Im Interview: Erich Pichorner, Geschäftsführer Manpower Österreich (pr)
Zeitarbeit gerät derzeit wieder einmal massiv unter Beschuss. Zeitarbeitnehmer werden als Arbeitnehmer zweiter Klasse bezeichnet. „Moderne Lohnsklaverei“, „kaum mehr Rechte als ein archaischer Wanderarbeiter“ – das und Ähnliches war in letzter Zeit im Rahmen der Zeitarbeitsdiskussion in den Medien zu lesen. KORSO befragte dazu den Arbeitsmarktexperten Erich Pichorner, Geschäftsführer Manpower Österreich: KORSO: Sind Zeitarbeitnehmer heutzutage Arbeitnehmer zweiter Klasse? Haben sie in Österreich wirklich weniger Rechte?
Pichorner: Das sehe ich nicht so. Arbeitskräfteüberlassung ist in kaum einem anderen Land so umfassend gesetzlich und kollektivvertraglich geregelt wie in Österreich. Gleiche Bezahlung und Behandlung sind gesetzlich vorgeschrieben. Überlassene Arbeitnehmer sind also entgegen der öffentlichen Meinung bei ihrer Entlohnung den beim Beschäftiger angestellten Arbeitskräften vollkommen gleich gestellt. Wenn sich einzelne Firmen nicht daran halten, müssen sie in die Pflicht genommen werden. Zeitarbeit kann auch als Chance gesehen werden, in ein direktes Dienstverhältnis mit dem Beschäftiger überzutreten. Von den von uns vermittelten Zeitarbeitsstellen wird immerhin ein Drittel der Arbeitskräfte in eine Direktanstellung beim Beschäftiger übernommen.
KORSO: Es heißt, die Anzahl der Arbeitsunfälle sei bei Zeitarbeitnehmern unverhältnismäßig höher als bei direkt angestellten Mitarbeitern. Ist das wahr?
Pichorner: Fakt ist, einige Arbeitskräfteüberlasser konnten die Zahl in den letzten Jahren signifikant senken – nicht zuletzt durch die SCP-Zertifizierung (Sicherheits-Certifikat für Personaldienstleister), ein Arbeitsschutzmanagementsystem zur Vermeidung von Unfällen und Senkung von Gesundheitsrisiken, das viele seriöse Anbieter in Österreich umsetzen. Damit konnte zumindest bei diesen Unternehmen die Anzahl und Schwere der Arbeitsunfälle deutlich gesenkt werden.
KORSO: Werden Zeitarbeitnehmer bei der Aus- und Weiterbildungsförderung gegenüber ihren fest angestellten Kollegen benachteiligt?
Pichorner: Seit drei Jahren ist in Österreich im Kollektivvertrag für Arbeitskräfteüberlassung das so genannte Bildungsbeitragskonto verankert. Jeder Zeitarbeitnehmer kann, einfach durch Anfrage bei seinem Personaldienstleister, diverse Weiterbildungen in Anspruch nehmen.
KORSO: Was halten Sie von dem Vorschlag, den Anteil von Zeitarbeitnehmern in Österreich gesetzlich zu beschränken?
Pichorner: Die Zeitarbeit zeitlich oder quantitativ zu beschränken geht an der Realität vorbei, würde die Schwarzarbeit fördern und die Flexibilität der einheimischen Unternehmen stark beschneiden.
KORSO: Wäre es Ihrer Meinung nach sinnvoll, ein Gütesiegel für Firmen, die Zeitarbeitnehmer vermitteln, einzuführen?
Pichorner: Grundsätzlich ja – es sollte aber von einer einzigen unabhängigen Institution vergeben werden. Wenn es zu viele verschiedene gibt, kennt sich niemand mehr aus. Es geht ja darum, Vertrauen zu schaffen – und das klappt nur, wenn alle Personaldienstleister gleichermaßen überprüft werden und die gleichen Voraussetzungen erfüllen müssen.
KORSO: Wie könnte Ihrer Meinung nach die Situation der Zeitarbeitnehmer noch verbessert werden?
Pichorner: Natürlich sehe auch ich Verbesserungsbedarf: Behandlung mit Respekt und Fairness ist die Ausgangsbasis. Sicherheitsvorschriften müssen allerorts auch für Zeitarbeitnehmer penibel eingehalten werden – die Einführung eines verpflichtenden Sicherheitsmanagement-Systems bei allen Zeitarbeitsunternehmen ist die Voraussetzung dafür. Aufklärung ist wichtig – Zeitarbeitnehmer können proaktiv ihre Rechte stärker wahrnehmen und jederzeit einen Nachweis ihres Arbeitgebers verlangen, dass sie korrekt bezahlt und behandelt werden. Und zuletzt: Eine verstärkte Kontrolle, ob alle Vorschriften auch eingehalten werden, macht Sinn.
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