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Künstliche Intelligenz am künstlerischen Prüfstand
Sonntag, 14. November 2010
Erstens: Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. Zweitens: Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen erteilten Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. Drittens: Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert. So formulierte Isaak Asimov 1942 die Grundregeln des Roboterdienstes. Seine Kurzgeschichte „Roboterträume“ ist es auch, die für die aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Graz den zweideutigen Titel lieferte, der das Spannungsfeld rund um menschliche und maschinelle Eigenschaften umreißt. Bei Asimov muss Roboter Elvex sterben, da er nicht nur imstande ist zu träumen, sondern auch einen Aufstand plant. Im Kunsthaus dagegen werden verschiedenste Roboterwesen zum Leben erweckt und es ist der menschliche Betrachter, der zum Träumen angeregt wird. Denn gegenwärtig erobern Roboter unseren Alltag – schon morgen sollen wir mit dem Kühlschrank kommunizieren, Staubsauger und Rasenmäher finden ohnehin bereits ihren automatisierten Weg durch unsere Intimsphären, in der Medizin wird längst mit Nano-Robotern operiert, am Computer mit Software, die selbstständig aus ihren Fehlern lernt.

Vom Haushaltssklaven zum Leinwandstar.
Abgeleitet vom tschechischen „robot“, das mit Arbeit oder Frondienst übersetzt werden kann, wurde die Bezeichnung „Roboter“ von Josef und Karel Èapek Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals verwendet. Als Sklave des Menschen erdacht, war er schon immer Anknüpfungspunkt für modernistische Märchen. Dieser Hintergrund hat John Bock zu einem Spielfilm inspiriert, der aufbauend auf der Ästhetik früher Science-Fiction-Filme seine Story rund um die Erschaffung eines Androiden materialgewaltig inszeniert. Die erste filmische Roboterfigur – Maria aus Fritz Langs Klassiker „Metropolis“, als Nachbau des Deutschen Filmmuseums in der Ausstellung vertreten – war Inspirationsquelle für viele NachfolgerInnen. Virgil Widrich hat die bedeutendsten Filmszenen des Roboter-Genres auf virtuose Weise zu einer Montage verwoben und eröffnet damit jenen breiten Kosmos, den die Ausstellung leider nicht einzuhalten vermag. Denn am Ende wünscht man sich noch mehr Roboterwesen, noch vielfältigere Zugänge.

Tradition der künstlerischen Auseinandersetzung.
Die pure Poesie der Maschinenwesen stellt sich einem gleich zu Anfang in den Weg: „Ein Weltmodell“ von Richard Kriesche aus dem Jahr 1986 zeigt zwei miteinander gestikulierende Roboterarme, die sich gegenseitig ein- und ausschalten. Altertümliches Highlight ist Wolfgang von Kempelens „Sprechmaschine“ zur Hervorbringung menschlicher Sprachlaute aus dem Jahr 1790 – ein Blasebalg als Lunge, elfenbeinernes Rohrblatt als Stimmbänder und ein Gummi-trichter als Mund können einfache Laute nachahmen. Walter Pichlers TV-Helm – genannt „Tragbares Wohnzimmer“ – von 1967 ist heute längst virtuelle Realität. Und findet seine Fortsetzung in Jon Kesslers kleinem Horrorkabinett „The Prison 2010“. Sitzt man in der U-Bahn, so ist mindestens die Hälfte der Menschen gerade nicht anwesend, weil sie mit digitalen Tools nach außen kommuniziert. Grenzen sind längst nicht mehr physikalisch darstellbar, vielmehr sind sie abhängig vom Stand der Netzwerktechnologie.

Krabbeltier oder intelligente Prothese.
Spinnenartige Wesen, die in der Lage sind, auf den Betrachter zu reagieren, hat Niki Passath konstruiert. Schnittpunkte mit menschlichem und tierischem Verhalten dienten als Vorbild für das Zusammenrotten der Robotergruppe, aber auch für Fehlentscheidungen, bei denen sich das Einzelwesen von den anderen entfernt. Ein Naheverhältnis zwischen Mensch und Maschine ergibt sich bei der körperlichen Verschmelzung mit Prothesen – Perfomancekünstler Stelarc versucht seinen Körper an den unterschiedlichsten Stellen zu erweitern. Mit einer dritten Hand wird keine Fehlstelle im Körper kompensiert, sondern ein erweiterter Handlungsspielraum des Mensch-Maschine-Hybrids ermöglicht.

Denken, fühlen und clever kommunizieren.
Kirsty Boyle zeigt eine japanische Karakuri-Puppe als berührende Zeremonienmeisterin bei einer traditionellen Tree Ceremony, die in bestimmten Momenten ihre technischen Details entblößt. Jessica Field koppelt die beiden Roboter Clara und Alan, ausgestattet mit verschiedenen Weltauffassungen aneinander, zwei Hilfsautomaten übersetzen ihre Unterhaltung für den Betrachter, der gleichzeitig Gegenstand dieser Unterhaltung ist. Genial einfach Yan Duyvendaks Performance „Game over“: Der Künstler gibt im Luftschutzkeller den per Joystick gesteuerten Protagonisten eines Videospiels, der im Labyrinth des Spielparcours mit seinem künstlichen Bewegungsspielraum an den simpelsten Aufgaben scheitert. An der vermeintlichen Seelenlosigkeit der Maschine kratzt die Arbeit von Sibylle Hauert und Daniel Reichmuth, wenn Mensch via Spracherkennung in den Dialog mit der Maschine tritt, um gemeinsam über Bewusstsein und Selbst, über Denken und Fühlen zu philosophieren.

Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum Tinguely, Basel und ist bis 20. Februar 2011 im Kunsthaus Graz zu sehen.

| Eva Pichler
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