Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Nachruf auf eine Fahrradklingel
Dienstag, 5. Oktober 2010
Ring Ring Ring von Reinhard Wimmler 30 Jahre hat es bereits auf dem Buckel, mein nicht mehr ganz silbergraues Puch-Clubman. 20 Jahre überquerte ich damit allmorgendlich auf meinem Arbeitsweg den Dietrichsteinplatz, von der Münzgrabenstraße kommend in Richtung Reitschulgasse. In der Mehrzahl der Tage steht die Ampel dort auf rot, der Blick des Radfahrers streift rechts das Hotel Gollner, links das Modegeschäft Perfekt.

Heimeliger aber war das, was mich dort immer mitten auf der Kreuzung, zwischen den Geleisen der Straßenbahn, erwartete. Unscheinbar und bis zur bombierten Chromoberfläche im Gussasphalt versunken grüßte, dem der es wusste, eine unversehrte, alte PUCH-Fahrradklingel herauf. Jeden Morgen. Wie sie dorthin gelangt war, nach einem Unfall oder sonst wie, entzieht sich meiner Kenntnis. Diese PUCH Fahrradklingel legte für mich jedoch täglich Zeugnis ab von der langjährigen Fahrradtradition dieser, meiner Stadt Graz. Wahrscheinlich steckte sie schon seit jenem Sommer 1987 im Asphalt, als die Fahrradproduktion der Steyr-Daimler-Puch-AG schändlich zu Grabe getragen wurde. Und sicherlich mit Wehmut mußte sie von unten zuschauen, wie kurz nach dem hastigen Zusperren und Verscherbeln des Grazer PUCH-Zweiradwerks an die italienische Vespa-Firma Piaggio der wiederauflebende Fahrradboom über sie hinweg rollte.

20 Jahre hab ich mich als Radfahrer an diesem „Mahnmal“ aufgerichtet. Und unzählige Male nahm ich mir vor, die versenkte Klingel mit dem unverkennbaren PUCH-Logo fotografisch für die Nachwelt zu erhalten. Als Beleg dafür, was in dieser Stadt einst an sinnvollen und qualitativ hochwertigen Produkten hergestellt wurde, aber auch als Erinnerung an das, was verantwortungslose Manager einfach ausradiert, im wahrsten Sinne des Wortes versenkt haben.

2010, während meines Sommerurlaubs, wurde nun mit den Straßenbahngeleisen auch der Straßenbelag am Dietrichsteinplatz erneuert. Die im Asphalt versenkte PUCH-Fahrradklingel, die mir so ans Herz gewachsen war, ist endgültig versunken.
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