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Klimakongress: Aktivismus als Speerspitze des radikalen Wandels |
Montag, 19. Juli 2010 | |
Die Stadt Graz wurde Mitte Juni für eine knappe Woche zum internationalen Zentrum des wissenschaftlichen Diskurses rund um die Auswirkungen der globalen Erderwärmung und deren Eindämmung. Der fünftägige Kongress zum Thema Klimawandel und der damit notwendig einhergehenden sozial-ökologischen Transformation fand im Forum Stadtpark statt: Neben zahlreichen KlimaexpertInnen und PolitikwissenschafterInnen nahmen führende internationale UmweltschutzaktivistInnen wie Nnimmo Bassey, „Friends of the Earth“, und Tadzio Müller (Climate Justice Action) an der hochkarätigen Veranstaltung teil.
Im Mittelpunkt der zahlreichen Referate und Diskussionsrunden standen neben der Klimaforschung und ihren aktuellen Ergebnissen Fragen der Wachstumskritik, Wege zur Energiewende und Projekte wie Transition Towns. In einem vielfältigen Vortrags-, Diskussions-, Workshop- und Filmprogramm eröffneten sich inter- und transdisziplinäre Perspektiven auf die Themenfelder Klimapolitik, Klimawandel und Ökonomie, soziale Implikationen, Klima und Migration, Klima und Landwirtschaft. Als zentrales Motiv zogen sich das Aufzeigen wegweisender Alternativen und die Stärkung der globalen Bewegung für Klimagerechtigkeit durch alle Programmpunkte der Tagung. Weiters wurden als abendliche Höhepunkte des Kongresses mehrere Filme zum Thema gezeigt, die im Forum Stadtpark zugleich ihre Österreichpremiere erlebten. Eine weitere Verbreitung ist den engagierten und äußerst packenden Dokumentationen, die mehr als jede theoretische Erklärung die Augen der Menschen öffnen können und auch die Emotionen ansprechen, jedenfalls zu wünschen. Meeressterben und neue Wirtschaftsmodelle. „A Sea Change“ (USA 2009) ist der erste (mehrfach preisgekrönte) Dokumentarfilm über die Versauerung der Ozeane, eine beängstigende Entwicklung, die durch den exzessiven CO2-Ausstoß der industrialisierten Welt verursacht wird und fatale Folgen hat. Der Säuregrad des Oberflächenwassers ist seit Beginn der Industrialisierung um 30 Prozent angestiegen und hat Werte erreicht, die es zuletzt vor mehreren Millionen Jahren gegeben hat. Durch die damit einhergehende Bedrohung von Meereskleinlebewesen, deren Kalkschalen durch die Säure angegriffen werden, steht die ozeanische Nahrungskette auf dem Spiel. Ein weiteres Ansteigen des Säuregrads lässt das weltweite Zusammenbrechen ganzer Ökosysteme befürchten. Ein Modell für den Ausstieg aus der fossilen Abhängigkeit schildert „The Power of Community – How Cuba Survived Peak Oil“: Nach Auflösung der Sowjetunion wurde Kuba von einer tief greifenden Krise erfasst, da die Öl- und Nahrungsmittelimporte einbrachen. Mit Solidarität und Kreativität konnten die KubanerInnen die Krise bewältigen. Der Film beschreibt, wie es gelang, ein hoch mechanisiertes, industrielles Agrarsystem binnen weniger Jahre auf biologische Methoden und städtische Kleingärten umzustellen. Der beschwerliche Übergang zu einer CO2-ärmeren Wirtschafts- und Lebensweise bedeutet schließlich ein Mehr an Lebensqualität für die BewohnerInnen des Inselstaates, der in den Punkten Gesundheit und Bildung immer noch an der Spitze Mittelamerikas liegt. Dialog zwischen Klimaforschung und Zivilgesellschaft. In der Schlussdebatte des ersten Tages standen die Fragen „Wie groß ist die Gefahr Klimawandel und wie sollen wir ihr begegnen?“ im Mittelpunkt. Der Klimaforscher Ulrich Foelsche vom Grazer Wegener Zentrum und der Aktivist Tadzio Müller diskutierten lebhaft über Handlungsszenarien in den industrialisierten Staaten der Welt. Betroffen seien vom Klimawandel zunächst oft indigene Völker, wie etwa in Bolivien, betonte Müller, der kurze Zeit zuvor an der Klimakonferenz in Cocha- bamba teilgenommen hatte: „Die Menschen dort sind nicht schuld am Klimawandel, der die Gletscher immer schneller frisst, leiden aber am stärksten darunter.“ In Hinsicht auf regionale Veränderungen warnte Foelsche aus der Sicht der Forschung vor übertriebenen Schreckensszenarien, die „Wissenschaft müsse seriös bleiben, um ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren“. Mehr Engagement von insbesondere den prominenten Vertretern der Klimaforschung forderte Müller ein, um die zivilgesellschaftlichen Bewegungen in ihrer Position zu stärken. Die Anpassung an den Klimawandel mit Mitteln der Technologie sei jedenfalls für die Menschheit keine alleinige Option, sondern eine konkrete Änderung der Lebensweisen unumgänglich, waren sich die Diskutanten einig, wenn auch die Strategien von Seiten der Politik bisher viel zu zaghaft sind, um einen echten Wandel in die Wege zu leiten. | js
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