Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Bedingtes Menschsein in unsicheren Zeiten
Montag, 19. Juli 2010
Im Spannungsfeld zwischen regionaler und universeller Beschäftigung bildet die Ausstellung im Kunsthaus Graz ein weiteres Kapitel, eine Entfaltung jenes Themas, das in Schloss Trautenfels mit „Der schaffende Mensch“ aufgeschlagen wurde. War es in der Obersteiermark ein vom lokalen Kolorit gefärbtes, eigensinniges Hervorbringen, so bewegt sich „Human Condition“ auf einer absoluteren Ebene menschlichen Handelns. Zwischen Selbstbestimmung und Mitgefühl deutet der Untertitel die Bandbreite der Positionen, aber auch die Zerbrechlichkeit menschlicher Angelegenheiten an. „Es ist eine Sammlung von Gesichtern“, so der Kurator der beiden Ausstellungen, Adam Budak – eine übergeordnete Studie der menschlichen Portraitkunst, die weit über die eigentlichen Gesichter hinausgeht. Es geht um ein kritisches Selbstbild der Künstler in ihrer Lebensumgebung, sie sind präsent.

Wer wir sind und was als menschlich gilt.
Gerade weil unsere Welt sich immer wieder als instabil erweist, ist es der Konflikt zwischen individualistischen und kollektiven Lebensauffassungen, der hier unter dem Verweis auf Hannah Arendts bahnbrechendes Werk „Vom tätigen Leben“ – ursprünglich auf Englisch gleich dem Ausstellungstitel als „The Human Condition“ erschienen – immer wieder aufklafft. Acht Künstler stellen sich der Reflexion dieser Bedingtheiten des Menschen in seiner Umwelt. Adrian Paci verhandelt in seinen drei Videoarbeiten einerseits das Ausgeliefertsein von Kindern in kriegsgeschüttelten Ländern – mit Spiegelscherben im Baum, die in die Kamera blenden, liefern sie ein ähnlich eindrückliches „Schaubild“, wie die arbeitslosen Männer in Shkoder, die mit ihren benzinbetriebenen Generatoren Glühbirnen zum Leuchten bringen, wo Arbeitsmarkt und Stromversorgung unverlässliche Systeme sind. „Electric Blue“ erzählt eine Geschichte vom Krieg und einer bescheidenen Einnahmequelle im Pornofilmverleih, zwei Wirklichkeiten, die sich auf den Videobändern gegenseitig auszulöschen suchen. Lida Abdul aus Afghanistan setzt der Zerstörung ihrer Heimat ebenfalls sehr klare Bilder entgegen: Ein von Bomben zerstörtes Haus wird in seiner Gebrochenheit weiß gestrichen, ihr „Man in the Sea“ schreitet majestätisch beflaggt in die Selbstvernichtung, daneben versuchen Kinder ein altes sowjetisches Flugzeugwrack wieder zum Leben zu erwecken.
Bei Kris Martin nehmen sich zwei Glocken gegenseitig die Möglichkeit zum Klang und eine Nachbildung der Laokoongruppe stellt den Todeskampf über den Feind dar, der zur undefinierten Leerstelle wird. Um anderswo bei Maria Lassnig als Schlange in ihrem Kampf um Selbstbestimmung wieder aufzutauchen.
Konstruierte Medienbilder aus den Weiten der globalisierten Welt fordern Renzo Martens heraus, unbequeme Fragen zu stellen. Dosierte Fernsehunterhaltung vom Kriegsschauplatz, portioniertes Mitleid. „Muss ich mir das ansehen?“ lautet die Ausrede zum Ausfluchtszenario. „Enjoy Poverty“ ist die Provokation in Neonbuchstaben auf den Punkt gebracht. Martens fordert die Opfer auf, ihre „Inszenierung“ selbst in die Hand zu nehmen, um möglichst viel Geld damit zu verdienen. Diese Bilder müssen bewältigt werden.

| Eva Pichler

Die Ausstellung „Human Condition“ ist bis 12. September im Kunsthaus zu sehen.
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