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Fischer von Erlach. 350 |
Archiv - Kultur | |
Sonntag, 9. Juli 2006 | |
Foto: Ecke Herrengasse / Fischer von Erlachgasse steht das Geburtshaus des Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach
Zweifellos haben gedenkfreie Zonen anlässlich von Geburts-, Todes- oder Jubiläumsjahren einen gewissen Charme, doch gedankenlos sollten diese Anlässe auch nicht vorübergehen. Johann Bernhard Fischer wurde am 20. Juli 1656 in der Stadtpfarrkirche in der Herrengasse in Graz getauft. Das Geburtsdatum ist nicht bekannt. Seine Eltern waren Johann Baptist Fischer und Anna Maria Khrätschmair, verwitwete Erlacher. Die Vorfahren Fischers waren väterlicherseits und mütterlicherseits Drechsler, Bildhauer und Tischler. Werkstätte und Wohnquartier der Familie Fischer befanden sich im Haus Nr. 277 im damaligen Judengassl. Die Gasse hieß später Frauengasse, Jungferngasse und Pfarrgasse. Johann Bernhard hat wohl seine frühe Handwerkslehre in der Werkstatt des Vaters erfahren. Italienische Jahre. Im Jahre 1671 kam Fischer als 15-Jähriger nach Rom und arbeitete bei Philipp Schor, Architekt und Hofmaler des Papstes Innozenz XI. Der junge Fischer lernte und arbeitete als Bildhauer, Wachsbossierer, Dekorateur, Medailleur und Architekt. Er lernte die Werkstätten der großen römischen Baumeister Bernini und Fontana kennen und fand Zugang zum Kreis der Gelehrten um Königin Christine von Schweden. Im Jahre 1683 wurde Schor nach Neapel berufen und Fischer folgte ihm als Mitarbeiter. Es wird berichtet, dass Fischers Tätigkeit in Neapel auch wirtschaftlich erfolgreich war und er als reicher Mann im Jahre 1686 nach Graz zurückkehren konnte. Zurück in Österreich. Nach seiner außergewöhnlichen Lehrzeit und Praxis in Italien, einem Zentrum der Architekturentwicklung in Europa, begann Fischer seine erfolgreiche Karriere in Österreich, Salzburg, Böhmen und Mähren. Ab Sommer 1687 stand Fischer in Diensten Kaiser Leopolds I. Er arbeitete an der Pestsäule am Graben im Wien und gleichzeitig an der Stuckdekoration für das Mausoleum in Graz. 1689 war er Architekturlehrer des Kronprinzen Josef am Wiener Hof. Fischer kam zurück in eine Stadt, die kurz zuvor die große Belagerung durch die Türken im Jahre 1683 erlebt hatte. Noch im Jahre 1686 krönte der Halbmond mit Stern die Spitze des Stephansturmes und wurde erst danach abgetragen und aus dem Stadtbild verbannt. Vielleicht hat Fischer dieses bemerkenswerte Zeichen noch gesehen. In diesem verunsicherten und devastierten Land, dessen Eliten sich sofort als Mäzene und Auftraggeber zur Verfügung stellten, begann nun eine der faszinierendsten Epochen der Architektur und bildenden Kunst. Nieder mit Fischer von Erlach? Vermutlich ist alles über das Zeitalter des Barock gesagt worden. Muss aber das Erbe dieser Epoche heute vorwiegend der Kommerzialisierung, Vermarktung und der Tourismuswirtschaft überlassen bleiben? Gibt es neben der Tätigkeit von Denkmalschutz und Stadtbildpflege noch andere Verantwortlichkeiten betreffend den Umgang mit den Werken dieser Zeit? Gefangen in den dumpfen 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat Friedrich Achleitner noch die Parole „Nieder mit Fischer von Erlach" ausgerufen. Das ursprüngliche portugiesische „barroco" verweist auf einen Stein von unregelmäßiger, schiefer Form, womit eher noch ein Bezug zur Dekonstruktion gegeben ist. Die Begriffe „grotesk, bizarr, absonderlich und schwülstig" wurden später abwertend mit dem Barock gleichgesetzt, und doch ist es jene Kunstperiode, deren Eignung als Identitätskitt immer noch stärker ist als das Potential