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Steirischer Klimaschutzplan: Minus 16% CO2 sind zu wenig
Montag, 19. Juli 2010
Fossil ist out, erneuerbar ist in – und das aus vielen Gründen: Die Preise für Öl und Erdgas steigen tendenziell, weil die Vorräte sich dem Ende zuneigen und weil für die Wirtschaft unerlässliche Rohstoffe Spekulanten anziehen wie der Honig die Fliegen. Zum Zweiten müssen die globalen CO2-Emissionen um 90% verringert werden, wenn die globalen Durchschnittstemperaturen nicht um mehr als 2 Grad steigen sollen – mit allen daraus resultierenden Folgen für Mensch, Flora und Fauna. Und zum Dritten ist es klug, Veränderungen, die ohnehin unabwendbar sind, zu antizipieren: Wer zuerst den neuen Weg einschlägt, erwirbt verwertbare Kompetenzen – zum Beispiel in Umwelttechnologie. Diese Erkenntnisse haben das Umweltressort des Landes Steiermark unter LR Manfred Wegscheider dazu gebracht, rechtzeitig einen Klimaschutzplan zu erarbeiten, der – so der Leiter des Grazer Wegener-Zentrums, Prof. Gottfried Kirchengast – „gleichzeitig gefährliche Klimaveränderungen begrenzt und die regionalen Entwicklungschancen und die Innovationskraft der Steiermark stärkt.“
Der Plan, der im Rahmen eines „umfassenden projektbegleitenden Stakeholder-Prozesses“ innerhalb von zwei Jahren erstellt und bei der Landtagssitzung am 30. Juni mit den Stimmen aller vier Landtagsparteien beschlossen wurde, sieht für jene Bereiche, die nicht unter den EU-weiten Emissionshandel fallen (im Wesentlichen sind das Haushalte, Mobilität, Land-, Forst- und Abfallwirtschaft), eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 16% und einen Ausbau des Anteils erneuerbarer Energieträger an der Erzeugung von Energie von 29 auf 34% vor – das ist das so genannte Basisziel. Ein „Innovationsziel“ müsste in einer deutlich weiter gehenden Reduktion gipfeln, nämlich in einer, die der bis 2050 der eingangs genannten Zahl von 90% weniger Treibhausgasemissionen näher kommt. „Es kann davon ausgegangen werden“, heißt es in der Einleitung zum Klimaschutzplan, „dass die derzeit vereinbarten Reduktionsziele von 16% im Basisszenario weder auf Dauer halten werden noch hinreichend sind, um die erwarteten Folgen des Klimawandels bewältigbar zu halten.“ Das „Innovationsziel“ sieht entsprechend eine doppelt so starke Reduktion vor – nämlich um 33%.

Ein umfassendes Klima-Paket.
Wie sieht der Klimaschutzplan, der bei einer Veranstaltung Anfang Juni erstmals vorgestellt wurde, nun im Detail aus? Die steirische Klimaschutzkoordinatorin Andrea Gössinger-Wieser, die alle Bereiche der Landesverwaltung in die Erarbeitung des Planes eingebunden hat, betont: „Es geht hier um ein Gesamtpaket, nur Details davon umzusetzen wäre wenig wirksam.“ Ein Aspekt, den auch Karl Steininger vom Wegener-Zentrum betont. Eine Senkung klimarelevanter Emissionen im Mobilitätsbereich setzt nicht nur „ein ressourcenschonendes Gesamtverkehrsangebot“ voraus, sondern auch Eingriffe in die Raumordungspolitik, um Zersiedelung hintanzuhalten.  Prof. Wolfgang Streicher vom Institut für Wärmetechnik der TU Graz stellt z.B. die Frage, ob es überhaupt noch verantwortbar sei, den Bau von Einfamilienhäusern aus der Wohnbauförderung zu unterstützen „angesichts der Verkehrsstrukturen, die sie erzwingen.“

Eine der Königsdisziplinen des Klimaschutzes ist die thermische Sanierung
–  ihre Kosten-Nutzen-Relation ist besonders gut und zudem erzeugt sie – da arbeitsintensiv – zusätzlich auch Beschäftigung. „Hier hat das Land besonders gute Karten, weil ja die Baugesetze Landeskompetenz sind“, sagt Streicher. „Die technologische Entwicklung kompensiert in diesem Bereich den ,Rebound-Effekt‘“ – das heißt, dass neue Methoden der Wärmedämmung und Energieeffizienz bis hin zum Passivhaus trotz Zunahme der Anzahl der Objekte und der Wohnfläche unterm Strich den Gesamtenergiebedarf der Haushalte sinken lassen. Eine flächendeckende Sanierung auf hohem Niveau „plus ein Switch auf erneuerbare Energieträger“ könnte die Energieversorgung für die Haushalte nahezu völlig CO2-neutral gestalten.
Was den Produktionssektor betrifft, unterliegen die großen Industrieunternehmen ebenso wie der Energiebereitstellungssektor dem internationalen Zertifikate-Handel, das Land hat hier wenig Eingriffsmöglichkeiten – außer „Information, Schulung und Ausbildung für Energieeffizienzmaßnahmen“, sagt Prof. Hans Schnitzer vom Institut für Prozess- und Partikeltechnik an der TU Graz. Werden solche Maßnahmen konsequent umgesetzt, ließen sich Einsparungen von bis zu 20% der im Produktionsprozess verwendeten Energie erzielen.
Schließlich könnte auch in der Land- und Forstwirtschaft – u.a. durch vermehrten Einsatz ökologischer Landwirtschaft, stärkere Nutzung von Biogas und Biomasse etc. – eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen erreicht werden.
Insgesamt werden im Klimaschutzplan 26 konkrete Maßnahmenbündel genannt, „nun müssen wir an der Konkretisierung der Maßnahmen für das nächste Jahr arbeiten“, sagt Klimaschutzkoordinatorin Gössinger-Wieser.

Messdaten online.
Wie dringend nötig diese sind, zeigte auch der Vortrag über „Klimawandel – erkennbare Zeichen in Österreich“ von Ingeborg Auer von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik bei der Tagung, in deren Rahmen der Klimaschutzplan erstmals einem Fachpublikum vorgestellt wurde: Die Expertin erläuterte zum einen detailreich die Probleme der Vergleichbarkeit von (Temperatur-)Messungen, die über viele Jahre hinweg durchgeführt werden, auf der anderen Seite räumte sie mit einer Menge konkreter Daten mit Verschwörungstheorien wie der „Klimalüge“ auf: So steigt etwa in Graz die mittlere Temperatur seit 1837 unablässig, in Wien ist die Anzahl der Vegitationstage von 1872 bis heute von 218 auf knapp 255 gestiegen, die Gletscher hingegen sind deutlich zurückgegangen: „Der Mölltaler Gletscher ist zwischen 1985 und 1999 naheu verschwunden, in der gesamten Goldberggruppe ist der Gletscher von 35km2 auf 10km2 geschmolzen, alle Massebilanzen sind von Jahr zu Jahr mit Ausnahme der Jahre 2003/2004 negativ.“ Und: „Weil Klimawandel ein gesellschaftspolitisches Problem ist, braucht es klimarelevante Informationen für alle ÖsterreicherInnen“, sagt Auer. Daher sind die (homogenisierten) ZAMG-Messdaten allesamt auf der Homepage der Zentralanstalt www.zamg.ac.at/histalp nachzulesen.
Der  steirische Klimaschutzplan und detaillierte Erläuterungen dazu können elektronisch unter andrea.
goessinger-wieser@stmk.gv.at angefordert werden.
| Christian Stenner
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