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Gesundheitsrisiken durch Mobilfunkstrahlung im Visier der Forschung
Archiv - Soziales
Sonntag, 7. Mai 2006
ImageJoachim Schüz: „Auch wenn die Verursachung von Hirntumoren durch Mobilfunkstrahlung noch nicht direkt nachgewiesen ist, empfiehlt sich für Kinder der Verzicht auf die Nutzung von Handys."

Das „Center of Biomedical Engineering" der TU Graz veranstaltete gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und der europaweiten Forschungsaktion „COST 281" eine Tagung zu den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen von mobilen Kommunikationssystemen.

In der Zeit von 20. bis 21. April 2006 diskutierten internationale Experten aus 18 Ländern unter dem Titel „Emerging EMF Technologies. Potential Sensitive Groups and Health" über Belastungen des menschlichen Organismus durch elektromagnetische Felder (EMF) bei aktuellen und zukünftigen Mobilfunkanwendungen.
Im Rahmen der Tagung sprach Josef Schiffer für KORSO mit Dr. Joachim Schüz, Epidemologe am Krebsforschungsinstitut der Danish Cancer Society (Kopenhagen), über die Risiken der Mobilfunktechnologie.

Wie sieht der aktuelle Forschungsstand bezüglich der gesundheitlichen Auswirkungen der Mobilfunktechnologie aus?
Es laufen in zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen über die thermischen Effekte durch die Strahlung von Mobiltelefonen.
Es gibt zwar eine Menge von Erfahrungswerten durch die relative große Anzahl von Personen, die diese Technologie über längere Zeiträume genutzt hat, allerdings konnte noch kein etablierter und eindeutiger Wirkmechanismus für die Verursachung von Hirntumoren nachgewiesen, wie dies z.B. bei radioaktiver Strahlung der Fall ist.
Auf der Tagung werden die Ergebnisse eine Studie aus Schweden vorgestellt, die auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Hirntumor hindeuten, aber auch diese sind meiner Meinung nach noch nicht auf genügend breiter Basis abgesichert.

Kann es eine von den Interessen der Industrie unabhängige Forschung geben?
Als Forscher muss man hier einen Mittelweg gehen, aber ich sage sehr deutlich: Die Industrie verdient an diesen Produkten, also hat sie auch eine Verantwortung dafür zu sorgen, dass diese sicher sind. Es müssen Wege dafür gefunden werden wie sie dieser Verpflichtung nachkommen kann, ohne auf die Wissenschaft Einfluss zu nehmen, denn dann würde niemand mehr an die Ergebnisse glauben. Die Finanzierung der Forschung zu den Risiken funktioniert daher über Stiftungen, die durch eine „Firewall" deren Unabhängigkeit sicherstellen. Die Ergebnisse müssen transparent dargestellt werden, es kann aber zu Abweichungen durch das jeweilige Design der Studien kommen.

In welcher Form werden diese Langzeitstudien durchgeführt?
Diese verlaufen im Wesentlichen auf drei Ebenen: zunächst auf zellulärer Ebene, sodann in Tierversuchsstudien und schließlich durch Epidemologie, d.h. die Beobachtung von Menschen in ihrem jeweiligen Umfeld. Die Interphone-Studie der EU hat aber auch gezeigt, dass es in allen Altersgruppen so viele Nutzer gibt, dass es schon sehr wenige Vergleichsmöglichkeiten mit Nichtnutzern gibt.
Jeder dieser drei Bereiche hat seine eigenen Probleme, und Fehlereinflüsse durch multifaktorielle Bedingungen sind nur schwer auszuschließen, aber die kombinierte Betrachtung der Ergebnisse dieser drei Methoden lässt relativ zuverlässige Aussagen über Risikofaktoren zu.

Worin sehen Sie potenzielle Risiken für die Nutzer der Mobilfunktechnologie?
Die Nutzungshäufigkeit, auch durch Faktoren wie die Flatrate oder Home-Zones, nimmt seit den neunziger Jahren stark zu, dadurch steigt auch die Gesamtbelastung des Organismus, auch wenn durch „Power-Adaption" moderner Geräte die Strahlungsintensität teilweise verringert worden ist.
Auch schnurlose Telefone bedeuten vor allem durch die Basisstationen prinzipiell eine höhere Belastung als Handys, aber das Mobiltelefon selbst spielt in unseren Überlegungen eine sehr große Rolle, denn wir haben es hier mit einer der stärksten Strahlungsquellen zu tun, die man noch dazu beim Gebrauch direkt an den Kopf hält.

Wie gefährdet schätzen Sie Kinder und Jugendliche ein und halten Sie eine Einschränkung der Handynutzung für sinnvoll?
Die Grenzwertvorschläge von ICNIRP (Internationale Kommission zum Schutz vor nichtradioaktiver Strahlung) wurden in den meisten Ländern umgesetzt, aber daneben gibt es auch ärztliche Empfehlungen zum absoluten Handyverzicht für Kinder bzw. eingeschränkter Nutzung für Erwachsene.
Das hat seinen Grund darin, dass Kinder hinsichtlich ihrer Physiologie zweifellos wesentlich empfindlicher als Erwachsenen sind. Außerdem sind sie im weiteren Verlauf ihres Leben stärker kumulativen Strahlungsmengen aus allen möglichen Quellen ausgesetzt, daher würde ich in jedem Fall den weitgehenden Verzicht auf das Handy empfehlen.

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