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Peter Weibel: Abbau von Bildungsprogrammen ist Teil politischen Kalküls |
Archiv - Kultur | |
Montag, 12. Juni 2006 | |
Der Berufsverband österreichischer Kunst- und Werkerzieher/innen, BÖKWE, organisierte anlässlich seines 50-jährigen Bestehens zu Anfang Mai eine internationale Fachtagung zum Thema „Ästhetische Bildung. Modelle und Perspektiven in Europa im Grazer Congress." Den Festvortrag hielt Peter Weibel, seit 1999 Vorstand des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, unter dem Titel „Wie viel Bildung verträgt die Demokratie bzw. wie viel Demokratie verträgt die Bildung".
Angesichts der Massenmedien, vor allem des Fernsehens, erkläre das Publikum täglich sein Einverständnis mit der eigenen Erniedrigung. Es sei eine „lustvolle Resignation festzustellen", wie Kennerschaft und Wissenskom-petenz zunehmend geächtet werden, weil sie sich über das Niveau der Masse hinwegsetzen. Reality Shows, in deren Rahmen man mit dem Bekenntnis reüssieren kann, dass man den Namen Shakespeare nie gehört habe, geschweige denn etwas damit verbinden könne, erhielten Vorbildwirkung und bezeichneten das Maß vermeintlich gesellschaftlich notwendiger Bildung.
Komplizenschaft zwischen Bildungswächtern und Bildungshintertreibern. Wer täglich die öffentlichkeitswirksamen Auftritte künstlerischer Dilettanten, die kurzzeitig zu Superstars gepusht werden, in Casting Shows verfolge, dem erscheine das eigene Leben ereignislos und trist. Weibel folgert, dass jungen Menschen unter solchen Bedingungen der Schulbesuch zum unliebsamen Zwang wird; eine Folge davon sei die zunehmende Brutalität und Gewalt, die von Schülern ausgeht. Es bestehe eine Komplizenschaft zwischen Bildungswächtern und Bildungshintertreibern (Massenmedien), indem dieselben Medien, in denen Sprachverlust oder -verfall kritisiert werden, diese mit ihren Inhalten befördern. Die wichtigste Erkenntnis des größten historischen Projektes der Aufklärung, der Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et de metiers ab 1751 bestand darin, dass die politischen Ziele der Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit nur durch die Beförderung von Bildung und Wissen erreicht werden können. Peter Weibel zieht den Schluss, dass der gegenwärtige Abbau von Bildungsprogrammen und -zielen in den öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten und Fernsehanstalten Erscheinungen politischen Kalküls seien, nämlich auf den Abbau von Demokratie und Rechtsstaat abzielten. Diese Krise könne nicht mehr durch Bildungsdebatten in den Massenmedien selbst gelöst werden, vielmehr müsse ihr curricular, also in gesetzlich verankerten Lehrplänen, entgegnet werden. Wenzel Mraček
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