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Viele Stimmen für ein Soziales Europa |
Archiv - KORSO Sozial FORUM - Schwerpunkt: Jugend | |
Freitag, 28. April 2006 | |
„Wie finanziert sich ein soziales Europa?" – Diese Frage stellten sich namhafte nationale und internationale Referenten auf der SOS Europa Konferenz in Wien.
Anfang Februar fiel der Startschuss zu einer europaweiten Kampagne, die auf die sozialen Missstände innerhalb der Europäischen Union hinweisen soll. Die österreichische Volkshilfe und die Partnerorganisationen von Solidar fordern in ihrem Manifest, dass Sozialpolitik in der Union in Zukunft keine Nebenrolle sondern eine Hauptrolle spielt. „Save Our Social Europe" ist der Slogan, den sich die Initiatoren auf ihre Fahnen geheftet haben – besser gesagt auf viele Rettungsringe drucken ließen. Dieses Symbol soll auf den Status quo der EU aufmerksam machen: 32 Millionen Menschen haben derzeit keine Arbeit, 72 Millionen leben in Armut. Mit diesen erschreckenden Zahlen eröffnete Volkshilfe Österreich-Bundesgeschäftsführer Erich Fenninger die zweitägige Konferenz SOS Europe, die gleichzeitig der Auftakt zu einer europaweiten Kampagne für mehr soziale Sicherheit war. Die konkreten Forderungen der Organisationen sind allesamt auf www.soseurope.org einzusehen. Inhalte. „Wir setzen uns für eine Europäische Union ein, in der die Gleichwertigkeit von Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik garantiert ist, die die Sozialverträglichkeit aller neuen Maßnahmen und gesetzlichen Regelungen garantiert, in der allen Menschen Zugang zu qualitativ hochwertigen sozialen Dienstleistungen haben, in der menschenwürdige Arbeit für ein menschenwürdiges Leben gewährleistet ist, die umfassende Aus- und Fortbildungsstrategien fördert, die frei von jeglicher Form von Diskriminierung ist, in der die Gleichstellung von Männern und Frauen Wirklichkeit ist und die international eine Stimme für faire Globalisierung ist", so der Wortlaut des Manifests. Das dieses Modell auch funktionieren kann sind sich die Verfasser sicher: Denn trotz unterschiedlicher Traditionen in den Mitgliedsstaaten gibt es doch gemeinsame Wertvorstellungen, wie Gesundheitsversorgung und Bildung, menschenwürdiges Wohnen und sozialen Schutz für alle. Diese gemeinsamen Werte sind der Kern des europäischen Sozialmodells und ein wichtiges Element der europäischen Identität. „Eine Identifikation mit der europäischen Union ist nur dann möglich, wenn die Union die Hoffnungen und Ängste der BürgerInnen tatsächlich aufgreift." Vor allem in der europäischen Sozialpolitik ist das in letzter Zeit nicht geschehen. LAbg. Barbara Gross, Volkshilfe Stmk. GF Franz Ferner und Stadträtin Tatjana Kaltenbeck-Michl beim Auftakt der Kampagne für ein soziales Europa. Ein Schritt in die richtige Richtung. Das Abstimmungsergebnis zu EU- Dienstleistungsrichtlinie sieht die Volkshilfe als einen Schritt in die richtige Richtung. „Mit breiter Mehrheit wurde dem neoliberalen Ansatz des ursprünglichen Kommissionsvorschlags, nach dem niedrigsten Lohn-, Sozial- und Umweltstandards Tür und Tor geöffnet worden wären, eine Absage erteilt", freut sich Franz Ferner, Geschäftsführer der Volkshilfe Steiermark. „Wir sehen in dieser Entscheidung einen ganz wichtigen Schritt zur Wahrung des Europäischen Sozialstaatmodells, in dem vor allem an den langjährigen Qualitätsstandards in der Freien Wohlfahrt nicht gerüttelt wird. Dies war in den Debatten um die EU-Dienstleistungsrichtlinie von Beginn an unsere Position, in der wir uns nun bestätigt sehen", so die dritte Landtagspräsidentin Barbara Gross. Es darf auch gelacht werden. Um die Forderungen der „SOS Kampagne" unter die Menschen zu bringen, hat die Volkshilfe einen Botschafter ausgesandt. Unter dem Motto „Armut geht uns alle an" zieht Jörg