Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Weihnachten und Neujahr in der „City of Schein“
Mittwoch, 8. Dezember 2010
Kreative Stadt Entwicklung (27) von Harald Saiko Rund 55.000 Selbstständige leben laut Statistik Austria in Einkommensarmut. Diese Gruppe der „neuen Elendsunternehmer“ finden weder in der Wirtschaftskammer noch in der Arbeiterkammer eine ausreichende Vertretung, kritisierte die Armutskonferenz dazu. Diese sagt weiter, dass „Neue Selbstständige“ und prekäre Beschäftigung neue soziale Risiken seien, auf die es zukünftig „neue soziale Antworten“ brauche, „damit die Schwächsten nicht am meisten draufzahlen, weil sie nicht einmal vertreten sind“. Die „polemisch und unsachlich geführte Debatte“ um die Mindestsicherung sei ein Beispiel dafür, „wie engstirnig Teile der politischen Eliten auf die neuen sozialen Risiken reagieren“. Wie wahr, gilt dies genauso für etliche Kreative in Graz, die Musik-, DJ-, Kunst-, Theaterleute, die Kleine-geile-Läden-BetreiberInnen und Ein-anderes-Lebensgefühl-Bringer, ja und die vielen ArchitektInnen und Graphic-Mode-Möbel-Sonstwas-DesignerInnen aller Art sowieso. Die mit dem marketingfähigen Begriff „Kreative“ gesammelten Kämpferinnen und Kämpfer für eine bessere, schönere Welt sorgen zwar für Ambiente, für die Aura und den Freizeitwert, ohne den ein urbaner Standort heute angeblich nicht mehr global konkurrenzfähig ist, da sind sie willkommen. Ein ganzer Stadtmarketingfeldzug für die „City of Design“ wird mit ihrem Namen geführt. Aber die meisten von ihnen zahlen einen hohen Preis dafür und für ihre Selbstbestimmtheit, denn Armut wird noch weniger ausgesprochen, wenn der „Erfolg“ das Maß der Dinge ist. Wer will schon Erfolglose subventionieren oder beauftragen? Also nur nicht ansprechen in der „City of Schein“. Was die Armutskonferenz mit „engstirnige Teile der politischen Eliten“ meint, dürfte spätestens klar sein, seitdem eine großkoalitionäre Mehrheit unter großem Getöse lange nichts und dann das Übliche verkündet. Nämlich ein Budget, ohne auf die neuen sozialen Risiken zu reagieren, sondern nur auf die alte Leier der Finanzkrise, die da heißt: Die Zockereien sind von allen zu bezahlen, statt von jenen, die das Pyramidenspiel verursacht haben – alternativlos. Aber wie sollte es auch anders sein, bei einem dynastischen Prinzip der Politik, welches nur mehr familiär (siehe von Pröll bis Rudas) oder funktionär (siehe von Faymann bis Fekter) aufgebaut ist, egal was dabei rauskommt. Es ist ein Prinzip der Undurchdringlichkeit als machtpolitisches Gefüge des Selbsterhalts, die eigentliche Politik zunehmend Randerscheinung. Und in Stadt und Land gilt dies sinngemäß: Die Namen sind geläufig, sie werden ja samt Konterfei in diversen dünnen Postillen aller Art ausreichend abgedruckt. Und jene, die anders sein wollen, üben selbstdarstellend „die immer wiederkehrende ewige Bestätigung der Tatsache, dass wir auf der richtigen Seite stehen und uns gar nicht mehr mit dem Thema zu befassen brauchen!“ anstatt sich in die Mühen von Struktur und Sache zu vertiefen. Diesen Celebrity-Faktoren einer familiär-funktionären Mehrheitspolitik samt oppositioneller Selbstdarstellung haben individuelle Akteure und zivilbürgerschaftliche Handlungen wenig entgegenzusetzen. Eher müssen sie darauf achten, nicht auch noch von diesem Apparat vereinnahmt zu werden. In diesem Sinne kann es eigentlich nur besser werden. Allen Kreativen wünsche ich daher ein frohes Fest und ein gutes neues Jahr!

Architekt DI Harald Saiko,
Geboren und aufgewachsen in Graz, Studium in Graz und Paris, führt ein Büro für Architektur.Stadt.Kultur in Graz, Wien und Timisoara.
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