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Dienstag, 5. Oktober 2010 | |
Wimmlers Demontagen von Karl Wimmler
Heute falle ich wieder einmal mit der Tür ins Haus: Ich bin ein großer Anhänger von Debatten über „aggressives Betteln“. Allerdings begehe ich dabei in der Regel sofort eine Themenverfehlung, weil ich die um sich greifenden Videowalls oder auch die aggressiv störenden Werbungen auf Internetseiten als schlimm empfinde. Wenn ich auch wie viele bestens trainiert bin im Wegschauen und Weghören. Das Schlimmste aber – es dauert nicht mehr lange! – blüht uns in Kürze wieder: Die in den vor- und nachweihnachtlichen Wochen gleichsam als tägliche Terroristen in sämtlichen Medien dieses Landes unterwegs befindlichen „Licht ins Dunkel“-Schleimer und Heuchler. Etwas Aggressiveres als diese Bettelei ist schwer vorstellbar. Und dann kommen mir manche mit unangenehmen Bettlern in der Grazer Herrengasse oder vor Supermärkten! Licht ins Dunkel – Aber es ist doch für einen guten Zweck! – Womit wir bereits bei der Frage wären, welche Mittel der angeblich gute Zweck heiligt. Bei „Licht ins Dunkel“ ist der Sachverhalt relativ klar: Die Sozialimagepolitur mancher Firmen und der massenhafte Groschen der „kleinen Leute“ erspart dem Staat die Erfüllung eines Teils seiner Aufgaben. Oder gehört die Garantie eines menschenwürdigen Lebens von sozial Benachteiligten oder Behinderten nicht zu den Kernaufgaben des Staates? – Aber lassen wir für heute die Ungustiösitäten von „Licht ins Dunkel“. Wenden wir uns den NGOs wie WWF, Greenpeace oder Amnesty International zu. Bekanntlich betreiben die in der Regel jugendlichen Straßenkeiler dieser Vereinigungen, die sofort IKEA-mäßig auf Du und Du ihren „Kunden“ einen Dauerauftrag abzuluchsen haben, ihren harten Job im Wesentlichen auf Provisionsbasis. Nun ist die Provision der klassische Anreiz für Verkäufer, denen es egal ist, welche Ware sie verkaufen. Weswegen letztlich auch so gut wie jeder Trick und jedes „Argument“ erlaubt ist. Das Provisionssystem ist das für das Zirkulieren der kapitalistischen Warenwelt ideale Antriebsmittel. Verkauft muss werden, je mehr, desto besser – egal ob notwendig oder nicht, egal ob zweckmäßig oder nicht, egal ob vom Käufer bezahlbar oder nicht, egal ob umweltverträglich oder nicht. Natürlich werden auch die Teilnehmer bestimmter TV-Shows mit Provisionen gekeilt. Nur zum Beispiel. Provisionen sind überall. Placebos. Seit langem schon steigt die Anzahl jener Lohnabhängigen massiv an, die in der einen oder anderen Weise von Provisionen als Gehaltsbestandteil leben. Das ist so lange nicht wirklich gravierend, als der Provisionsanteil des Gehalts geringfügig bleibt und das Denken und Handeln dieser Menschen nicht von Verkaufszahlen dominiert ist. Ist doch ohnehin alles Wirtschaftsdenken nur auf den Verkauf gelenkt – von der Exportsteigerung bis zur Bettenauslastung. Tatsächlich aber gibt es Hunderttausende Menschen hierzulande, die auch beruflich kaum noch anders können, als in Verkaufszahlen zu denken. Weil das Gehaltsfixum minimal ist. Oder überhaupt fehlt. Dazu gehören die Straßenkeiler. Auch die von WWF & Co. Zugleich aber erklären diese Organisationen in ihrer Propaganda den Menschen zuweilen (sofern ihre Projekte was taugen), dass dieser Konzern da und jene Firma dort Umweltverbrechen begeht, gegen die Abhilfe geschaffen werden soll. Der Zusammenhang mit jener Wirtschaftsweise, deren Schlachtruf just „Verkauf, egal was! Hauptsache Profit!“ lautet, fällt dabei unter den Tisch. Was also soll da herauskommen außer Placebos für Leute in den reichen Ländern, die ihr Gewissen beruhigen möchten. „Akzentfreies Österreichisch“. Vor einiger Zeit bekam ich Post von Amnesty International. Wie ein Jahr zuvor. Ein Herr Patzelt, Generalsekretär dieser Organisation, schrieb mir persönlich: „Machen Sie mit! Bei der ‚Lotterie mit Herz’ können Sie helfen und gewinnen.“ Und was hat er im Angebot? – „Ein neues Auto, eine Traumreise oder eine moderne Küchenausstattung“ oder andere der „7.648 Preise“. Und als „kleinen Vorgeschmack aufs große Glück“ ist er so nett und legt gleich einen „Reisegutschein in Höhe von € 20,- gratis“ dazu. „Einzulösen bis 31.12.2010“. Damit kann man dann Urlaube in Länder buchen, über die Amnesty zugleich ganz kritische Berichte liefert über Unschuldige in schlimmen Gefängnissen, über Todesurteile und böse Regierungen. Das find ich praktisch. „So macht Spenden mehr Spaß!“ – Wenn man dazu Näheres wissen möchte, hat man die Möglichkeit, sich bei einer – natürlich kostenlosen – „Service-Nummer“ zu erkundigen. Diese Nummer wird – wenn man der Sache nachgeht – betrieben von einer Fundraising Competence Group GmbH in Wien. Amnesty ist Geschäftspartner dieser Firma. Ich habe nicht angerufen, sondern nachgeschaut, wer dort Auskunft gibt: „Als Telefon-Fundraiser repräsentierst du“, so schreibt die Firma diese Stellen aus, „verschiedene Hilfsorganisationen am Telefon“ mit einer „besonderen Tätigkeit im Dienst der guten Sache“. Fixum mit Provision. „Spendenmarketing“ eben („8 von 10 österreichischen Erlagscheinen werden in unserer Holding gedruckt“). Da ist es praktisch, wenn man als Bewerber zuvor nicht nur sein Gewissen an der Garderobe abgibt, sondern auch allfällige unpassende Mängel: „Wir suchen Menschen mit ‚akzentfreiem Österreichisch’ für unsere Telefon-Abteilung.“ – Wehe, da meldet sich ein von Amnesty mit Ihrem Spendengeld freigekaufter Zulu, Tschusch oder Kanak! Übrigens: Spenden für Amnesty International kann man – sofern man Steuer zu zahlen hat – steuerlich geltend machen. (Nebenbei: auch für „Aktion Leben Österreich“.) Spenden für SOS-Mitmensch nicht. Siehe https://www.bmf.gv.at/Service/allg/spenden//show_mast.asp. Fällt Ihnen eine Erklärung ein, warum?
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