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„Für Unter-25-Jährige ist der Arbeitmarkt ein extrem schwieriges Terrain“
Archiv - KORSO Sozial FORUM - Schwerpunkt: Jugend
Donnerstag, 27. April 2006
ImageDie Stimmung unter den Jugendlichen entspricht den realen Gegebenheiten: „Die Hoffnung auf einen klassischen Normalarbeitplatz haben viele offenbar bereits aufgegeben", heißt es nüchtern in der Ergebnis-Analyse einer Online-Umfrage zum Thema „Jugend und Beschäftigung", die im Rahmen der gleichnamigen Studie des Sozialministeriums 2005 veröffentlicht wurde.

Über drei Viertel der Befragten – darunter überproportional viele Studierende – meinen, dass auch Jugendliche, die eine gute Ausbildung abschließen, heute keine Job-Garantie mehr haben. Die düsteren Aussichten machen der Jugend Angst.Jede/r Zweite glaubt, dass es für Erwerbstätige bald ganz normal sein wird, mehrere Teilzeitjobs statt einem 40-Stunden-Job zu haben, und zwei Drittel der Befragten meinen darüber hinaus, „dass es in Zukunft ganz normal sein wird, dass man nicht immer einen Job hat, sondern zwischendurch auch einmal arbeitslos ist."

Ebenso viele sind der Ansicht, dass man als Arbeit Suchende/r nicht wählerisch sein darf, sondern die Jobs nehmen muss, die man bekommen kann.
Keinen Arbeitsplatz zu haben bedeutet aber auch über keine finanziellen Mittel zu verfügen: Diese Generation wird die erste sein, die materiell schlechter dastehen wird als ihre Elterngeneration. Mit dem besonderen Hintergrund, dass sie in ihrer Kindheit die „fetten" Jahre miterlebten und die Abstriche, die sie nun in ihrem Erwachsenenleben machen müssen, gleich doppelt schmerzen. Dass auch eine gute Ausbildung nicht vor Arbeitslosigkeit schützt, damit hat noch vor wenigen Jahren kaum jemand gerechnet.

Besonders betroffen: Schlecht – und akademisch Ausgebildete. Der Arbeitsmarkt für Jugendliche und junge Erwachsene wird zunehmend enger. Waren 1996 (nach nationaler Berechnungsweise) 6,7% der 15- bis 24-Jährigen arbeitslos, so waren es 2004 bereits 7,2% - unter den 20- bis 24-Jährigen sogar 8,5%. Die höchsten Zuwachsraten von 2004 auf 2005 betrafen junge Erwachsene mit maximal Pflichtschulabschluss (+5,5%) und solche mit akademischem Abschluss (+4,8%) – unter letzteren besonders junge Frauen. Hinzu kommt: Jugendliche, die ein Studium abgeschlossen haben, machen oft monatelang unbezahlte Praktika. Deutsche Medien gaben dem Phänomen bereits einen Namen: Generation Praktikum. Um einen Job zu bekommen versuchen aber nicht nur AkademikerInnen auf diese Weise Erfahrungen zu sammeln, auch Lehrstellensuchende dehnen ihre „Schnuppertage" mitunter wochen-, ja monatelang aus, um dem zukünftigen Chef zu beweisen – ohne dass er davon finanziell in Mitleidenschaft gezogen wird – dass sie talentiert und lernwillig sind.

ImageSchulungsmaßnahmen bessern die Statistik. 2006 zeichnet sich eine leichte Entspannung ab; so ist in der Steiermark die offizielle Jugendarbeitslosigkeit zwischen März 2005 und März 2006 um 5,8% gesunken – von 6469 auf 6092 betroffene junge Menschen zwischen 15 und 25. Der steirische AMS-Chef Mag. Karl Heinz Snobe stellt allerdings klar: „Die echte Jugendarbeitslosigkeit ist in diesem Zeitraum sogar angestiegen." In der Tat: Vergleicht man die Abnahme der Jugendarbeitlosigkeit um 377 Personen mit dem Anstieg jugendlicher SchulungsteilnehmerInnen im gleichen Zeitraum – Ende März 2006 waren 3599 Jugendliche in Schulungsmaßnahmen, das sind um 665 mehr als Ende März 2005 – dann ergibt eine einfache Rechnung: Ende März 2006 waren um 288 steirische Jugendliche mehr ohne Arbeit als zum Vergleichzeitpunkt des Vorjahres.

