur und zum begleitenden Symposion Weiß Kunst? nach Graz kamen – ein Aufgebot, wie man es sich noch im Kulturhauptstadtjahr vielleicht gewünscht hätte. Was weiß die Kunst? Interessant ist die Charakteristik der Sammlung, die sich aus der von Anton Herbert lakonisch beschriebenen Situation ergibt, zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein: In seinen Grundzügen spiegelt der Bestand mit der Spezialisierung auf besagte Strömungen Minimal-, Konzeptkunst und Arte Povera ein Bild, das nachgerade als Kunstgeschichte vermittelt wird. So mag auch die bewusst unklar gehaltene Frage im Titel des von Volker Munz und Ulrich Tragatschnig konzipierten Symposions Weiß Kunst? / Does Art Know? angesichts der Sammlung Herbert wohl so zu beantworten sein, dass die Auswahl der aufgenommenen Werke in der Folge eine wissenschaftliche Bearbeitung hinsichtlich der zu vergleichenden Tendenzen plausibel und damit unumgänglich macht. Wissen an sich ist keine inhärente Kategorie einer Sammlung, vielmehr generieren kompetent angelegte Konvolute den Bedarf an Interpretation und damit (Kunst-) Geschichtsschreibung und Theoriebildung. Ausstellungsansicht: Sol LeWitt: Incomplete Cubes, 1974 (li.), Gerhard Richter: 1024 Farben in 4 Permutationen, 1973 Chronologie der Inventur. Heimo Zobernig gestaltete die Ausstellung für das Kunsthaus Graz chronologisch, beginnend im Space02 mit Joseph Kosuths One and Three Coats, aus der One and Three-Reihe von 1965, deren bekanntestes Werk wohl die One and Three Chairs sind, Gerhard Richters 4 Glasscheiben (1965), Marcel Broodthaers’ Carte du monde poétique (1968); im Space01 ein Iglu von Mario Merz aus dem Jahr 1978 neben Daniel Burens Du vélum au volume (1974-1992) bis zur Needle mit Franz Wests Sofa-Monitor-Installation Ordinary Language (1993-1995) und Luciano Fabros Tre nudi che scendono le scale (1988). Unterwegs – und unmöglich, hier alle KünstlerInnen aufzuzählen – Arbeiten von Stanley Brouwn, Jean-Marc Bustamente, Hanne Darboven, Dan Grahams Spiegel/Fenster-Pavillon Public Space / Two Audiences, On Kawara, Robert Smithson, Thomas Schütte, Ian Wilson u.u.u. Für die Dauer der Ausstellung ist eine Textinstallation von Lawrence Weiner an der Fassade des Akademischen Gymnasiums (in Richtung auf den Tummelplatz) angebracht. Zu sehen ist Inventur. Werke aus der Sammlung Herbert bis zum 3. September im Kunsthaus Graz. Informationen unter www.kunsthausgraz.at Wenzel Mraček
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