Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
„Emissionshandel ist dann wirksam, wenn die Ziele anspruchsvoll sind“
Montag, 19. Juli 2010
Der Jurist und Soziologe Felix Ekardt lehrt und forscht an der Uni Rostock zu den Schwerpunkten Klimaschutzrecht, Theorie der Nachhaltigkeit und Theorie der Gerechtigkeit. Bei der Klimaschutztagung des Landes Steiermark, in deren Rahmen der steirische Klimaschutzplan vorgestellt wurde, hielt er einen Vortrag über Klimaschutz im globalen Kontext und präsentierte seinen Vorschlag für einen reformierten globalen Emissionszertifikatehandel, der direkt an der Quelle – beim Verkauf von fossiler Primärenergie sowie bei der Landnutzung – ansetzt. KORSO-Herausgeber Christian Stenner sprach mit Ekardt über Details dieses Vorschlages. Ihr Konzept läuft darauf hinaus, dass die schädliche Auswirkung der industriellen Produktion in die produzierten Waren eingepreist werden muss – und sie schlagen einen neuen Weg dafür vor.
Ja, der wirksamste Weg wäre eine eine globale Mengenbegrenzung für Treibhausgasemissionen, die nicht überschritten werden darf. Sie müsste heute auf der Höhe der aktuellen globalen Emissionen – ca. 5 Tonnen pro Kopf – liegen und bis 2050 auf das gewünschte Limit von etwa 0,7 Tonnen pro Kopf absinken. Österreich hätte dann das Recht, etwas weniger als 6 Mio Tonnen Treibhausgase zu emittieren. Man sollte zu Beginn aber den Industrieländern etwas weniger geben und den nicht industrialisierten Ländern etwas mehr: Dann müssten die industrialisierten Länder einen Teil der benötigten Emissionsrechte bei den armen Ländern kaufen, die zu viel davon haben. Wenn wir diesen ärmeren Ländern mehr Zertifikate geben, können sie auch mehr verkaufen – und dieses Geld brauchen sie, weil sie zwar die Hauptopfer des Klimawandels sind, aber nicht seine Hauptverursacher.
Wenn jeder weiß, dass es eine Mengenbegrenzung gibt, die noch dazu immer geringer wird, dann gibt es drei Auswege: den Umstieg auf erneuerbare Energie, mehr Effizienz bei der Energienutzung und schlussendlich auch Suffizienz – also Verzicht.

Abgesehen von den strengeren Zielen ist das aber nichts anderes als der heutige Handel mit Emissions-Zertifikaten.
Nein, es wird auch der Vollzug verschärft, etwa durch das Schließen diverser Schlupflöcher. Wie schon bisher wird es allerdings zwei Ebenen geben: Den Staaten-Emissionshandel, über den wir eben sprachen. Und den Unternehmens-Emissionshandel. Der letztere wird sich komplett ändern: Wenn man’s einfach und durchschaubar haben will, werden ausschließlich jene Unternehmen, die Primärenergie auf den Markt bringen – das sind europaweit nur eine Handvoll Unternehmen – und alle Landnutzer dazu verpflichtet, jene Menge an Zertifikaten aus unserem europäischen Gesamtkontingent zu kaufen, die sie brauchen, um ihre Emissionen abzudecken. Das ist vom Vollzug her viel einfacher als der aktuelle EU-Emissionshandel. Anders als beim jetzigen sektoralen Emissionshandel, der ja Bereiche wie den Verkehr außen vorlässt, zudem anspruchslose Ziele verfolgt, die Zertifikate meist verschenkt statt versteigert und viele Schlupflöcher aufweist, deckt man mit dieser Vorgehensweise die Emissionen der gesamten Gesellschaft ab. Wir brauchen also strengere Ziele – die wären ja dann global vorgegeben, und die EU würde sie in ihrem Bereich nur nachvollziehen –, wir brauchen einen einfacheren Vollzug und wir müssen die gesamten Emissionen der Gesellschaft abdecken. Wenn wir nur bei der Primärenergie ansetzen, muss man nur einige wenige Unternehmen in Europa kontrollieren. Diese ersteigern die Zertifikate, das verursacht Kosten, die von Jahr zu Jahr höher werden, weil ja die Zertifikate immer knapper werden, und diese Kosten werden weitergegeben. Stromverbrauch, Heizen, Autofahren … jeder, der irgendetwas kauft oder verbraucht, merkt den Preiseffekt. Wenn ich im Mai einen Apfel kaufe, der acht Monate im Kühlhaus lag, würde sich der Primärenergiepreis im Preis niederschlagen und ich könnte am Preis erkennen, was ich machen und was ich besser nicht machen soll, um klimafreundlich zu leben. Das würde dann entsprechende Verhaltensänderungen auslösen, man würde energieeffiziente Geräte kaufen, man würde auf manches verzichten, und die Energiebereitsteller würden natürlich dazu übergehen, treibhausgasarme Energieträger einzusetzen, um nicht so viele teure Zertifikate zu benötigen.