Anhebung des Pensionsalters steigert Jugendarbeitslosigkeit. „Während die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse in der Steiermark im Jahresschnitt um 1,4% zunimmt, nimmt bei den Unter-25-Jährigen das Beschäftigungsvolumen real ab", erläutert Snobe. „Bei den Über-50-Jährigen sind die Beschäftigungsverhältnisse hingegen um 6% gestiegen." Der Mechanismus ist klar: Aufgrund der neuen Pensionsregelungen bleiben ältere ArbeitnehmerInnen länger in Arbeit, Jugendlichen wird dadurch der Zutritt zum Arbeitsmarkt weiter erschwert. „Für unter 25-Jährige ist der Arbeitsmarkt ein extrem schwieriges Terrain", sagt Snobe – „da nützen alle politischen Beschwichtigungsversuche nichts." Wobei es weibliche Jugendliche noch schwerer haben, weil sie traditionell aus einem schmäleren Berufsspektrum wählen.

Leichte Entspannung bei den Lehrstellen. Etwas besser als die Arbeitsmarkt- stellt sich die Lehrstellen-Situation dar. „In diesem Bereich können wir tatsächlich eine Entspannung verzeichnen", sagt Snobe. „Die Zahl der offenen Lehrstellen nimmt spürbar zu" – gegenüber März 2005 ist die Zahl der sofort verfügbaren Lehrstellen um 75 auf 345 gestiegen. Snobe sieht darin den Erfolg der so genannten Blum-Prämie von 100 bis 400 Euro Förderung je nach Lehrjahr für zusätzliche Lehrstellen in einem Unternehmen; „außerdem scheint sich die Wirtschaft zunehmend darüber im Klaren zu sein, wie notwendig die Beibehaltung der Fachausbildungen für die Zukunft der Unternehmen ist." Allerdings ist im gleichen Zeitraum auch die Zahl der Lehrstellensuchenden stark angestiegen – jene der „nicht sofort verfügbaren Lehrstellensuchenden" immerhin um 403 auf 1367. Dieser Anstieg sei vor allem auf die Aktivitäten des AMS zurückzuführen, ist Snobe überzeugt: „Wir rufen die Jugendlichen auf, sich rechtzeitig bei uns zu melden und nicht erst bei Schulende, wenn der Andrang am größten ist."

„Jede/r lernwillige Jugendliche soll einen Ausbildungsplatz finden." Für all jene, die aus verschiedenen Gründen keine „normale" Lehrstelle finden, hält das Arbeitsmarktservice eine Reihe an Ersatzmaßnahmen bereit – von der Ausbildung nach dem Jugendausbildungssicherungsgesetz (JASG) – bis zur integrativen Berufsausbildung, die sich an junge Menschen mit Lernschwierigkeiten wendet. Über 1400 junge SteirerInnen erwerben derzeit über diese Ausbildungsschienen eine beruflich verwertbare Qualifizierung. Das reicht aber nicht aus, sagt Snobe: „Zusätzlich gibt es noch eine schwer quantifizierbare Zahl von jungen Menschen – die Schätzungen schwanken zwischen 200 und 400, die Dunkelziffer dürfte aber viel höher sein – für die aufgrund massiver sozialer oder Suchtprobleme oder wegen schwerer kognitiver Störungen keine der genannten Maßnahmen zielführend ist."
Für diese Gruppe soll es ab Herbst Zusatzangebote geben, an denen sich auch das Sozialressort des Landes mit 1,5 Mio Euro beteiligt. Soziallandesrat LH-StV. Dr. Kurt Flecker: „Jede/r lernwillige Jugendliche soll einen Ausbildungsplatz finden."