zu Differenz, wie sich am aktuellen Beispiel der Zelebration des österreichischen EU-Vorsitzes gezeigt hat Eine Ausstellung, wie die anlässlich der 300. Wiederkehr des Geburtstages von Johann Bernhard Fischer v. Erlach im Jahre 1956/57 in Graz, Wien und Salzburg so wie im Katalog präsentiert, ließe sich nicht wiederholen. Die enzyklopädische Darstellung von Leben und Werk fördert keine wesentlichen neuen Fragen und Antworten zu Tage. Die früheren Versuche Hans Sedlmayrs etwa, Fischer für einen „deutschen Barock" zu vereinnahmen, erscheinen angesichts der übernationalen Herkunft und Orientierung der Werke Fischers und Zeitgenossen tatsächlich grotesk. Die Hagia Sophia in Istanbul (aus Fischers „Entwurff Einer Historischen Architectur", Wien 1721): Aus der Kenntnis der großen Moscheen schöpfte Fischer von Erlach Inspiration für den Bau der Karlskirche. Quelle: Steirische Landesbibliothek „Bessermachen, nicht tadeln." Fischer selbst, der seit 1705 an der Dokumentation der historischen Grundlagen der Baukunst arbeitet, erfindet keine neue Begriffe für die Epochen des Bauens, sondern verweist lediglich auf die Herkunftsländer der untersuchten Objekte. Der Titel „Entwurff Einer Historischen Architectur" ist einerseits doppeldeutig, wenn man davon ausgeht, dass „Entwurff" in die Zukunft und „Historische Architectur" in die Vergangenheit verweist. Andererseits unterstreicht Fischer damit aber auch das Faktum seiner ersten Annäherung an das Thema. Diese umfassende Dokumentation, 1721 in Wien veröffentlicht, besteht aus fünf Büchern mit deutschen und französischen Texten, sowie Grundrissen, Schnitten, Ansichten und Perspektiven. Es werden „berühmte Gebäude des Alterthums und fremder Völcker" wie Bauwerke der Juden, Ägypter, Syrer, Perser und Griechen, der Römer, der Araber und Türken, der Chinesen und Japaner, Vasen der Antike und Moderne, „samt einer Zugabe der Gebäude von des Autors Erfindung und Zeichnung" dargestellt. Diese Dokumentation widmet Fischer in seiner Vorrede „den wohlgesinnten Urtheilsführern, die nicht nötig haben sich durch anderer Verkleinerung zu erheben, und welche also eher aufs Bessermachen als aufs Tadeln bedacht sind. Denen wird leicht erhellen, daß man durch einige Proben von allerhand Bau-Arten das Auge der Liebhaber zu ergötzen, und denen Künstlern zu Erfindungen Anlaß geben, mehr im Sinne gehabt, als die Gelehrten zu unterrichten. Wiewohl auch diese nicht in Abrede seyn können, daß man, soviel die Zeit, eigene Unkosten und die Beschaffenheit der Zeugnisse zugelassen, getrachtet habe, die Wahrheit zu beobachten". Bei gleichzeitigem Eingeständnis von Fehlerhaftigkeit und Mangel versieht ein kaiserliches Privilegium das Produkt der 16-jährigen Arbeit mit dem Schutz vor allfälligem Missbrauch. Ein Monument der Universalität der Baukunst: Die Wiener Karlskirche © Wien-Tourismus Ein Zeichen für die Universalität der Baukunst. Diese Dokumentation liefert Hinweise nicht nur auf die umfassende Kenntnis der Baukunst, etwa der großen Moscheen von Istambul, sondern auch auf die theoretischen Quellen und methodischen Grundlagen des Architekten, die das enge Korsett nationaler und religiöser Identität sprengen. Am Beispiel der Karlskirche in Wien zeigt Fischer die Lösung einer Planungsaufgabe (Pestkirche) als einzigartige zeichenhafte Interpretation auf der Grundlage seines „Entwurffs Einer Historischen Architectur". Vor dem Hintergrund der würfelnden Natur, da niemand weiß, ob und wann er von der Pest befallen wird, wählt Fischer, der selbst in seinem Leben oft ernsthaft erkrankte, ein wahrhaft „intelligent design", das den gewählten Bauplatz