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84 Prozent der Internet-User halten private Vorsorge für wichtig
Dienstag, 5. Oktober 2010
Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat das private Vorsorgeverhalten der Österreicherinnen und Österreicher zum Inhalt. Wenn ihre Ergebnisse stimmen, dann haben Werbung und das mediale Trommelfeuer gegen das Umlageverfahren den Sieg über die Realität davongetragen: Denn trotz der miserablen Performance der privaten Vorsorgeprodukte, von denen viele trotz staatlicher Subvention keine Zinsen erbringen, halten es angeblich 84% der ÖsterreicherInnen für wichtig, privat vorzusorgen. Und nur jeder zweite findet, dass der Staat genug für die Zukunftsvorsorge der Familien tut. Die von der „Steiermärkischen“ präsentierte Studie der österreichischen Tocher des Marktforschungsinstitutes „Gesellschaft für Konsumforschung“ hat allerdings einen ganz gewaltigen Haken: Die befragten Personen wurden nur unter ÖsterreicherInnen mit Internet-Zugang ausgewählt. Das sind laut einschlägiger IMAS-Umfrage vom Beginn des Jahres nur knapp 60% der Bevölkerung, 41% – v.a. Personen mit geringem Bildungsstand und damit korrelierendem geringem Einkommen – sind gar nicht vertreten. Zumindest in seinen schriftlich verbreiteten Presseinformationen verzichtet der Auftraggeber  – die S-Versicherung der Sparkassen – allerdings, auf dieses wichtige Detail hinzuweisen. Nur so werden auch Behauptungen verständlich, wonach „die SteirerInnen“ bereit wären, 105 Euro monatlich für ihre eigene und 63 Euro für die private Vorsorge für Familienangehörige auszugeben – ganz abgesehen davon, dass Durchschnittswerte vor dem Hintergrund einer äußerst schiefen Einkommens- und Vermögensverteilung ohnehin nicht aussagekräftig sind.
Die Irrelevanz der Ergebnisse wird durch eine weitere Zahl verdeutlicht: Die Befragten erwarten Erbschaften von durchschnittlich 65.000 Euro. Den Wert dieser Aussage dokumentiert eine WiSo-Studie aus 2007: 62% der Befragten gaben damals an, nie von einer Hinterlassenschaft profitiert zu haben, im letzten Jahr der Erbschaftssteuer erbten 50% jener Personen, die eine Erbschaft antraten, unter 20.000 Euro. Der hohe Durchschnittswert (der auch mit jenem der WiSo-Studie ziemlich genau übereinstimmt) ergibt sich also folgerichtig daraus, dass einige wenige Personen überaus hohe Erbschaften zu erwarten haben.

Bei 14 von 22 gibt’s keine Zinsen mehr.
Die Präsentation der Studie darf wohl als ein Versuch gesehen werden, das Image des privaten Vorsorgesektors – gestützt auf angebliche KonsumentInnenwünsche – wieder aufzupolieren. Die durch die Finanzmarktkrise verursachte schlechte Performance heimischer Vorsorgeprodukte hat ja dazu geführt, dass 14 von 22 prämienbegünstigten, also staatlich subventionierten, Zukunftsvorsorge-Angeboten „ausgestoppt“ werden mussten – das heißt, der Aktienanteil der zugrunde liegenden Fonds musste auf Null reduziert werden, damit gibt es aber auch keine Erträge mehr. Die Einzahler bekommen zwar ihr Kapital plus die aus Steuergeldern finanzierte staatliche Prämie (immerhin bis zu 203,-- Euro jährlich) heraus – allerdings abzüglich der Spesen des Versicherers –  erhalten aber keine Zinsen mehr. Unter diesen „ausgestoppten“ Produkten befindet sich übrigens auch der „Zukunftsfonds“ der S-Versicherung. Der Verband für Konsumenteninformation hat Musterprozesse gegen die Versicherer angekündigt, weil sie die Sparer im Unklaren über diese Sachlage ließen.
Peter Jerovschek vom Konsumentenschutz der steirischen Arbeiterkammer ärgert besonders, dass die Anbieter vorgeben, dass ein Ausstieg aus den „ausgestoppten“ Produkten erst nach zehn Jahren möglich sei: „Wir haben schon einen Fall durchgekämpft – das Ergebnis: analog zur Lebensversicherung muss ein Ausstieg jährlich möglich sein.“ Allerdings wurde der Fall nicht als Präzedenzfall anerkannt – „darum werden wir auch weitere Ausstiegswillige bei eventuellen Verfahren unterstützen“, sagt der Konsumentenschützer.

Bis zu 45% Kürzungen bei den Privatpensionen – „jedes Sparbuch hätte bessere Erträge erbracht“.
Angesichts dieser nicht gerade reputationsförderlichen Situation versucht die Branche nun offenbar das zweite Standbein privater Vorsorge – die betriebliche Pensionsversicherung – stärker zu pushen. „39% würde gern mehr für die eigene und familiäre Vorsorge tun, glauben aber, dass es nicht leistbar ist“, bedauert etwa Steiermärkische-Vorstandsvorsitzender Gerhard Fabisch. „Hier besteht auf jeden Fall Aufklärungsbedarf dahingehend, dass die Altersvorsorge vergleichsweise günstig ist. Wichtig ist dabei, dass man rechtzeitig damit beginnt.“ Dabei müsse man nur mit dem Dienstgeber sprechen und einen Rahmenvertrag mit der Versicherung abschließen, sodass ein Teil des Gehaltes gleich direkt an den Versicherer transferiert wird. Bei einer Prämie bis zu 25,-- Euro monatlich erspart man sich dabei bis zum halben Betrag an Lohnsteuer, Besserverdiener haben natürlich den größeren Vorteil.
Der Auftraggeber der Studie, die S-Versicherung der Sparkassen, ist ebenso wie die Erste Bank Aktionär der VBV-Vorsorgekassen AG, diese wiederum die größte überbetriebliche private Pensionskasse. Die bei ihr (wie beiden anderen privaten Kassen) Versicherten sind nach Berechnungen des Schutzverbandes der Pensionskassenberechtigten von Pensionskürzungen bis zu 45% betroffen, weil die Performance der Anlagen krisenbedingt, aber offenbar auch durch schlechtes Management und kräftige Spesenabzüge, im Keller blieb; die Zinsen betrugen zwischen 2000 und 2008 durchschnittlich 1,4% jährlich. „Jedes Sparbuch hätte bessere Erträge erbracht“, sagt der Präsident der oberösterreichischen Arbeiterkammer, Johann Kalliauer, der unter anderem fordert, dass privat Pensionsversicherte ihr Guthaben in das ASVG-System transferieren können. Dieses ist zumindest nicht von volatilen Aktienkursen abhängig und hat wesentlich geringere Verwaltungskosten als die privaten Versicherer (ca. 2% gegenüber 4,95%).

| Karina Liebe-Kreutzner,
Christian Stenner
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