Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
GerambRose 2010 – Was ist Baukultur?
Dienstag, 5. Oktober 2010
Im September wurde vom Verein für Baukultur Steiermark die GerambRose2010 vergeben. Thema der diesjährigen Auszeichnung war „Öffentliche Räume - Bauten für den Ort, die Infrastruktur und die Landschaft“. 48 Projekte wurden zu diesem Schwerpunkt eingereicht, ein weiteres wurde von der Jury nachnominiert, letztendlich wurden sechs Auszeichnungen vergeben. Der 1909 gegründete Verein „Heimatschutz in der Steiermark“ wurde 2002 umbenannt und heißt nun Verein „BauKultur Steiermark“. Das „Geramb-Dankzeichen für gutes Bauen“ wurde erstmals im Erzherzog-Johann-Jahr 1959 und regelmäßig ab 1981 für Leistungen, die der Erhaltung oder Schaffung einer qualitätsvollen Baukultur dienten, verliehen. Diese Auszeichnung wurde damals nach Hofrat Univ.-Prof. Dr. Viktor Geramb benannt, der Gründungsmitglied und jahrzehntelang Präsident des Vereins Heimatschutz in Steiermark war. Der Umbenennung des Vereins folgte auch eine geringfügige Änderung des Namens des verliehenen Preises. Er heißt nun „Geramb-
Rose“ und wird ab diesem Jahr nur noch zweijährlich verliehen, wobei durch drei Themenschwerpunkte ein sechsjähriger Zyklus entsteht. Diese wären: „Private Räume – zum Thema Wohnen“, „Gemeinschaftliche Räume – zu den Themen Arbeit, Bildung, Kultur und Soziales“ und „Öffentliche Räume – zu den Themen Ort, Infrastruktur und Landschaft“. Eine Voraussetzung für die Einreichung von Projekten ist deren Realisierung.
Yvonne Bormes bat Dipl.-Ing. Günter Koberg, Geschäftsführer des Vereins Baukultur Steiermark, zum Gespräch.

In den letzten Jahren erfolgte eine Umbenennung des Vereins und infolgedessen auch des Preises. Ist es noch zeitgemäß einen Preis nach Viktor Geramb zu benennen, weckt das heute nicht unangenehme Assoziationen?
2009 haben wir den hundertjährigen Bestand des Vereins zum Anlass genommen, um darüber nachzudenken, was in der Vereinsgeschichte passiert ist und wo wir heute stehen und wo wir hinwollen. In der Steiermark war der damals übliche Begriff des Heimatschutzes schwer von Nationalsozialismus vereinnahmt, auch die Personen des Vereins waren nicht frei von dieser Ideologie. Auch die Person Viktor Geramb hatte das Deutschnationale in seiner Person verinnerlicht, jedoch ohne dass man eine direkte Verbindung zu den Verbrechen des Nationalsozialismus herstellen kann. Es ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, dass er sich Verbrechen schuldig gemacht hat, weshalb wir nach langem Nachdenken beschlossen haben, dass der Preis nach ihm benannt werden kann. Die Verdienste von Viktor Geramb stehen außer Frage. Er hat die Volkskunde in der Steiermark institutionalisiert, er hat das Volkskundeinstitut und das Volkskundemuseum gegründet etc. Wir haben den Rucksack mit Heimatschutz abgestellt und auch das Wort nicht mehr im Vereinstitel, und dadurch dass darüber gesprochen wurde, wer wie involviert war, können wir damit auch ganz gut umgehen.
Wir wollen Baukultur in der Steiermark fördern, die Qualität in der Baukultur, vor allem in den Gemeinden. Denn wir sind mit dem Verein sicher eher an den Wurzeln des Ländlichen, profanen Bauten, die wirklichen Nutzen haben, interessiert.

Bei den Siegerprojekten fällt auf, dass der Grazer Karmeliterplatz das einzige Projekt aus einer „Großstadt“ ist. Ist es Absicht, dass sich die Auswahl auf das Ländliche konzentriert?
Wir haben aus Graz – einerseits direkt von der Stadt Graz, andererseits, weil Infrastrukturbauten dieses Jahr auch dazuzählen, auch einige aus dem Bereich der Verkehrsinfrastruktur aus dem Grazer Raum gehabt - es wurde z.B. auch der Marienplatz eingereicht oder eine Verkehrsdrehscheibe in Puntigam. Die Jury hat diese Projekte aber nicht ausgeschieden, weil sie  aus Graz, Hauptstadtprojekte sind, sondern aus qualitativen Gründen.

