Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Die Diktatur des Angepassten
Montag, 19. Juli 2010
Bis heute ist die öffentliche Aufarbeitung der Kunst des Nationalsozialismus eine Seltenheit. Man ist sich scheinbar einig, dass solche Werke in einem qualitätsstiftenden Museum nichts verloren hätten. Die Neue Galerie und das Stadtmuseum Graz wagen sich also mit vereinten Kräften in einen lange Zeit tabuisierten Bereich und untersuchen die Verhaltensweisen jener steirischen Künstler, die nach dem Anschluss Österreichs ihre Tätigkeit nicht im „entarteten“ Widerstand, wie er 2001 bereits in der Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit“ thematisiert wurde, sondern auf der „artgerechten“ Seite der herrschenden Bewegung fanden. Freilich ist es weit erfreulicher „Opfern und Unterdrückten verspätet Gehör zu verschaffen“, meint Kurator Günther Holler-Schuster, „Die Kunst der Anpassung“ will aber gerade jenes akzeptierte Gegenüber dieser Zeit, die in der Künstlerbiografie oft als „Ausnahmezustand“ verbucht wird, nicht mehr ausklammern, „sie versucht dieses Kapitel hinzuzufügen und die Geschichte ganz zu erzählen“, so Holler-Schuster.

Ambivalenz und Randlage.
„Sie werden in dieser Ausstellung Dinge finden, von denen man gar nicht glaubt, dass es sie gegeben hat“, verspricht Herbert Lipsky, der die Idee und seine umfangreichen Recherchearbeiten rund um die Ausstellungstätigkeit steirischer Künstler zwischen 1938 und 1945 an die Neue Galerie herangetragen hat. Graz ist dabei sicher keine „Hauptstadt“ der NS-Kunst, es befand sich künstlerisch eher in einer Randlage, was bedeutet, dass auch „die Konturen unschärfer werden“ erläutert Holler-Schuster. Auch ist das Verhalten vieler Künstler gar nicht eindeutig festzustellen: Es gibt einige ambivalente Positionen, deren Werke auch in der „Widerstandsausstellung“ zu sehen waren. Es gibt jene, die schon vor dem Anschluss mit der NS-Ideologie liebäugelten und programmatische Werke schufen, aber auch jene, deren traditionalistische Kunstauffassung einfach vereinnahmt wurde. Für jede Arbeit und jede Künstlerperson ist daher Hintergrundwissen nötig.
„Die Ausstellung zeigt ein kritisch dokumentiertes Schau-depot“, so Stadtmuseums-Direktor Otto Hochreiter über die Herangehensweise, die eine Informationsebene als roten Hauptstrang mitten durch die Ausstellung zieht, während die repräsentativen Werke innerhalb von drei Ebenen entweder zu hoch oder zu niedrig hängen.

Vereinnahmung der Landschaft und Dokumentation der Stadt.
Der Nationalsozialismus konnte keine für sich eigenständige Kunst entwickeln, es fehlen eine geschlossene Stilentwicklung und ein inhaltlicher Zusammenhang – man bediente sich historischer Stile oder goutierte jeweils das, was ins ideologische Konzept passte. Illustrativ für den Blut- und Bodenmythos spielte besonders die Landschaftsmalerei eine wichtige Rolle  – die „Heimatscholle“ als das „Bollwerk gegen Südosten“, das es zu verteidigen galt, aber auch die Verherrlichung von Land und Bauernstand, um die Rassenideologie zu untermauern. Die vollständig erhaltene „Steirische Städteausstellung“, beauftragt anlässlich des 100. Geburtstages von Peter Rosegger im Jahr 1943, zeigt dazu anhand 24 gleichformatiger Auftragsarbeiten ein Spektrum von expressionistisch bis nachimpressionistisch – bei konstant traditionalistischer Grundhaltung.
Die wesentlichen Fortschritte spielten sich aber naturgemäß in den Städten ab: hier waren es Aufmärsche, Festzüge und politische Kundgebungen, die den Künstlern als propagandistisches Betätigungsfeld dienten – sie fungierten als Planer, Dekorateure, als Werbegrafiker wie Heinz Reichenfelser oder Filmemacher wie Hanns Wagula oder dokumentierten malerisch die Stadt im NS-Fahnenschmuck.

Künstler im Dienst der Propaganda … Programmatisch-ideologische Bilder waren dagegen in der steirischen Kunst eher selten. Ihr schillernder, symbolistischer Vertreter ist Karl Mader, der auch über die steirischen Grenzen hinweg Bedeutung erlangte und mehrfach bei der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ vertreten war. Als einer der wenigen lieferte er großflächige, klischeehafte Bilder. Ein systemkonformer Bildhauer war Hans Mauracher, dessen Werk hier illustrativ für den opportunistischen Umgang mit NS-Gedankengut stehen soll: Seine Figurengruppe mit Hakenkreuzstandarte „Die Partei“ wird nach 1945 kurzerhand mit einer Lyra ausgestattet, „An die Kunst“ getauft und wiederum ausgestellt. Vorarbeiten für ein Kriegerdenkmal verbirgt er unter dem Kohlenhaufen im Keller, wo eine Soldatenbüste erst vor kurzem vom neuen Besitzer des Hauses in ihrem Versteck „aufgedeckt“ wurde.

…und an der Front.
Die Industriemalerei zeigt als wichtige Gattung Heroen an der „Arbeitsfront“, aber auch sachlich objektivierende Industrielandschaften, die in Ausstellungen gerne gezeigt werden. Künstler im Kriegseinsatz portraitieren den Soldaten als Idealbild des deutschen Mannes bei Kampfhandlungen, aber auch unbekannte Landschaften wie das Eismeer. Oft fällt die geforderte Idealisierung des Gesehenen schwer, wie bei Johannes Wohlfart, dessen „Stoßtrupp“ bereits eine zweifelnde Nachdenklichkeit ausstrahlt. Psychisch und physisch angeschlagen wird er frühzeitig aus dem Kriegsdienst entlassen und tauscht im Selbstportrait die Uniform gegen einen blauen Pullover.
Im Zuge der Entnazifizierung verloren zwar viele Künstler ihre Funktionen im Kulturbetrieb und verbrachten einige Zeit in Internierungslagern, konnten aber ihre Arbeit später wieder aufnehmen. Andere hatten dagegen kaum Folgen zu tragen, erhielten öffentliche Preise und Aufträge. „Man muss differenzieren, ohne zu relativieren.“ meint Günther Holler-Schuster. Auch wenn die Vergangenheit nicht so leicht abzulegen ist wie ein unmodernes Kleidungsstück.

| Eva Pichler

„Die Kunst der Anpassung, Steirische KünstlerInnen im Nationalsozialismus zwischen Tradition und Propaganda“, bis 2.Jänner 2011 im Stadtmuseum Graz
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