Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Das Foto im Zeitalter seiner digitalen Rezipierbarkeit
Sonntag, 14. November 2010
Mit „photo graz 010“ geht  der Querschnitt aus der heimischen Szene in eine vierte Runde – wie sie heuer mit der Bilderflut umgehen, erzählen Max Aufischer, Leiter der Kulturvermittlung Steiermark, und Gerhard Gross, Idee und Organisation. „photo graz“ gibt es in unregelmäßigen Abständen seit 2005. Wie ist es eigentlich entstanden?
Gerhard Gross: Die Idee zu „photo graz“ entstand im Zusammentreffen mit dem damaligen „Tratari“ und den Leuten, die diesen Raum in der Josefigasse für sich entdeckt hatten und noch nicht genau wussten, was sie damit tun werden. Ich war gerade dabei, für die Kulturvermittlung die „Kontrapunkte“-Ausstellung zu organisieren, im Zuge dessen habe ich über die Grazer Fotoszene recherchiert. Als ich dann den Raum sah, kam der Gedanke, dass es schön wäre, auch jene Leute zeigen zu können, die wir nicht für die Ausstellung ausgewählt hatten, weiter gedacht überhaupt die ganze Grazer Szene zur Teilnahme einzuladen. Von dieser Idee zur ersten Ausstellung ist genau ein Monat vergangen. Das Interesse war enorm, 70 Leute haben ihre Werke abgeliefert, mit dabei waren auch prominente Fotografen wie Erich Kees oder Eckhart Schuster.

Und wie hat sich das Projekt weiterentwickelt?
Max Aufischer: Als Gerhard Gross mir das Projekt „photo graz“ vorgeschlagen hat, hatte ich zunächst  Bedenken, weil die Fotosituation sich grundlegend geändert hatte. Aber er hat absolut recht behalten, weil er erkannt hat, welches junge Potential sich hier entwickelt. Unter organisatorischer Obhut der Kulturvermittlung wurde die nächste Ausstellung 2006 im ESC auf die Beine gestellt und es war eine absolute Steigerung. Wir haben also einen größeren Raum gefunden, aber es wurde ein so dichtes Angebot an uns herangetragen – Arbeiten von 160 FotografInnen –, dass es dennoch an die Grenzen gegangen ist. 2008 im Künstlerhaus waren es sogar 277 TeilnehmerInnen.

Wie ist man nach dieser Erfahrung 2010 an das Projekt herangegangen?
Max Aufischer: 2010 stellte sich natürlich die Frage: wie hat sich die Fotografie weiterentwickelt? Bildschirm, Fernseher und elektronischer Bilderrahmen haben längst das klassische Fotoalbum verdrängt. Nur ein Bruchteil der entstehenden Fotos wird überhaupt geprintet. Da laufen wir im Moment Gefahr, dass die Fotografie in ihrer traditionellen Ausformung ein Ghettoprodukt des Museums oder der Galerie wird. Diesem Verlust des materiellen Bildes, des gerahmten Werkes wollten wir in der Ausschreibung und in der Lichtpräsentation über Bildschirme gerecht werden.
Gerhard Gross: Es wird nach wie vor eine sehr bunte Präsentation sein und mit einem Rundblick sieht man viele Bilder parallel. Dadurch, dass wir die Werke in alphabetischer Reihenfolge präsentieren, nimmt man vielleicht auch Bilder wahr, die einem in einem anderen Zusammenhang nicht ins Auge gestochen wären, die auch durch eine schlechte Ausarbeitung untergangen sind. So sind sie alle auf einem Level.

Ist die digitale Präsentation für eine Ausstellung nicht auch ein Wertverlust? Welchen Anspruch hat im Zeitalter digitaler Medien eine physisch verortete Ausstellung?
Max Aufischer: Mit dem Verlust des materiellen Bildes sind auch gesellschaftlich sehr viele Dinge verbunden. Ich denke da auch an persönliche Vereinsamung, Isolierung  –  Kunst und Kultur sind ja auch ein gesellschaftliches Phänomen, bei dem es nicht nur ums Produkt, sondern auch um den gesellschaftlichen Umgang mit dem Produkt geht.
Gerhard Gross: Der soziale Aspekt vor Ort ist wichtig. Wenn die vor den Arbeiten stehen, entsteht eine Diskussion darüber. Man kann sich zum Bild äußern. Auch unter den KünstlerInnen entstehen Kontakte oder auch Kooperationen.

„photo graz“ verzichtet ja auch komplett auf Themenvorgaben?
Gerhard Gross: Unsere Ausschreibung ist sehr offen, die Arbeiten müssen nur in den letzten beiden Jahren entstanden sein. Aktfotografie, klassische Kalenderbilder, beiläufige Fotografien oder auch Naturbilder sind ausgenommen, es geht uns um den Bereich der künstlerischen Fotografie. Aber wir geben daraus keine qualitative oder kuratorische Auswahl vor. Wir präsentieren einen Querschnitt und das Publikum kann sich zur Qualität äußern, kann  dieses Angebot annehmen. Ich finde es schön, dass „photo graz“ in dieser Hinsicht, zumindest soweit ich weiß, eine einzigartige und sicherlich nicht alltägliche Ausstellung ist, wo eine gesamte Bandbreite sichtbar wird. Nach wie vor ist es für mich sehr reizvoll, dass wirklich quer durch die Bank altersmäßig von Leuten, die ganz am Anfang einer Fotoausbildung stehen, über ambitionierte Hobby-Fotografen bis zu wirklich prominenten Künstlern, die bereits international tätig sind, alle an einem Ort zu sehen sind.
Eva Pichler

„photo graz“  zeigt heuer 222 Fotokünstler/-innen und Fotogruppen. Die Ausstellung eröffnet am Freitag, 12. November 2010 um 19.00 im stadtmuseumgraz und ist dort bis 5. Dezember 2010 zu sehen.
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