Was sind die Kriterien bei der Beurteilung? Am Sonnenfelsplatz ist ein Shared Space geplant, wäre das auch ein mögliches Projekt?
Natürlich, in sechs Jahren gibt es wieder das Thema „öffentlicher Raum“ und wenn das Projekt realisiert ist, wird es sicher in die Wertung miteinbezogen. Vor wenigen Wochen war die Eröffnung des ersten Shared-Space-Projekts in Gleinstätten, das nicht eingereicht werden konnte, weil es damals noch nicht fertiggestellt war. Es sollen alle sechs Jahre die besten Projekte der letzten sechs Jahre in Steiermark ausgezeichnet, quasi eine rückblickend angewendete Qualitätsmaßlatte. Wenn Sie fragen, was an Qualitätskriterien herangezogen wird, so steht der Begriff der Angemessenheit der Mittel ganz stark im Vordergrund.

Sprich: ökonomische und ökologische Projekte.
Ja, genau. Es kommt so oft vor, dass bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes eine Übermöblierung entsteht, ein Zuviel an Materialmix und Dingen, die hineingestellt werden. Ein Beispiel dafür ist die Hauptplatzgestaltung in Gleisdorf. Ein sehr ambitioniertes Projekt, wo eine neue Platzgestaltung über die bestehende drübergelegt wurde. Dort stehen riesige Blumenkübel, wie sie jetzt Mode sind, als sehr modische Elemente neben der Marienstatue, die dadurch erschlagen wird. Es passiert auch oft, dass aufwendigst designte Möbeln normalen Möbeln des Stadtgartenamts gegenüberstehen.

Wenn man sich das prämierte Projekt der Aufweitung Gosdorf anschaut, wird sich so mancher fragen: Wo ist da die Baukultur? Wo zieht man die Grenze zwischen Baukultur und rein notwendiger Infrastruktur, zwischen öffentlichem Raum und Naturraum?
Es wurden viele Projekte eingereicht, die ganz stark mit Landschaft, Flüssen, aber auch Klammen zu tun haben, die für Fußgänger zugänglich gemacht worden sind, wo hochbaumäßig nichts gebaut wurde. Es geht um die Zusammenhänge von Naturraum und ökologischem Gleichgewicht wie auch Grundwasserversorgung der dort lebenden Personen. Wir haben diese Flussaufweitungsprojekte besonders hervorheben wollen, weil sich dort die Landschaftsplaner in der Gestaltung sehr zurück gehalten haben. Man hat nur dem Wasser, dem Fluss die Möglichkeit gegeben, selber zu gestalten, so wie es früher war. Eigentlich werden die Sünden unser Eltern und Großeltern rückgebaut. Damals wurde durch starke Flussregulierungen dem Fluss die Möglichkeit genommen, sich seinen eigenen Weg durch die Aulandschaft zu suchen. Es gab dann zwar keine Überschwemmungen, aber Flora und Fauna haben sich zurückgebildet. Jetzt können bestimmte Pflanzen- und Tierarten, die in der Au heimisch sind, sich dort wieder ausbreiten, denn sie leben davon, dass es einmal zu wenig und einmal zu viel Wasser gibt.

Also ist der Mut zur Zurückhaltung ausgezeichnet worden?
Genau. Und es ist nicht so, dass dieser Ort nicht von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dort führt der vor allem am Wochenende sehr stark frequentierte Murradweg vorbei. Da tun sich neue kinder- und familienfreundliche Erlebnisräume auf, die auch genutzt werden.

Wie beurteilen Sie den Murturm von Klaus Loenhart?
Der Murturm war ebenfalls ein eingereichtes Projekt, das genau an diesem Thema der Verhältnismäßigkeit der mittel gescheitert ist. Die Relation von Aufwand zu Nutzen erscheint dermaßen überzogen, dass die Jury es nicht ausgezeichnet hat - auch wenn jedes Mitglied der Jury den Turm faszinierend findet, ein tolles Bauwerk, eine statische Meisterleistung, einen großartigen Entwurf.

