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Ecuador: vom Fluch und Segen des Paradieses
Montag, 13. September 2010
Wo die Vielfalt zum Prinzip erklärt wird, Naturschutz und Tourismus Hand in Hand zu gehen versuchen und Gäste kein Handy brauchen. Ecuador schafft es nur relativ selten in die Schlagzeilen: Zuletzt etwa Mitte August, als ein mittelschweres Erdbeben die in den Bergen gelegene Hauptstadt Quito erschütterte. Oder ein wenig davor, als die Regierung von Raffael Correa bekannt gab, auf die umstrittene Ölförderung im Yasuní-Nationalpark im Amazonas zu verzichten – um im Gegenzug von der UNO über 3 Milliarden Dollar zu bekommen.

Ecuador hat nur eine Konstante
: die Vielfalt. Womit wir freilich gleich beim Thema landen, das Besucherinnen und Besucher der an der Westküste Südamerikas gelegenen Republik von Anfang an nicht mehr loslässt: Ecuador ist quasi das Paradies auf Erden – zumindest aus Sicht derjenigen, die sich für einzigartige Naturvielfalt begeistern können. Dass der Deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt schon vor zweihundert Jahren feststellte, das einzige Konstante an Ecuador sei seine Vielfalt, lässt sich bis heute nicht widerlegen: Innerhalb von nur 250.000 Quadratkilometern begegnet man in den Anden eindrucksvollen vom Vulkanismus geprägten Gebirgsketten, Amazonas- und Nebelwäldern im Nordosten des Landes, Schwemmebenen und welligen Hügellandschaften an der Westküste – und natürlich dem fantastischen Naturparadies der Galapagosinseln.
Insofern sind auch die Möglichkeiten eines Ecuador-Urlaubes mehr als vielfältig: Hier gilt als Konstante, dass man es eigentlich nicht unter drei Wochen probieren sollte. Denn sonst bedauert man rasch zu wenig gesehen und erlebt zu haben. „Alles“ freilich ist auch bei einem längeren Aufenthalt nicht wirklich zu schaffen.

Fixpunkt jeder Reise sind in jedem Fall die Galapagosinseln, 1000 Kilometer vor der ecuadorianischen Küste gelegen. Und diese imponieren neuerlich durch ihre Vielfalt: 14 Inseln, fünf davon besiedelt – und keine wie die andere. Auch wenn man die Inselgruppe gemeinhin mit Schildkröten und vielleicht noch mit Finken in Verbindung bringt: Es ist ja nicht nur eine Schildkröte – gleich elf verschiedene Riesen-Galapagosschildkrötenunterarten bevölkern die Inseln. Freilich in mehr oder weniger qualitativer Stärke: Von der Art der „abingdonii“ existiert nur noch ein einziges Männchen, das rund hundert Jahre alt ist und „Lonesome George“ heißt. Die Forscher der Darwin Station, die die Schildkröten betreuen, haben sogar schon eine weltweite Prämie in der Höhe von 10.000 Dollar für eine mögliche Partnerin für George ausgesetzt – bis dato jedoch ohne Erfolg. Aber ein paar Jährchen hat George ja noch Zeit – ihm wird zugetraut, mindestens 150 zu werden.

Fluch und Segen.
Apropos Forschung, apropos Wissenschaft: Vor mittlerweile 51 Jahren wurden 90 Prozent der Galapagosinseln zum Nationalpark erklärt, gleichzeitig siedelte sich die Charles-Darwin-Forschungsstation an. Und gleichzeitig avancierte die Inselgruppe am Äquator zum Tourismustrendziel – und somit wurde die einzigartige Natur zum Fluch und Segen zugleich. Einerseits wurde der massive Fremdenverkehr zur willkommenen Haupteinnahmequelle, andererseits geriet das ökologische Gleichgewicht ins Wanken. Erst 2007 zog die ecuadorianische Regierung die Reißleine und erklärte die Galapagosinseln zum „ökologischen Risikogebiet“ – und gleichzeitig drohte die UNESCO, dem Inselparadies den Titel des Weltnaturerbes zu entziehen. Der Warnschuss scheint glücklicherweise erfolgreich gewesen zu sein: Heute darf man die Inseln nur gemeinsam mit einheimischen – und teilweise perfekt ausgebildeten – Führern erkunden, die Gehwege durch die Naturlandschaft sind fix vorgegeben und auch die Bevölkerung scheint größtenteils voller Stolz auf den wertvollen Schatz, auf dem sie leben. Bezeichnend ein Erlebnis des Autors während einer kleinen Schiffrundfahrt: Kaum entdeckte der Bootsführer ein Stück Müll auf der Meeresoberfläche, wurde angehalten und das Plastikteil rasch eigenhändig aus den Wellen gefischt.

