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„Die Jugendlichen nehmen bei uns weniger Drogen als Erwachsene
Archiv - KORSO Sozial FORUM - Schwerpunkt: Jugend
Freitag, 28. April 2006
Image Horrormeldungen wie „8 Prozent der 14-Jährigen im ländlichen Raum sind alkoholkrank", vermitteln ein falsches Bild der Jugend ist Manfred Geishofer von b.a.s. überzeugt. Manuela Palmar sprach für KORSO mit dem Leiter von „betrifft abhängigkeit und sucht" über die mediale Sensationalisierung des Themas, Alkopops und Cannabis als Alltagsdroge.

Hat sich in den letzten Jahren am Suchtverhalten Jugendlicher etwas verändert?
Was die Diskussion in den Medien betrifft, scheint es so zu sein. „Die Konsumenten werden immer jünger!" „Das Einstiegsalter wird immer niedriger!" „Die Jugend konsumiert massenweise Alkohol!", Imageheißt es da. Wenn man die Situation aber in Form von Daten überprüft, bestätigen sich die Schlagzeilen nicht.

Das heißt also, es ist alles „wie immer"?
Bei illegalen Drogen gibt es natürlich Trends. In den letzten 20 Jahren, in denen ich auch als Berater und Therapeut tätig bin, sind die Leute, die sehr früh mit intensivem Drogenmissbrauch begonnen haben, mehr geworden. Wenn man sich die Situation global anschaut, damit meine ich den Jahresbericht der europäischen Beobachtungsstelle, ist erkennbar, dass bei Cannabis das ImageEinstiegsalter sinkt. Der Konsum anderer illegaler Drogen ist hingegen sehr gering. Bei Cannabis liegt die Lebenszeitprävalenz in der Gruppe der über 15-Jährigen bei 20 Prozent. Alle anderen Drogen sind unter 5 Prozent. Lebenszeitprävalenz bedeutet, dass der Befragte die Droge schon einmal im Leben genommen hat. Bei der Jahresprävalenz sinken diese Werte um die Hälfte. Wobei das natürlich immer noch kein intensiver Konsum ist. Es gibt einen Artikel aus dem Jahr 2003 von Dr. Alfred Uhl vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung, den ich sehr gut finde. Darin nimmt er ganz konkret Bezug auf die Aufnahmen von betrunkenen Kindern in der Grazer Kinderklinik. Er beschreibt einfach die mediale Sensationalisierung des Themas. Er bringt Beispiele von Schlagzeilen: „11 Prozent der Achtjährigen haben schon einmal Alkohol getrunken" – Dazu meint er schlicht: In einem Land mit diesem Pro-Kopf-Verbrauch ist es ein Wunder, dass nicht mehr als die Hälfte zumindest ab und an an Papas Bier nippen. Oder: „8 Prozent der 14-Jährigen im ländlichen Raum sind alkoholkrank." Das ist völliger Unsinn, weil sich Alkoholismus relativ langsam entwickelt. Die Leute die uns aufsuchen, natürlich schon mit einer Suchtgeschichte, sind knapp über 40.

Ab wann kann man von Alkoholsucht sprechen?
Bei einer Schnelldiagnose sagt man: Wie weit bestimmt der Drogenkonsum das Leben. Inwieweit fallen andere Lebensinteressen weg, wie gravierend greift die Sucht ein. Das heißt: Schulabbruch, Arbeitsstellenverlust... Im Einzelgespräch schauen wir wie weit sich der Alkoholkonsum beim jeweiligen Klienten auswirkt. Klinisch gibt es sieben Punkte, die von der WHO festgelegt wurden, davon müssen drei erfüllt sein. Neben körperlicher Abhängigkeit, das heißt Entzugssymptomen oder Toleranzentwicklung, sind auch Punkte wie Interessenvernachlässigung erwähnt, also auch eher schwammige Kriterien.

Man hört immer von Alkoholeinheiten, die pro Tag oder Woche konsumiert werden dürfen. Was hat es damit auf sich?
Das hat mit Abhängigkeit überhaupt nichts zu tun, das ist die Grenze, ab der das Gesundheitsrisiko steigt. Früher waren das bei erwachsenen Männern 60 Gramm, heute rechnet man das anders, etwas komplizierter. Man schätzt, dass 18 Prozent der ÖsterreicherInnen über diese Gefährdungsgrenze hinaus trinken und fünf Prozent der erwachsenen ÖsterreicherInnen tatsächlich alkoholabhängig sind.

