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Gemeinnützige Dienstleister müssen im Sozialstaat eine noch größere Rolle spielen |
Archiv - KORSO Sozial FORUM - Schwerpunkt: Sozialstaat | |
Donnerstag, 1. Juni 2006 | |
Von Franz Ferner, Geschäftsführer Volkshilfe
Die Volkshilfe hat ihre Position zu Dienstleistungen der Daseinsvorsorge und der Zukunft des Sozialstaates in den letzten Monaten mehrmals öffentlich dargelegt. Vor allem im Rahmen der Kampagne SOS Europa versuchen wir die Stärken eines sozialen Europa aufzuzeigen. Eine fast ausschließlich auf wirtschaftliche Zusammenhänge ausgerichtete Politik in der Europäischen Union und die damit verbundene angestrebte Öffnung aller Dienstleistungsmärkte darf nicht zu Lohndumping und zu einem Wettrennen um die niedrigsten Sozialstandards führen. Politisches neoliberales Engagement bringt diese Konsequenzen mit sich und birgt eine massive Gefahr für die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in europäischen Ländern mit lange und hart erarbeiteten Sozial- und Gesundheitsstandards und rüttelt so an den Grundfesten des österreichischen Sozialstaates. Wettbewerbsvorteil. Die Volkshilfe steht in der Steiermark für Qualität, Innovation und Verantwortung. Das ist der Kern unseres Unternehmens. Wir sind seit 1947 ein gemeinnütziges Qualitätsunternehmen der Menschlichkeit. Die Volkshilfe bietet derzeit mit rund 1.800 angestellten und 500 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen erstklassige Dienst- und Hilfeleistungen für alle an. Die Verbindung von Verein und gemeinnützigem Unternehmen unter der Dachmarke Volkshilfe prägt uns mehr als viele andere vergleichbare Organisationen. Das sehen wir durchaus als Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Anbietern, die zunehmend auf dem Sozial- und Gesundheitssektor auftreten. Wir haben mit anderen gemeinnützigen und öffentlichen Partnern in den letzten Jahrzehnten die soziale Versorgung in der Steiermark sichergestellt. Den Staat nicht aus der Verantwortung entlassen. Um die Qualität unserer Dienstleistungen sicher zu stellen, gilt es nun eine Gegenbewegung zu neoliberalen Tendenzen einzuleiten. Die Zukunft Europas liegt nicht in nach unten lizitierten Sozialstandards. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, den Staat nicht aus seiner Verantwortung für das Soziale zu entlassen. Er darf nicht nur verwalten, er muss wieder stärker politisch gestalten. Es ist die Aufgabe sozialer Organisationen, auf Kernfragen der Verteilungs-, Bildungs- und Chancengerechtigkeit aufmerksam zu machen und Solidarität zu organisieren. Die PolitikerInnen und die WählerInnen müssen begreifen, dass Liberalisierungstendezen in der Daseinsvorsorge auch eine Verabschiedung des Politischen aus der Gestaltung eines nach dem Solidaritätsprinzip organisierten und für alle Einkommensschichten gerechten Zuganges zu Sozial- und Gesundheitsdiensten bedeutet. Die „Gemeinnützigkeit" allein wird uns in Zukunft nicht schützen... Selbstkritisch betrachtet haben wir zu lange verabsäumt, eine verständliche Darstellung des zivilgesellschaftlichen Mehrwerts und der Besonderheiten der von Gemeinnützigen erbrachten sozialen Dienstleistungen zu verdeutlichen. Wettbewerb ja, aber nicht um jeden Preis. Gegen einen „Wettbewerb" im Sozial- und Gesundheitsbereich ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Ausschreibungen müssen sich in einem modernen Sozialstaat allerdings zu einem erheblichen Prozentsatz an Qualitätsvorgaben ausrichten und zu einem deutlich geringeren Teil am Preis. Tagsätze und Normkosten aus Ausschreibungen dürfen keinen großen Spielraum für besondere „Renditen" bieten – dann sind sie für „Profitmaximierende Interessen" nicht mehr wirklich interessant. Es gehören im Prinzip nicht die Organisationen bzw. Anbieter geschützt, sondern die Interessen der