Martin Willnauer mit einem musikalischen Kabarett durch die steirischen Bezirke. „Das neue Kabarett verspricht einen gelungenen Abend für alle, die Unterhaltung mit Haltung schätzen, für alle, die lachen und nachdenken können, für alle, die über den eigenen Tellerrand schauen und auch für die, denen das Lachen vergangen ist, für alle Generationen", verspricht Gross. Die Termine für Willnauers Auftritte sind unter www.stmk.volkshilfe.at abzurufen. Wer die Kampagne von Volkshilfe und Solidar unterstützen will, kann auf www.soseurope.org seine Stimme für ein soziales Europa abgeben. Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek über die Realisierung einer Utopie Zum Auftakt der Kampagne am Wiener Ballhausplatz las Petra Morzé einen Text von Elfriede Jelinek, den die Nobelpreisträgerin speziell für die Volkshilfe verfasst hat. Hier eine gekürzte Version. Ich bin sehr froh, dass es Organisationen gibt, die ein gerechteres Europa anstreben, ein sozialeres und ein solidarischeres. Viele wollen das, und es soll sie möglichst wenig kosten. Ich glaube sogar, alle wollen das, und es soll sie möglichst wenig kosten. Aber ich würde mir auch wünschen, dass mehr Menschen nach den Möglichkeiten fragen, wie man das Sein der Menschen grundsätzlich verbessern könnte. Wenn man es verbessern muss, dann sollte man es auch können. Aber wer kann es? Um es zu können, müssen diese Möglichkeiten zur Verbesserung des Seins und seiner Verhältnisse überhaupt erst geboten werden. Das ist eine Einstellungssache. Das Sein selbst lässt sich nicht einstellen, es ist eine Realität, aber es muss sich auf vieles einstellen, auf viele Umstände, die es macht, und Umstände, denen es unterworfen wird. Und auf diese Umstände wieder muss sich das Sein einstellen, die Umstände muss es ständig fokussieren, um weiter ein Sein überhaupt bleiben zu dürfen. Das ist viel verlangt, vom Sein und von jedem Menschen. Nicht dass er ein Mensch ist, zählt, sondern dass er die Umstände seines Lebens immer überprüfen muss, abtasten wie ein Scanner, ob sie überhaupt noch lebenswert sind und was man unternehmen kann, damit sie es werden. Damit man wenigstens seine Existenz bewahren kann, und viele sagen ja: eine „solche" (welche?) Existenz sei gar nicht bewahrenswert. Es ist aber jeder alles wert und sollte es allen wert sein. Und indem Organisationen oder Initiativen wie die Volkshilfe diese Utopie der besseren Realität für Menschen zu schaffen versuchen, kann sich irgendwann - ich weiß, das ist wieder eine Utopie - kann sich irgendwann einmal diese Intention der Gleichheit aller Menschen, die Selbstverständlichkeit, dass alle genug Mittel haben müssen, um ihr Leben zu erhalten und nicht nur zu fristen, nicht nur zu vegetieren, sondern es eben: zu leben, das Leben, egal, was der Einzelne darunter verstehen mag, kann sich dieses Intentionale der Gleichheit und Gerechtigkeit (oder wie man es nennen mag) im Bewusstsein der einzelnen Individuen verankern und damit eine Art neuen Bewusstseins initialisieren und einsetzen. Die Utopie, dass jeder leben darf und dafür genug Mittel zur Verfügung haben muss, kann dann in ihr Recht als Realität eingesetzt werden. Und unser Bewusstsein vom Menschen neu konstituieren. Indem wir alle dasselbe wollen: Dass sich die Individuen nicht nur als dem Schicksal, vor allem dem ökonomischen, unterworfen sehen, sondern es gestalten können als nicht bloße, zufällige Einheiten, Einzelne, Vereinzelte, also Verlorene, sondern als etwas Zusammenhängendes. Dass die Erfahrung des Einzelnen die Erfahrung aller Menschen wird und die Menschen in die Lage versetzt werden, sich selbst in jedem anderen zu sehen und die eigenen Erfahrungen zu den Erfahrungen aller und die Erfahrungen aller zu den eigenen zu machen.
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