Wie beeinflussen so genannte Alkopops das Trinkverhalten von Jugendlichen?
Alkopops sind für Jugendliche gemacht. Die Kritik an diesen Produkten ist: Sie werden als Kracherl oder Limonaden präsentiert, haben aber einen Alkoholgehalt wie Bier, so an die 5 Prozent. Darin liegt sicher ein Element der Verführung. Aber das sind Meinungen, keine wissenschaftlichen Daten. Ich schließe mich in diesem Punkt Günther Amendt an. Er ist der Meinung, das gehört getrennt. Wer ein Rum-Cola trinken will, soll sich den Rum kaufen und soll sich das Cola kaufen. Das ist einfach eine Erhöhung der Schwelle, wie das Jugendschutzgesetz. Wenn die Verkäuferin nach dem Ausweis fragt, hat das symbolischen Wert. Es macht einen Unterschied, ob ich zu dieser Thematik eine resignative Haltung habe oder ein Zeichen setze. Wobei ich persönlich denke, dass da ähnlich wie bei illegalen Drogen immer etwas hochstilisiert wird.

Noch einmal zurück zu den Schlagzeilen über die „heutige Jugend". Ist da wirklich nichts dran?
Die Kinder sind heute früher erwachsen. Eine Hypothese ist, dass sie ungenierter in der Öffentlichkeit trinken, als das noch vor 10 oder 20 Jahren der Fall war, dadurch kann man rückschließen, dass sie schon früher Erfahrungen mit Alkohol machen. Uhl schreibt: „Betrachtet man die letzten 40 Jahre, kann man feststellen, dass das Alter, in denen Kinder die ersten Erfahrungen mit Alkohol machen, um das dreizehnte Lebensjahr im Wesentlichen konstant bleibt, dass aber in den darauf folgenden Altersgruppen, ab dem 13. Lebensjahr, die Zahl jener, die bereits mit regelmäßigem Konsum begonnen haben, weit höher ist, als das bei den früheren Generationen der Fall war." Das heißt also, nicht das Einstiegsalter sinkt, sondern Jugendliche trinken schneller regelmäßiger als früher. Alle diese Berichte und Forschungen, so spärlich sie bei uns leider auch sind, weisen darauf hin, dass die Jugend bei uns weniger Drogen nimmt als die Erwachsenen. Und sie tun es in der gleichen Form. Die Hauptdrogen sind nach wie vor Nikotin und Alkohol, obwohl Nikotin natürlich nicht berauscht. Cannabis ist eine Ausnahme, das verschiebt sich. Der Gebrauch so genannter harter Drogen ist unter der Jugend ausgesprochen gering. Wichtig ist: Dass die Jugendlichen, die auffallen, nicht die Jugend an sich ist, was oft so dargestellt wird und ich persönlich als sehr nervend empfinde. Das größte Drogenproblem, das Kinder haben, ist ein drogenabhängiger Elternteil. Das erschließt sich erst in den letzten Jahren der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Man muss bedenken, dass fast zwei nahe Angehörige von der Sucht eines Einzelnen, das ist meistens der Alkoholismus des Vaters, mit betroffen sind.

Sie haben erwähnt, Cannabis sei eine Ausnahme. Können Sie das vielleicht näher erläutern?
Cannabis geht eindeutig in Richtung Alltagsdroge.

Wie Alkohol?
Ja, wie Alkohol. Man schätzt generell, dass über 20 Prozent der Bevölkerung Haschisch konsumieren. In einer Studie der Stadt Graz, in einem kleinen Monitoring, haben in der Gruppe der 15- bis 25-Jährigen über 60 Prozent zugegeben, Cannabis schon einmal probiert zu haben. Wobei aber der Anteil der massiven Konsumenten relativ klein war. Nur 1,4 Prozent konsumierten täglich Marihuana.

Und sonst wird Cannabis so gehandhabt wie Alkohol beim Fortgehen?
Ja, ich denke, das ist auch unter Erwachsenen weit verbreitet. Wir haben in der Beratung oft das Problem, dass Jugendliche zum Teil glauben, Cannabis ist legal. Das ist ganz interessant, deshalb ist es wichtig, von unserer Seite darauf hinzuweisen, dass Cannabiskonsum ganz klar ein Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz ist.

Kommen ins b.a.s. hauptsächlich Alkoholabhängige?
43,1 Prozent unserer Klienten hatten eine Alkoholdiagnose, 25 Prozent waren Angehörige und 16,1 Prozent hatten Probleme mit illegalen Drogen.

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