Cancun auf Galapagos?
Doch natürlich ist noch immer nicht alles perfekt: Denn zwischen den Inseln herrscht teilweise große Eifersucht. Im Zentrum des (touristischen) Interesses steht Santa Cruz – hier befindet sich auch die Darwin Station und beinahe jede Inselrundreise macht hier zumindest Halt. Dass jedoch sieht die Verwaltungshauptinsel der Gruppe, San Cristobál, nicht gerne: Hier träumt man noch heute davon, zu einer Art Cancun Ecuadors zu werden – mit Halligalli, Vergnügungspark und allem, was dazugehört. Doch die Regierung Correa will hart bleiben: Es wird auch weiterhin keine Direktflüge auf Galapagos geben – wer auf die Inseln will, muss vom ecuadorianischen Festland aus fliegen. Und damit hat man die Touristenströme im Griff: Die Zahl der Flüge ist streng limitiert, die Flugzeuge sind klein – und außerdem braucht man seit 2009 die so genannte „INGALA Transit Karte“, ohne die man nicht auf die Inseln kommt.
Die Maßnahmen hatten zur Folge, dass die Touristenzahlen seit Mitte des letzten Jahrzehnts leicht rückläufig sind – während man sich vor wenigen Jahren noch der 200.000er Grenze (im Jahr) näherte, hat man jetzt wieder 100.000 im Visier. Die UNESCO hat die Bemühungen bereits erfreut zur Kenntnis genommen und die Galapagos-Inseln vor wenigen Wochen von der Liste des „gefährdeten Welterbes“ gestrichen.
Für Inselbesucherinenn und -besucher sind diese Entwicklungen mehr als erfreulich: Es scheint der Beweis erbracht zu werden, dass Naturschutz und Tourismus Hand in Hand gehen können. Man hat die Möglichkeit Natur pur hautnah erleben zu können – aber innerhalb vorgegebener Regeln, die aber nicht willkürlich sind, sondern sich aus dem Respekt gegenüber dem Leben ergeben. Ja, man muss Schildkröten nicht angreifen. Und ja, wenn Haie keine Lust haben dort zu schwimmen, wo sie eigentlich oft schwimmen, dann ist das eben so – da braucht man keine touristische „Shark world“ oder Ähnliches.

Billig ist ein Galapagos-Aufenthalt natürlich auch nicht – eine Woche auf den Inseln beginnt ab rund 1.200 Dollar (ohne Hin- und Rückflug). Dafür bekommt man das Gefühl, als Individualtourist neue Welten zu erkunden – trotz des Guides, der einen durch die Gegend lotst. Und da die Inselwelt ja, wie schon erwähnt, ein Nationalpark ist, kommt auch noch eine Eintrittsgebühr dazu: 100 Dollar pro Nase (50 davon gehen direkt an die Darwin-Gesellschaft) werden kassiert – aber: Das ist dieses Paradies in jedem Fall wert.
Doch wie schon weiter oben angeführt, bietet Ecuador noch viel mehr: Immer beliebter werden Urlaube in einsamen Haciendas in den Wäldern des 14 Millionen-Einwohnerstaates. Mitten im Nebelwald, fern jeglicher Zivilisation, wie man sie in Europa gewöhnt ist, wird man rasch zurück an die Ursprünge des Lebens geführt: Unzählige Obstsorten wachsen auf den eigenen Bäumen der Farm, die Milch kommt von der Kuh, Ausflüge macht man mit dem Pferd – wer sich hier noch nach Internet und Handy sehnt, ist selber schuld…

Erste Weltkulturerbe-Stadt
. Äußerst sehenswert ist natürlich auch Quito, die Hauptstadt des Landes. Mit nur 1,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern lässt sich die Andenstadt kaum mit anderen südamerikanischen Hauptstädten wie Rio de Janeiro oder Buenos Aires vergleichen – dafür hat die auf sagenhaften 2850 Metern gelegene City einiges andere zu bieten: Zum Beispiel die großartige koloniale Altstadt, die übrigens 1978 als erste Stadt überhaupt als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde. Und auch wenn das Wachstum der Stadt aufgrund der umliegenden Berge nicht unendlich ist, so zeigt Quito ebenfalls etwas Ecuador-Typisches: eine einmalige Vielfalt. In Quito treffen sich die ursprüngliche Indio-Bevölkerung mit den Nachkommen der einstigen europäischen Siedler – und leben neben-, nicht unbedingt miteinander. Der Unterschied zwischen Reich und Arm wird rasch sichtbar – die Trennlinie vollzieht sich ziemlich genau am Herkunftsunterschied.
Vielleicht ist ja deshalb auch jede ecuadorianische Revolution gegen die jeweilige Regierung immer von Quito ausgegangen: Zuerst starten Großdemonstrationen, dann kommt es zu Generalstreiks, dann trifft das dauerpräsente Militär eine Entscheidung – und schon wird der nächste Präsident gestürzt. In den letzten 15 Jahren wurden immerhin gleich drei Regierungschefs auf diese Art und Weise entmachtet. Der aktuelle Präsident, Rafael Correa, der übrigens ein enger Freund von Hugo Chávez ist, hält sich immerhin bereits seit bald vier Jahren an der Macht – und der Zuspruch vor allem aus der armen Bevölkerungsschicht scheint ungebrochen: Noch heute hängen an den Wänden unzähliger ecuadorianischer Häuser Correa-Wahlplakte, obwohl die letzte Präsidentschaftswahl schon eineinhalb Jahre her ist …
|Bernd Hadler
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