KundInnen/KlientInnen/PatientInnen gewahrt, die sich aus eigener finanzieller Kraft die Dienste nie leisten könnten. Über Wirtschaftlichkeitskriterien hinaus arbeiten. Soziale Dienste gemeinnütziger Anbieter bauen auf Verlässlichkeit, Kontinuität und langfristige Verantwortlichkeit. Sie sind geprägt von Empathie für die Betroffenen und deren prekäre Lebenslagen. Das verschafft eine Glaubwürdigkeit, die sich nicht zuletzt in der Nachfrage der Hilfesuchenden widerspiegelt. Das ist der Kern eines Verständnisses, wonach gemeinwohlorientierte soziale Dienstleister über Wirtschaftlichkeitskriterien hinaus Besonderheiten aufweisen, die zu einer für den Sozialstaat notwendigen Sozialkultur beitragen. Mobilisierung der Zivilgesellschaft. Die sozialen Dienstleistungen der Wohlfahrtsverbände und Vereine beziehen den gesamten Sozialraum im Umfeld kranker, behinderter und unterstützungsbedürftiger Menschen ein. Zu diesem Zweck versuchen sie, ehrenamtliches und staatsbürgerliches Engagement als wichtige Bestandteile des gemeinschaftlichen Lebens in einer sozialen Gesellschaft zu wecken. Dieses Engagement nutzen sie, um in Gesellschaft und Staat für ein von sozialer Kultur geprägtes Gemeinwesen zu werben. Schaffung sozialer Bindungen und Vernetzungen. „Solidarität leben" findet sich in den unterschiedlichsten Ansätzen wie Selbsthilfegruppen, ehrenamtlichen Besuchsdiensten, Laienpflege, Nachbarschaftshilfe und bürgerschaftlichem Engagement sichtbar wieder. Das stärkt die Motivation zu sozialem Engagement und trägt zur besseren Qualität sozialer Dienste bei. Innovationsfunktion. Eine wichtige Aufgabe der Gemeinnützigen ist es, frühzeitig neue Problemlagen zu erkennen und innovative Lösungs- und Hilfsansätze zu entwickeln. Beispiele sind ganzheitliche, die gesamte soziale und gesundheitliche Situation von pflegenden Angehörigen in Betracht ziehende Angebote wie Pflegestammtische, kostenlose Angehörigenmagazine oder die Entwicklung neuer Wohnformen für vornehmlich älteren Menschen. Anwaltschaft. Als wesentliches Merkmal von Gemeinwohlorientierung und Wertgebundenheit nehmen die Gemeinnützigen und ihre Einrichtungen auch eine sozialanwaltschaftliche Rolle wahr. Dabei kann es natürlich immer wieder zu einem Konflikt zwischen dieser sozialanwaltschaftlichen Rolle der Gemeinnützigen und ihrer Einrichtungen und den wirtschaftlichen und unternehmerischen Interessen der Dienste und Einrichtungen kommen, der in der Praxis im Interesse der Hilfesuchenden immer wieder neu gelöst werden muss. Durch ihr Eintreten für die Interessen der BürgerInnen insbesondere gegen ungerechtfertigte Eingriffe des Staates in den Sozialschutz nehmen die Vereine und Verbände Korrektivfunktionen wahr. Diese vielfältigen Gründe sollten ausreichen, um auf die wichtige Rolle der Gemeinnützigen Vereine und Dienstleister für den Sozialstaat aufmerksam zu machen. Jetzt ist die Politik gefordert, den neoliberalen Trend zur Profitmaximierung auf Kosten unterstützungsbedürftiger Menschen zu stoppen. Warum gemeinnützige Anbieter von Sozial- und Gesundheitsdiensten im Sozialstaat weiterhin eine große Rolle spielen müssen: 1. Weil die „Gemeinnützigen" zu 80 Prozent Menschen betreuen, die im Schnitt nur 30 Prozent Eigenmittel zur Finanzierung der benötigten Dienstleistungen beitragen können. 2. Weil sie im Vergleich zu vielen gewerblichen Unternehmungen im Sozial- und Gesundheitsbereich keiner Share Holder Value-Philosophie unterliegen. 3. Weil sie „Zufallsgewinne" nicht an Investoren und private Eigentümerpersönlichkeiten „ausschütten", sondern nachvollziehbar und prüfbar in den Sozialbereich investieren. 4. Weil sie durch unsere Verankerung in der Gesellschaft einen sozialen Mehrwert für diese schaffen, wertebasierend arbeiten und den Ausbau der Zivilgesellschaft vorantreiben. www.soseurope.org
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