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Vorhersehbares.
Archiv - Kultur
Donnerstag, 11. Mai 2006
Image„Voraussagen Prognosen". STERZ Nr. 99, 60 Seiten Großformat, 6 Euro.

Das Wissen über die Zukunft wird zunehmend an „Zukunfts-Experten" delegiert, deren „Merkmal darin besteht, das meiste Unwissen über das am wenigsten Wissbare zu produzieren", lautet die Diagnose des Grazer Kunstphilosophen Erwin Fiala in der aktuellen Ausgabe des STERZ, die sich dem Thema „Voraussagen" widmet. Eine These, der wir nur zustimmen können, die vielleicht aber noch um die Feststellung zu ergänzen wäre, dass die Gilde der „Bolze", wie wir sie in der KORSO-Redaktion despektierlich nennen, leider auch Zukunft schafft (und nicht etwa nur ihre eigene): Nicht ernst zu nehmende WissenschafterInnen, sondern diese Meister der Selbstvermarktung sind es ja, die bei der Politik vornehmlich Gehör finden.

Weiter im vorliegenden Heft: Köstlich die Chronologie „1984/2084" Stefan Meschs, zusammengestellt aus das jeweilige Jahr behandelnden Werken der Antizipationsliteratur, TV-Serien und Filmen – von George Orwells 1984 bis Total Recall. Hintergründig Michael Rutschkys Spiel mit dem Futurum exactum. Bernhard Horwatitsch macht sich über den Glauben an ein „geheimes Regelwerk" lustig, das hinter den Ereignissen steht und sie vorhersehbar macht – dabei ist doch alles ganz einfach: Ein Spieler hat mehr Chancen zu gewinnen als ein Nicht-Spieler. Silke Rosenbüchler dehnt den Erignishorizont und verkündet das Zeitalter der Ratten, dem Vater in Max Bergers Beitrag graust es, als er erfahren muss, dass sein Sohn Prophet werden will, Walther Aigner sieht in „Virtual Bagdad" die Zukunft des „Kampfes gegen den Terrorismus" als von Schwarzenegger ins Leben gerufene Gladiatorenkämpfe. Christian Baier ergeht sich in der Kunst, Vergangenes vorauszusagen, Armin Bardels Voraussagen über die Ablösung der Republik durch „eine neue, effizientere regierungs- und verwaltungsform" sind zu nahe an der Realität um erfreulich zu sein. Berührend und scharf beobachtet: Birgit Van der Leedens „Ein Fremder in ihrem Haus". Gabriela Harmtodts sept-ember erinnert fatal an eine Episode aus den „Sterntagebüchern des Ion Tichy" des kürzlich verstorbenen Stanislaw Lem; weitere Beiträge stammen von Marie-Luise Kaltenegger, Herwig Höller, Georg Biron, Margit Breuss u.a. Genial Oliver Deutschs Grafiken „Menschen der Zukunft", die allen RassistInnen den Schweiß auf die Stirn treiben dürften …

P.S: Da der aktuelle STERZ der 99. aller bisher erschienenen STERZE ist, wagen wir unter Anwendung der Analyseinstrumente des dialektischen Materialismus die Prognose, dass dem unverzichtbaren und unverwechselbaren Zentralorgan für Literatur, Kunst und Kulturpolitik demnächst ein rundes Jubiläum ins Haus steht. Dazu gratulieren wir jetzt schon ganz herzlich. cs

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