mit dem Stadtgefüge von Wien in Beziehung setzt. In seinem Entwurf verbindet er Elemente des Tempels des Salomon, des Pantheon, der islamischen Minaretts und der Baukunst Roms zu einem sakralen Zeichen, das nicht mehr einer Religion allein zugeordnet werden kann, sondern auf die Universalität der Baukunst verweist. Der Standort der Karlskirche am Ufer des Wienflusses vor den Mauern der Stadt, in achsialer Ausrichtung auf die Augustinerbastei und den Verlauf der alten Römerstrasse, muss einen unvergleichlichen Anblick und Anlass zu Nachdenklichkeit geboten haben. In Wien hat sich die Stadtplanung über Jahrzehnte bemüht den Karlsplatz als Platz zu sehen, bis man erkannt hat, dass dieser von Anfang an eine Landschaft war, in die Fischer sein Hauptwerk stellte. Zuletzt hat Otto Wagner in seiner Planung für den Karlsplatz 1903 einen Bezug dieser Sichtachse zu den Pavillons der Stadtbahnstation vorgeschlagen. Vielfach wird der Grad der Einflussnahme, die Durchsetzungsfähigkeit und Einbindung der Architekten des Barock bei der Standortfindung, der Festlegung des Bauprogrammes, der Gestaltung und Formgebung bezweifelt. Dagegen jedoch ist das Werk Johann Bernhard Fischer von Erlachs, des Buben aus dem Grazer Judengassl, der 1723 nach „lang absiechender Krankheit" in der Schultergasse in Wien unweit seiner Böhmischen Hofkanzlei verstorben ist, als Zeuge anzuführen. Diese Dokumentation liefert Hinweise nicht nur auf die umfassende Kenntnis der Baukunst, etwa der großen Moscheen von Istambul, sondern auch auf die theoretischen Quellen und methodischen Grundlagen des Architekten, die das enge Korsett nationaler und religiöser Identität sprengen. Am Beispiel der Karlskirche in Wien zeigt Fischer die Lösung einer Planungsaufgabe (Pestkirche) als einzigartige zeichenhafte Interpretation auf der Grundlage seines „Entwurffs Einer Historischen Architectur". Vor dem Hintergrund der würfelnden Natur, da niemand weiß, ob und wann er von der Pest befallen wird, wählt Fischer, der selbst in seinem Leben oft ernsthaft erkrankte, ein wahrhaft „intelligent design", das den gewählten Bauplatz mit dem Stadtgefüge von Wien in Beziehung setzt. In seinem Entwurf verbindet er Elemente des Tempels des Salomon, des Pantheon, der islamischen Minaretts und der Baukunst Roms zu einem sakralen Zeichen, das nicht mehr einer Religion allein zugeordnet werden kann, sondern auf die Universalität der Baukunst verweist. Der Standort der Karlskirche am Ufer des Wienflusses vor den Mauern der Stadt, in achsialer Ausrichtung auf die Augustinerbastei und den Verlauf der alten Römerstrasse, muss einen unvergleichlichen Anblick und Anlass zu Nachdenklichkeit geboten haben. In Wien hat sich die Stadtplanung über Jahrzehnte bemüht den Karlsplatz als Platz zu sehen, bis man erkannt hat, dass dieser von Anfang an eine Landschaft war, in die Fischer sein Hauptwerk stellte. Zuletzt hat Otto Wagner in seiner Planung für den Karlsplatz 1903 einen Bezug dieser Sichtachse zu den Pavillons der Stadtbahnstation vorgeschlagen. Vielfach wird der Grad der Einflussnahme, die Durchsetzungsfähigkeit und Einbindung der Architekten des Barock bei der Standortfindung, der Festlegung des Bauprogrammes, der Gestaltung und Formgebung bezweifelt. Dagegen jedoch ist das Werk Johann Bernhard Fischer von Erlachs, des Buben aus dem Grazer Judengassl, der 1723 nach „lang absiechender Krankheit" in der Schultergasse in Wien unweit seiner Böhmischen Hofkanzlei verstorben ist, als Zeuge anzuführen. Klaus Gartler, 03.07.2006 Der Autor ist Architekt und war Stadtrat in Graz.
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