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Widerrechtlich enteignet und nachträglich erpresst
Montag, 13. September 2010
Mit dem Restitutionsbericht 1999-2010 veröffentlicht das Universalmuseum Joanneum die Ergebnisse systematisch betriebener Provenienzforschung. Wally“ ist zurück in der Sammlung Leopold. Und wir haben ihr viel zu verdanken, denn seit der Beschlagnahme zweier Bilder in New York 1998 mit der Begründung, es handle sich um Diebsgut in Zusammenhang mit dem Kunstraub während der NS-Herrschaft, konnte sich das zuvor vernachlässigte Feld der Provenienzforschung auch in Österreich durchsetzen. Augenblicklich standen in der Folge Erwerbungen heimischer Museen aus dem betreffenden Zeitraum im Zentrum des allgemeinen Interesses. Unmittelbar darauf folgte das Bundesgesetz „über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen“ mit 28. Oktober 1998  und die ersten Restitutionen folgten auf dem Fuße.

Nachforschungen über ein dunkles Kapitel.
Mit der Gründung eines Arbeitskreises noch im selben Jahr war das Joanneum das erste österreichische Landesmuseum, das dieses dunkle Kapitel in seiner Geschichte  durchzuarbeiten begann. 1999 ergaben die Untersuchungen bereits einen 400 Seiten starken Bericht, der Bestände der Alten Galerie, der Neuen Galerie und der Kulturhistorischen Sammlung nach bedenklichen bzw. eindeutig bedenklichen Objekten durchforstet hatte. Diese Darstellung diente dem Landesgesetz aus dem Jahr 2000 als Grundlage, das Restitutionen auch in der Steiermark eine rechtliche Basis gab. Mit dem Jahr 2003 wurde außerdem intern eine eigene Stelle eingerichtet, die sich seither rein der Provenienzforschung widmen kann – Dr.in Karin Leitner-Ruhe leitet seitens des Universalmuseum Joanneum alle diesbezüglichen Recherchen.

Sammlungsinteressen und Ausfuhrgenehmigungen.
Was aber geschah unmittelbar nach 1945 mit den unrechtmäßig erworbenen Kulturgütern? „In den österreichischen Museen wurde nach Kriegsende sehr viel geklärt und rund 95% der betroffenen Objekte wurden restituiert“, erläutert Direktor Hofrat Dr. Wolfgang Muchitsch das Procedere. Penibel geführte Listen seitens der Beschlagnahmer machten Enteignungen und die spätere Verteilung der Güter in den meisten Fällen logisch nachvollziehbar. Es verblieben „einzelne ‚herrenlose’ Kunstgüter bzw. solche, die ihren ursprünglichen Besitzerinnen und Besitzern für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen abgepresst wurden“, so Muchitsch. Es galt nämlich als gängige Praxis im Rahmen der Restitution, Werke im Interesse der Sammlung „einzufordern“ – den Betroffenen blieb meist keine andere Möglichkeit, als den „Handel“ zu akzeptieren.

Sammlungszugänge kritisch hinterfragen.
Forschte man früher vor allem in Inventarbüchern, Katalogen und Archivalien, so ist man heute mittels Datenbanken mit den verschiedenen Institutionen verknüpft. Auch das Objekt selbst kann mit entscheidenden Hinweisen auf der Rückseite versehen sein. Gerade bei kleinen Sammlungen ist das Auffinden der nötigen Hinweise aber oft schwierig – besonders die Israelitische Kultusgemeinde ist daher ein wichtiger Partner für die Provenienzforscherinnen des Joanneums, wenn mögliche Erben oft auf alle Kontinenten verstreut sind. Hinter den Objekten stehen schließlich auch menschliche Schicksale, Biografien, die in den aktualisierten Bericht Eingang fanden. Aktuell sind gerade zwei Fälle im Stadium der Abwicklung. Im Internet abrufbar findet sich außerdem eine Liste mit noch nicht zugeordneter Raubkunst im Besitz des Joanneums. Im Zuge der intensiven Recherchen konnten diese Verdachtsfälle von 54 auf 48 eindeutig bedenkliche Objekte reduziert werden.

Bilanz und Erinnnerungsarbeit.
Die vorliegende Publikation des Restitutionsberichts wurde 2009 von Kulturlandesrätin Bettina Vollath in Auftrag gegeben. „Es ist wichtig, neben der Rückgabe der von den Nationalsozialisten widerrechtlich  beschlagnahmten, enteigneten oder sonstwie erworbenen Kunstgegenstände eine sachlich korrekte Geschichtsaufklärung und Erinnerungsarbeit zu leisten“, so die Landesrätin. Bislang konnten vom Universalmuseum Joanneum insgesamt 28 Objekte an 12 erbberechtigte Personengruppen zurückgegeben werden. Dabei waren auch Highlights der jeweiligen Sammlung betroffen, wie die Rückgabe von Egon Schieles „Hafen von Triest“ im Jahr 2006 an die Erben nach Heinrich Rieger, der eine umfangreiche, in Fachkreisen sehr geschätzte Sammlung junger österreichischer Maler zusammengetragen hatte. Das Bildnis war auf Umwegen über den Kunsthändler Friedrich Welz, der für die Arisierung der Sammlung Rieger verantwortlich zeichnete, vom Joanneum erworben worden.
„Kunstwerke stiften Identität, werden zu Ikonen der Selbstinszenierung Österreichs als ‚Kulturnation’. Und die Rückgabe ist dann ein schmerzlicher Verlust, eine Irritation im stabil geglaubten Selbstbild“, diagnostiziert Prof. Helmut Konrad in seiner Einleitung: „Mit dem hier der Öffentlichkeit vorgestellten Bericht zeigt das Universalmuseum Joanneum, dass es die Bedeutung dieser Thematiken auch für die innere Kultur des Hauses, für die Diskussion um Ankäufe, Schenkungen oder aber Rückführungen, sehr ernst nimmt.“

Karin Leitner-Ruhe, Gudrun Danzer, Monika Binder-Krieglstein (Hg.), Restitutionsbericht 1999-2010, o.V., 14,90 Euro. Aktuelle Restitutionsobjekte des Joanneums finden sich unter www.museum-joanneum.at publiziert; – Menüpunkte Über das Joanneum und Restitution anklicken.

| Eva Pichler
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