ImageEuropa steht schlecht da. Auch wenn die steirischen und österreichischen Daten zur Jugendarbeitslosigkeit keinen Grund zum Jubel darstellen – im EU-Vergleich liegen wir gar nicht so schlecht. Österreich liegt mit 10,4% nach der europäischen Berechnungsmethode an vierter Stelle hinter Dänemark (8,1%), den Niederlanden (8,3%) und Irland (8,9%). Spitzenreiter sind Polen (36,7%), die Slowakei (30,5%) und Frankreich mit 22,3%; der EU-Schnitt liegt bei 18,5%. Dass mit diesen Werten kein Staat zu machen ist, räumt die EU-Kommission selbst ein. Auf der Website der Generaldirektion Bildung und Kultur heißt es: „Jugendliche haben auf dem Arbeitsmarkt ganz besonders schlechte Karten. In der Europäischen Union ist der Anteil der Arbeitslosen bei den 15-24-Jährigen sehr viel höher als bei anderen Altersgruppen. Und das, obwohl es immer weniger Jugendliche gibt."

„Nach unten hin flexibel". „Mehr Menschen für den Arbeitsmarkt interessieren" lautet der euphemistische Titel eines Berichtes der Generaldirektion Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit der EU-Kommission vom Juli 2005. Darin trösten sich die AutorInnen angesichts der hohen Quoten jugendlicher Arbeitsloser damit, dass „der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit an der Gesamtjugendarbeitslosigkeit in den meisten Ländern relativ niedrig ist" – dies gelte allerdings nicht für Jugendliche mit geringem Bildungsniveau und Angehörige von Minoritäten. Der etwas hilflose Schluss: „Die zur Verfügung stehenden Daten lassen vermuten, dass Maßnahmen, die darauf abzielen, Jugendliche im Lauf ihrer ursprünglichen Ausbildung mit genügend Qualifikationen auszustatten, wirkungsvoller sind als Ansätze der aktiven Arbeitsmarktpolitik." Weil vermehrte Qualifizierung aber bekanntlich auch kaum Arbeitsplätze hervorbringt, sondern eher Mobilität und Umschlag am Arbeitsmarkt erhöht, muss letztendlich das neoliberale Credo herhalten, das da lautet: „Sind die Löhne flexibel genug –und zwar nicht nur nach oben, sondern auch nach unten hin – und ist das Ausmaß der sozialen Absicherung nicht unvernünftig hoch, lassen Arbeitsmärkte in der Regel einen Grad der Beschäftigung entstehen, der sich mit dem Umfang des Arbeitskräfteangebotes deckt."

ImageFrankreich: „Hire & Fire"-Methoden abgewandt. Dass soziales Downsizing als vorgebliches Heilmittel gegen (Jugend)arbeitslosigkeit irgendwann an seine Grenzen stößt, hat der massive, kämpferische Widerstand von Jugendlichen und Gewerkschaften gegen die Pläne der französischen Regierung gezeigt, den Kündigungsschutz für junge ArbeitnehmerInnen abzuschaffen: Der entsprechenden Gesetzesinitiative CPE (Contrat Première Embauche – „Ersteinstellungsvertrag") zufolge hätten Jugendliche innerhalb der ersten zwei Jahre eines Beschäftigungsverhältnisses ohne Angabe von Gründen jederzeit „freigesetzt" werden können. Dieses Projekt – der Beitrag der französischen Regierung zu einer „nicht unvernünftig hohen sozialen Absicherung" – ist am 10. April nach erbittertem Widerstand der Betroffenen und der Arbeitnehmervertretungen von der Regierung De Villepin zurückgezogen worden – an manchen zentralen Demo-Tagen waren in ganz Frankreich drei Millionen Menschen gegen das als „Wegwerfarbeiter-Gesetz" bezeichnete Vorhaben auf der Straße, die gewerkschaftliche Aktion ging bis zum Generalstreik. Mag sein, dass die Niederlage der französischen Regierung einen Wendepunkt in der Politik der Union markiert: Nach der jahrelangen neoliberalen Rosskur, die das Übel Arbeitslosigkeit, das sie zu bekämpfen vorgibt, zunehmend verschärft, die Massenkaufkraft senkt und die gesellschaftlichen Ungleichheiten vertieft, glauben immer weniger Menschen daran, dass nur ein Mehr von dieser bitteren Medizin die Krankheiten der Gesellschaft heilen kann …

Christian Stenner

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