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Gegenentwürfe zum Bourgeois.
Archiv - Kultur
Montag, 12. Juni 2006
ImageThomas Rothschild: Das große Übel der Bourgeoisie. Wien: Promedia 2005, ISBN 3-85371-217-7, br., 144 Seiten, 9,90 Euro

Vom Übel der Bourgeoisie, vom angeblich kleineren Übel der Sozialdemokratie und von Gegenentwürfen in Literatur, Film und Rock handelt das neue Buch von Thomas Rothschild. Ein hartnäckiges Gerücht besagt, die Alt-68er verfügten über die Diskurshoheit. Das Gerücht sagt die Wahrheit, freilich nur unter Hinzufügung einer Präzisierung: Es betrifft fast ausschließlich jene Alt-68er, die als Kritiker ihrer einstigen Überzeugungen längst die hämischsten Verächter ihrer früheren Ideale geworden sind und sich nun überschlagen in apologetischen Beteuerungen gegenüber dem Status quo. Was ihren Eifer nährt, bleibt unklar – ob es purer Opportunismus ist, der Wunsch, endlich einmal die Stallwärme der Wohlhabenden und Mächtigen zu teilen, oder eine späte Aussöhnung mit dem konservativen bis nationalsozialistischen Elternhaus – wir werden es nicht erfahren.
Tatsache ist jedenfalls, dass seit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums, das nur besonders sture Kommunisten und besonders militante Antikommunisten für sozialistisch hielten, ein großer Teil derer, die sich einst als Linke gebärdeten, den diskreten Charme der Bourgeoisie für sich entdeckt hat. Als Wortführer der neuen Bürgerlichkeit profilieren sich zunehmend just die Mehrheitsströmungen der Sozialdemokratie.
In den Künsten gab es stets auch Gegenentwürfe zum Bourgeois, und sie lässt Rothschild in diesem Buch Revue passieren: Den rebellischen „Narren" (etwa Charles de Costers Thyl Ulenspiegel), den revolutionären Intellektuellen (etwa Ljutov in Isaak Babels Reiterarmee), die „Klassenverräterin" (etwa Irmgard Keuns Gilgi), den kauzigen Außenseiter (z.B. in Frank Capras Film You Can’t Take It With You), die mittellosen Aussteigerinnen (etwa in Alain Tanners Messidor), den klassenbewussten Arbeiter (z.B. in den Filmen von Ken Loach) …

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