Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Ein Neuer
Sonntag, 14. November 2010
KUNSTimKONTEXT von Herbert Nichols-Schweiger Im Jahr 40 nach Koren, der steirischen Kulturzeitrechnung der Moderne, kam mit der neuen Landesregierung auch ein neuer Kultur-Landesrat. Einige wenige wunderten sich, dass damit ein Parteiwechsel verbunden war. Deutlich sagte es niemand. Das ist kein Understatement, sondern mittlerweile die Gefühlslage unter den Kulturtreibenden. Unterbrochen wird sie von herausragenden Personen, das Übliche regt nicht mehr auf. Der Neue wird unter dieser Prämisse qualifiziert werden, seine knappen drei Jahre als Grazer Kultur-Stadtrat bringen nicht viel Gewicht auf die Waage. Vielleicht von seinem Kommunikationsschub zwischen Politik und Szene in Gestalt des Kulturdialogs abgesehen, aber Gesprächsbasis ist das eine, Entscheiden das andere.
Christian Buchmann übernimmt die vollblütige Uneinheitlichkeit. Das überrascht nicht, denn seit Korens Abgang 1970 hatte die Steiermark sieben KulturreferentInnen, und der erste davon konsumierte mehr als die Hälfte dieser Zeitspanne. Nach Jungwirth kam ab 1991 die von Hirschmanns Intermezzo kurz unterbrochene Phase der drei Parteichefs Krainer, Schachner und Klasnic. Kurt Flecker sorgte vier Jahre lange für stärkeres Aufflackern, ehe der Landeshauptmann aus anderen Gründen die steirische Kultur wieder auf Normalflamme drehte. Bettina Vollath war dann gerade etwas mehr als ein Jahr vergönnt...
Die Aufzählung lehrt: das Kulturressort gilt  zwar als prestigeträchtig, gilt seiner Förderungen wegen gar als mächtig. Tatsächlich ging so gut wie jeder Wechsel pragmatisch vor sich. Von einem Ideologieressort, wie es die Wiener Stadträtin Dr. Ursula Pasterk seinerzeit sah, ist selten die Rede. Ob es die jeweilige Ressortleitung will oder nicht, die Verflechtungen mit und Grenzen an touristischen und medialen (ist gleich wirtschaftlichen) Bereichen sind dominant. Arbeits- und Sozialaspekte, schon gar Bildungs- und Qualifikationssteigerung bzw. Standortsicherung stehen im Hintergrund.
Nun kann einem Kulturpolitiker Ärgeres passieren als vollblütige Uneinheitlichkeit am Start. Volkstümelnde Heimatkultur im Süden Österreichs zum Beispiel, kulturelle Saisonbetriebe wie in Salzburg, Burgenland und Vorarlberg oder von Marketing geprägte und (aus-)genützte Kultur wie in Oberösterreich. Ein paar Ausnahmen sind da und dort zu finden. Bleiben Niederösterreich und Wien – mit der vollen Hose. Im Fall der Bundeshauptstadt und des sie umgebenden Bundeslands geht es auf Rechnung des Gesamtstaats! Also wäre Buchmann schlecht beraten, mehr Einheit zu schaffen. Die brächte Langeweile. Die Steiermark hat gerade noch die Größe, um sich ein kulturelles Vollbild zu leisten. Sie braucht es auch, wenn die Zeichen der Zeit und ihrer Vergangenheit richtig gedeutet werden.
Das Ansehen von Kunst und Kultur und ihr Beitrag für die Entwicklung des Landes waren hierzulande dann groß, wenn ausgetretene Pfade verlassen wurden: Forum Stadtpark, Trigon, steirischer herbst oder Graz als Europäische Kulturhauptstadt. So viel Geld war nie da, um Modelle von anderswo zu toppen. Also müssen eigene Wege gepflegt und womöglich neue gefunden werden. Dazu kann die vom neuen Landesrat apostrophierte Internationalität gar nicht weit genug gedacht werden. Hier kann er vieles fortsetzen, einiges neu sortieren und manches erweitern. Die latente Hinwendung von KünstlerInnen zu den Wissenschaften und Forschungsergebnissen sollte dabei eine weit wichtigere Funktion haben als die Vereinnahmung von Kunst für Design.
Der Wirtschaftslandesrat Buchmann hat eine viel zu wenig bedankte Rolle für die ambitionierte Rückeroberung des Designs in unsere Wahrnehmung übernommen. Ohne Pathos ist das eine historische Wiedergutmachung. Damit sind nicht nur die Förderung des Eigennutzens von Produktionsunternehmen und schon gar nicht nur die Erweiterung sogenannter KMU (Klein- und Mittelunternehmen) verbunden. Sonst wären jene viel stärker eingestiegen und diese hätten mehr Nachhaltigkeit bei ihren Arbeitsplätzen erlebt. Diese vielen sattsam überkommene Konsum- und Warenwelt hat aus ihrer durchaus auch (zer)störenden Funktion heraus geradezu die Verpflichtung zu einer Ästhetisierung unserer Umgebung. Der Kulturlandesrat Buchmann hat jetzt genug Möglichkeiten und Referenzpersonen, um die Differenz zwischen Design und Kunst auszuloten.

Sie erreichen den Autor unter: nichols@mur.at.
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