Was tut der Verein eigentlich noch außer Preise zu verleihen?
Wir haben jetzt absichtlich die Preisverleihung nur noch alle zwei Jahre, damit wir im zweiten Jahr mit dem Ergebnis durch die Steiermark tingeln können. Das zweite Standbein wird sein, Öffentlichkeitsarbeit für das Thema zu machen. Ziel ist eine Wanderausstellung und ein Katalog, wo alle eingereichten Projekte aufgelistet und die besten gezeigt werden, auf der anderen Seite aber auch darüber geschrieben wird, wo der Diskurs gerade steht.
Das Tolle ist ja, dass der öffentliche Raum gerade stark besprochen wird. Vielleicht auch, weil es so schlecht um ihn steht, weil es immer mehr Restriktionen gibt, der einzelne Bürger im öffentlichen Raum immer weniger tun darf.
Wir werden dahingehend mit dem Land Steiermark zusammenarbeiten. Die Baudirektion hat sieben Außenstellen in den Regionen, die wir als Partner gewinnen konnten, um auch dort vor Ort agieren zu können, in Form von Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Gruppen, die Interesse an dem Thema haben.

Wie weit beschäftigt sich Verein mit Bauvorhaben, die in nächster Zeit angedacht sind? Man hat den Eindruck, der Verein konzentriere sich auf das Positive, seine Preisverleihung, und bemühe sich Aktuelles, das die Wogen hoch gehen lässt, unkommentiert zu lassen.
Das ist richtig, der Verein hat sich in den letzten Jahren zu aktuellen Themen des Baugeschehens nicht öffentlich zu Wort gemeldet hat. Das hat mit der Struktur des Vereins zu tun. Seit 17. September 2010 hat er einen neuen Vorstand, bestehend aus sieben Personen plus einen etwas größeren Beirat, einem Gremium aus Fachleuten, das den Vorstand berät. Alle machen diese Arbeit ehrenamtlich und treffen sich zwei- bis sechsmal im Jahr. kann. Das heißt, dem Verein stehen kaum finanzielle und Humanressourcen zur Verfügung. Es gibt andere Architekturinstitutionen, die ständig besetzt sind, die Zeitung lesen und reagieren wie das HDA oder die Ingenieurkammer.
Ich glaube trotzdem, dass dieses Auszeichnen und vor allem das Darüberreden, warum ein Projekt besser ist als ein anderes, sehr viel an Bewusstsein bringen kann.

Die Jury der GerambRose 2010:

Roland Gnaiger (Architekt, Professor an der Kunstuniversität Linz, Vorsitzender der Jury)
Peter Pretterhofer (mit der GerambRose 2008 ausgezeichneter Architekt)
Bernhard Steger (Architekt, Beirat im Verein BauKultur Steiermark, Schriftführer der Jury)
Uli Tischler (Architektin, Beirätin im Verein BauKultur Steiermark)
Dietger Wissounig (Architekt)


Die ausgezeichneten Projekte:

Neugestaltung des Kirchplatzes Eibiswald
Planung: Juan Carlos Gómez Avendaño, HBG Architekten, Graz
Bauherr: Marktgemeinde Eibiswald

Gärnerpark Leoben
Planung: stingl-enge architekten ZT-gmbh, Trofaiach
Landschaftsplanung: Gerhard Rennhofer, Wien
Bauherr: Stadtgemeinde Leoben

Freiheitsplatz Graz 
Planung: Klemens Klinar, Graz
Bauherr: Stadt Graz

Landschaftsgestaltung Kurpark mit „life medicine RESORT DAS KURHAUS“ Bad Gleichenberg
Landschaftsplanung: Adelheid Schönborn, München
Planung: Jensen &  Skodvin Arkitektkontoras, Oslo, gemeinsam mit Architekten Domenig & Wallner, Graz
Bauherr: KAPPA Thermenbeteiligung GmbH, Graz

Aufweitung Gosdorf, Aufweitung Weyern, Hochwasserschutz Schladming
Planung: freiland Umweltconsulting ZT GmbH, Graz
Bauherr: Amt der Steiermärkischen Landesregierung, FA 19B, mit Baubezirksleitungen Feldbach, Judenburg und Liezen sowie dem Wasserverband Bezirk Radkersburg

Autobahnrastplätze der ASFiNAG 
Planung: Planungsgruppe APA – Arbeitsgemeinschaft Parkplätze ASFiNAG
Architektur: Ernst Giselbrecht + Partner, architektur zt gmbh, Graz
Projektleitung, Statik, Verkehrsplanung: Rinderer & Partner, ZT KEG, Graz
Landschaftsplanung: freiland Umweltconsulting ZT GmbH und REVITAL Ziviltechniker GmbH, Wien/Graz/Nußdorf
Bauherr: ASFiNAG, Wien/Graz
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >