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Connecting People heißt nicht nur Menschen zu verbinden…
Archiv - KORSO Sozial FORUM - Schwerpunkt: Jugend
Freitag, 28. April 2006
Image Ameachi Eboigbe mit seiner Patin Andrea Sendlhofer

200 minderjährige Flüchtlinge leben in der Steiermark, davon ungefähr 80 in Graz. Das Zebra-Projekt „Connecting People" hilft unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen durch die Unterstützung von engagierten PatInnen in Österreich Fuß zu fassen.

Ameachi Eboigbe ist einer dieser Flüchtlinge. Ameachi flüchtete im Februar 2004 aus Nigeria nach Österreich. Er war in Lebensgefahr, nachdem er sich weigerte den Platz seines verstorbenen Vaters in einer „Geheimgesellschaft" einzunehmen. Ein Pfarrer half ihm bei der Flucht. Seit über zwei Jahren lebt der schüchterne Nigerianer nun in Graz. Seit eineinhalb Jahren hat er eine Patin. „Ich habe im Megaphon von diesem Projekt gelesen", erzählt seine Patin Andrea Sendlhofer, „und habe mich sofort entschieden mitzumachen." Seit dem Sommer 2004 treffen sich die beiden einmal in der Woche um gemeinsam etwas zu unternehmen. „Wir waren schon im Kino, beim Eislaufen und zu Familienfeiern kommt Ameachi auch oft mit. Nur das gemeinsame Laufen haben wir aufgegeben. Er ist ein sehr guter Läufer und musste immer ewig auf mich warten", lacht Sendlhofer.

Kinderspezifische Fluchtgründe nicht anerkannt. Seit 2003 gibt es das Patenschaftsprojekt „Connecting People" in Graz. Orientiert hat sich Zebra am gleichnamigen Wiener Konzept, das ursprünglich von der asylkoordination in Kooperation mit UNICEF Österreich ins Leben gerufen wurde. Claudia Maczkiewicz ist die Projektverantwortliche von „Connecting People". „Die Jugendlichen mussten aus den unterschiedlichen Gründen aus ihrem Heimatland flüchten, viele sind traumatisiert und befinden sich in einer schwierigen psychischen Situation", schildert die Psychologin und Tanztherapeutin den Zustand, der meisten Flüchtlinge, wenn sie in Österreich ankommen. Die rechtlichen Grundlagen in Österreich machen das Leben der Minderjährigen nicht unbedingt leichter. Oft werden sie in Schubhaft genommen, weil die kinderspezifischen Fluchtgründe einfach nicht anerkannt werden. Wird ein Asylverfahren eingeleitet, können bis zum endgültigen Bescheid sieben Jahre vergehen. In der Zwischenzeit ist es den Flüchtlingen nicht erlaubt eine reguläre Ausbildung zu machen oder einer Arbeit nachzugehen. Das PatInnenprojekt soll ihnen zumindest helfen während der Wartezeit Deutsch zu lernen, in die österreichische Kultur einzutauchen und österreichische Freunde zu finden.

PatInnen fürs Leben. Ameachi bereitet sich gerade bei ISOP in der Dreihackengasse für den externen Hauptschulabschluss vor. Er spricht nicht sehr gut Deutsch, versteht aber viel mehr. Andrea Sendlhofer erzählt, er könne nicht „Nein" sagen, was dazu führt, dass sie nie genau weiß, was er will oder was ihm unangenehm ist. Die kulturellen Unterschiede sind durch die Sprachbarriere nur langsam zu überwinden.
Obwohl er noch immer sehr schüchtern ist, stellt Claudia Manczkiewicz eine deutliche Steigerung seines Selbstbewusstseins fest, seit er im Patenschaftsprogramm ist. Im Schnitt dauert ein Asylverfahren eineinhalb Jahre. Wenn im besten Fall der positive Bescheid kommt, heißt das noch lange nicht, dass die Patenschaft damit beendet ist. Aber wie auch bei normalen Patenschaften funktionieren die Beziehungen untereinander einmal besser einmal schlechter. „Manchmal leben sich Pate und Patenkind einfach auseinander, manchmal passen sie von Anfang an gar nicht zusammen", so die Psychologin. Das Auswahlverfahren, also welchem Paten welcher Flüchtling zugeteilt wird, erfolgt zwar nach bestem Gewissen, klappt aber nicht bei allen Paaren: Sowohl die PatInnen als auch die Jugendlichen schreiben eine Art Steckbrief von sich, mit Hobbys, Interessen und Eigenschaften. Das Team um Claudia Manczkiewicz teilt dann je nach Interessensübereinstimmungen die Flüchtlinge den PatInnen zu. Eine Art Kuppelshow. Dass das den MitarbeiterInnen von Zebra überlassen wird, macht Sinn. „Stellen sie sich vor, die PatInnen dürften sich die Flüchtlinge aussuchen. Die extrovertierten Flüchtlinge wären schnell zugeteilt. Die Schüchternen blieben übrig. Das würde die traumatische Situation, in der sich die Jugendlichen befinden noch verschlechtern", unterstreicht die Psychologin die Sinnhaftigkeit der Zuteilung durch Dritte.

Eine neue Familie. Im Fall von Dietmar und Gisela Kohl und ihrem Patenkind Abdou hat die Zuweisung ganz gut funktioniert. Seit Oktober 2001 lebt der Senegalese in Graz. Im Frühling 2003 lernten sich Dietmar und Abdou im Rahmen des Patenschaftsprogramms kennen. „Die Beziehung begann zögerlich", beschreibt Dietmar Kohl in seinem Beitrag des bald erscheinenden zweiten Teils der Buchreihe „Connecting People", in der auch den Grazer Patenschaften einige Kapitel eingeräumt sind. Er hätte es sich leichter vorgestellt, schreibt er „damals, als ich zum ersten Mal mit dem Projekt Connecting People in Berührung kam. Während vieler Treffen und Vorbereitungsabenden, mit jeder Menge Informationen über Herkunftsländer und Asylrecht, über den Umgang mit traumatisierten Jugendlichen, und, und… In der praktischen Umsetzung hatte ich meine Probleme." Nach einigen Verabredungen zum Fußball, Kino oder Langlaufen kamen sich die beiden dennoch näher. Abdou erzählte Dietmar von seiner Heimat. Er verlor seine Eltern. Senegalesische Rebellen trachteten auch nach seinem Leben. Das gemeinsame Leben mit Abdou sah für Dietmar „vorsichtig optimistisch" aus. Dann der Schnitt: Abdou wurde Ende Juni 2004 im Zuge einer Großaktion „und als angeblicher Teil eines von Westafrikanern geführten Drogenrings" verhaftet und musste für ein Jahr ins Gefängnis. „Sein Pflichtverteidiger habe ihn zu einem Schuld-Eingeständnis überredet. Noch heute beteuert er seine Unschuld", so Dietmar Kohl weiter. Nach diesem Jahr veränderte sich noch mehr im Leben der Familie Kohl. Abdou wurde entlassen und wusste nicht wohin. Dietmar holte ihn ab. Seitdem wohnt Abdou bei der Familie.

Abschiebung nicht ausgeschlossen. So etwas ist im Patenprojekt natürlich nicht vorgesehen, aber in menschlichen Beziehungen passieren nun mal laufend unvorhergesehene Dinge. Das Asylverfahren von Abdou ist noch nicht abgeschlossen. Die Haftstrafe ist dem positiven Asylbescheid nicht unbedingt dienlich. „Uns ist bewusst, dass Abdous Status unverändert der eines Asylwerbers ist. Mit der Abschiebung als letzter Konsequenz", bringt Dietmar Kohl die Situation auf den Punkt. „Aber bis dahin leben wir, jedeR auf seine/ihre Art, den Alltag einer Familie. Mit Eltern, die ziemlich plötzlich einen großen Sohn bekamen."

PatInnen immer Willkommen. Claudia Manczkiewicz bereitet bereits die dritte Gruppe PatInnen auf ihre Aufgaben vor, fünf Patenpaare und sechs Einzelpersonen. Insgesamt gibt es in Graz zurzeit 16 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in das Projekt integriert sind, und 19 PatInnen, überwiegend Frauen. Zebra sucht nach wie vor Menschen, die sich ehrenamtlich Flüchtlingen annehmen wollen, um ihnen das Leben in Österreich zu erleichtern. Wem eine Patenbindung zuviel ist, der/die kann sich auch dafür entscheiden Deutschkurse anzubieten oder mit den Flüchtlingen kreativ arbeiten. Auch über Sachspenden freut sich der Verein. Interessierte wenden sich an: Claudia Maczkiewicz, Tel.: +43/316/90 80 70 -21; Mail: claudia.mac@zebra.or.at

Manuela Palmar

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