Der Knackpunkt des Modells liegt aber wie beim aktuellen Zertifikatehandel beim Preis; offenbar ist die politische Macht der betroffenen Unternehmen groß genug, den Preis niedrig zu halten. Und die Macht der Ölkonzerne ist wohl noch größer als die von Stahlkonzernen oder Zementherstellern – da ist doch zu befürchten, dass sie mit Erfolg verhindern, dass wirklich der notwendigen CO2-Reduktion entsprechende Preise für die Zertifikate verlangt werden.
Das Problem des aktuellen Systems liegt darin, dass die Ziele nicht anspruchsvoll genug sind. Weil sie leicht zu erreichen sind, haben die Zertifikate keinen Preis. Wären die Ziele anspruchsvoll, so wären die Preise automatisch hoch, zumal, wenn die Zertifikate nicht verschenkt werden wie bisher, sondern versteigert. Dann sollte es eventuell noch Höchst- und Mindestpreise für Zertifikate geben, um Spekulation zu verhindern. An einem Primärenergie-Emissionshandel wären ja europaweit nur wenige Unternehmen beteiligt, die Gefahr besteht weniger darin, dass die Zertifikate zu billig werden, sondern dass sie zu Spekulationsobjekten werden. Das könnte man durch eine solche Rahmensetzung verhindern.
Die Kernerkenntnis ist jedenfalls: Jedwede Umweltpolitik ist dann wirksam, wenn die Ziele und der Vollzug anspruchsvoll sind.

Sie haben Suffizienz, also Beschränkung auf den Konsum notwendiger Güter, als dritten Hebel im Kampf gegen den Klimawandel neben dem Umstieg auf erneuerbare Energie und der effizienten Nutzung von Energie genannt. Nun braucht aber das kapitalistische Wirtschaftssystem sowohl in seiner monetaristischen, angebotsorientierten wie auch in seiner keynesianischen, nachfrageorientierten Variante Wachstum für sein Überleben. Daraus resultieren zwei mögliche Lösungen: Entweder ein Wachstum, das nicht umweltschädlich ist – sofern ein solches überhaupt denkbar ist. Oder der Switch auf ein anderes Wirtschaftssystem, das ohne Wachstum auskommt.
Zuerst mal muss man Kapitalismus und Marktwirtschaft unterscheiden. Das marktwirtschaftliche Prinzip von Nachfrage und Angebot ist ein historisch und aktuell recht erfolgreiches. Derer Emissionshandel setzt natürlich auf Marktwirtschaft. In der Tat könnte mein Konzept in gewisser Weise das Ende der Wachstumsgesellschaft darstellen, weil der Zwang zum Reicherwerden auch bei immer effizienteren Produktionsmethoden irgendwann den Effizienzgewinn auffrisst. Den Kapitalismus in der bisherigen Form untergräbt das. Darüber wurde bis jetzt ein bisschen zu wenig nachgedacht, das löst ja alle möglichen Folgefragen aus, etwa weil der Sozialstaat ans Wachstum gekoppelt ist. Ich glaube aber nicht, dass wir diesen Fragen ausweichen können: Die Welt ist physikalisch endlich, das Klimaproblem ist real, und wir müssen Konzepte dagegen real umsetzen. Es ist aber damit zu rechnen, dass es nicht sonderlich bequem wird.

Und diese Konzepte müsse nirgendwann auch mal hegemonial werden, das scheint noch nicht wirklich der Fall zu sein ...
Ja, und eigentlich haben wir keine Zeit. Die Angst vor Wohlstandsverlust spielt da eine große Rolle. Wir reden gerne über Klimaschutz, das kostet ja nichts, aber handeln fällt uns schwer.
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