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„Marktmechanismen in der Bildung |
Archiv - Bildung | |
Samstag, 8. Juli 2006 | |
(von li nach re) Rudolf Egger: „Weiterbildung bringt nur zwischen 15 und 30 Aufstiegschancen"; Richard Sturn: „Wider die ökonomistische Verengung des Bildungssektors", Luise Gubitzer: „Der For-Profit-Sektor soll nicht allein über Bildungsinhalte und –formen entscheiden"
Das österreichische Bildungssystem bietet keineswegs Chancengleichheit, sondern selektiert nach sozialer Herkunft und Einkommenssituation des Elternhaushalts, schafft weiter Ungleichheit und betreibt Schichtenbildung, lautete der Tenor des Symposiums „Gesellschaft mit beschränkter Bildung" am 14. Juni im Festsaal der Arbeiterkammer in Graz. „Die Schere zwischen bildungsnahen und bildungsfernen Schichten ist geblieben" konstatierte einleitend der Mag. Albert Kaufmann, Leiter der Otto-Möbesschule der AK.
Wider die Verbetriebswirtschaftlichung von Bildung: Die Ökonomin Dr. Luise Gubitzer (Wirtschaftsuniversität Wien) sieht starke Tendenzen in Richtung Flexibilisierung und „Verbetriebswirtschaftlichung" von Bildung. „Elite-Universitäten zur Produktion globaler Eliten könnten in Zukunft SchülerInnen aus Elite-Schulen vorbehalten sein, während sozial benachteiligte Schichten und MigrantInnen-Kinder in „Restschulen" gesammelt werden", fürchtet Gubitzer. Die Forderung nach einer marktnahen Ausbildung sei ein gängiges Schlagwort in der neoliberalen Diskussion. Der For-Profit-Sektor (Konzerne, Banken, Industrie) reiche zudem seine Weiterbildungskosten an die öffentliche Hand weiter.Doch unser Wirtschaftssystem werde nicht nur vom For-Profit-Sektor bestimmt, auch der öffentliche Sektor, der Non-Profit-Sektor und der Care Sektor (Haushalte) seien gleichwertige Bestandteile. Gubitzer: „Wenn Bildung marktnah sein soll, dann müssen alle Märkte in den Blick genommen werde. Bildung sollte alle Sektoren zur Kenntnis bringen." Bildung bestimmt über Einkommensverteilung. Der Ökonom Prof. Dr. Richard Sturn (Universität Graz) beschäftigte sich mit dem internationalen Handelsabkommen GATS und dem marktförmigen Wettbewerb im Bildungsbereich. „Der scharfe Wettbewerb bewirkt, dass Bildung einer Rentabilitätslogik unterworfen wird Bildung ist aber ein Erfahrensgut und Vertrauensgut und teilweise ein öffentliches Gut, das über eine künftige Einkommensverteilung bestimmt. Die aktuelle Diskussion ist für Sturn prekär, denn ökonomistische, legalistische und managerialistische Verengung zeugen von der mangelnden Einsicht in die Eigenheiten des Bildungssektors. (Weiter)Bildung ist kein Garant für sozialen Aufstieg. Der Grazer Pädagoge Prof. Dr. Rudolf Egger referierte über die Zusammenhänge zwischen sozialer Schichtzugehörigkeit, Bildung und Karriere; seine Bilanz ist ernüchternd: „Der direkte Einfluss des Elternhauses auf den Lebenslauf hat sich gewandelt, aber er ist auch heute noch von großer Wichtigkeit." So seien etwa Fähigkeiten, die bei 30-Jährigen als Talent wahrgenommen werden, in Wirklichkeit auf das Elternhaus zurückzuführen. Die „meritokratische Grundfigur", wonach jeder, der leistungswillig sei, auf dem Wege der Bildung in der sozialen Hierarchie aufsteigen könne, stimme nicht. Der Vorsprung, den eine soziale Kohorte zu einem bestimmten Zeitpunkt erreiche, bleibe auf Dauer bestehen; es gebe ein „Fenster für den Nutzen der Weiterbildung, das zwischen 15 und 30 Jahren liegt – wer’s in diesem Zeitraum nicht schafft, bleibt vom Aufstieg durch Weiterbildung ausgeschlossen. Der Marktmechanismus verstärkt, so Egger, die negativen Effekte der sozialen Selektion. Lernen und Weiterbildung werden durch ihn in die Eigenverantwortung der Individuen übertragen, die dieser Verantwortung aufgrund sozialer Barrieren nicht gerecht werden können. Die zentrale Forderung sei also, den Bildungsdiskurs aus der Marktlogik zu befreien und wieder in den gesellschaftlichen Diskurs zurückzuführen. mu, cs
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