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Diskussion: Finanzlobbies als Gefahr für die Demokratie?
Montag, 19. Juli 2010
Die Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik lud Ende Juni zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Demokratie abseits der WählerInnen“, einer Fragestellung im Hinblick darauf, wie sehr informelle, undurchsichtige Einflüsse in Form von Medienmacht oder professionellen Lobbyisten die Politik und auch die Wahlergebnisse beeinflussen können.

Unter der Gesprächsleitung von Dr. Piotr Dobrowolski diskutierten der amerikanische Soziologe Prof. Dr. John C. Torpey, ORF-Auslands-Ressortleiter Andreas Pfeifer, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Müller-Funk sowie Landtagspräsident Dr. Kurt Flecker und VP-Klubobmann Mag. Christopher Drexler über diese brisante Thematik.

Neues Lobby-Paradies USA?
Als Ausgangspunkt der Diskussion schilderte Torpey die aktuelle Situation in den USA, wo ein Bundesgerichtsurteil nach Beschränkungen wieder einen stärkeren Einfluss von Konzernen auf Politiker ermöglicht: „Es gibt die dunklen Geschäfte der Finanz- und Medienmächte, die es einzuschränken gilt, aber auf der anderen Seite gibt es hier immer wieder Verschwörungstheorien, die sich etwa in einer Renaissance des Antisemitismus niederschlagen.“ Selbst wenn es Schwächen der westlichen Demokratie gäbe, so Torpey, müsse man positiv sehen, dass in den westlichen Ländern über Machtmissbrauch und Korruption offen berichtet werden kann, ohne für das Leben von Journalisten fürchten zu müssen wie etwa in Russland. An diese Überlegungen knüpfte Müller-Funk seinen Zweifel über die „ständige Erweiterung der Demokratie“, die nach dem Untergang des kommunistischen Gegenentwurfs allzu positiv gesehen worden sei. Jedenfalls sei im frühen 19. Jahrhundert von den Gründungsvätern der ersten neuzeitlichen Demokratien der große Einfluss von Konzernen oder Medien nicht vorhersehbar gewesen.

Problematische Binarität von Gut und Böse. Den Lobbyismus gäbe es selbstverständlich nicht nur in Form von „bösen Mächten“ wie etwa der Lkw-Lobby, betonte Müller-Funk, sondern auch als „positive“ Interessenvertreter wie NGOs für Naturschutz, Frauenrechte und Konsumentenschutz. Flecker bezog die politischen Parteien selbstkritisch in die Betrachtung mit ein, da sie durch mangelnde Erkennbarkeit ihres Profils die Parteiendemokratie zunehmend gefährden: „Die Politik ist nicht mehr berechenbar, weil Parteien nicht mehr durch Inhalte überzeugen wollen, sondern an das Gefühl der Wähler appellieren.“ Hier müsse wieder eine neue Kultur herausgebildet werden, die mit dezidierten Programmen an die Umsetzung ihrer Regierungsverantwortung herangehe. Ergänzt werden könne diese durch plebiszitäre Formen der Abstimmung, die die Bevölkerung stärker in die wichtigsten Entscheidungsprozesse einbinde. Drexler verwies auf die im Vergleich zu Österreich „glaubwürdigere Gewaltenteilung“ in den USA, wie er am Beispiel der politischen Einmischung in Höchstgerichturteile beim Ortstafelstreit oder anlässlich der Ausweisung der Familie Zogaj ausführte. Weiters könne sich Macht von Lobbys nur dort entfalten, wo Politiker ihre eigene Macht nicht wahrnehmen und in Passivität verharren.

Medienmacht als Bedrohung.
Als archetypisches Beispiel für ein einflussreiches Medium wandte sich die Diskussion der Kronenzeitung zu, die in Relation zur Zahl der Einwohner als auflagenstärkstes Medium Europas gilt. Die SPÖ habe unter dem Einfluss der medialen Wirkung der Kronenzeitung ihre Europa-Politik völlig umgedreht, so Flecker. Die Inszenierung der Politik werde in den Medien zunehmend stärker, analysierte Pfeifer die Rolle der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme unter dem Einfluss politischer Instanzen, wenn sich dieser auch im Vergleich zum Extremfall von Berlusconis Italien noch relativ überschaubar gestalte. Müller-Funk verwies auf die auch hierzulande abnehmende Glaubwürdigkeit der Parteien durch ihre Neigung zu populistischem Verhalten. In Bezug auf die Medien hält Drexler Eingriffe von Seiten der Politik nicht für sinnvoll. Dagegen habe man beim öffentlichen Rundfunk versagt, indem man ein hybrides Modell fortgeschrieben habe, das sich darin äußere, dass „Wahltagsberichte aus den Bundesländern einseitiger als unter Putin“ seien. Müller-Funk sieht dagegen in der Medienmacht der Krone ein massives Problem für die demokratische Kultur in Österreich. Flecker ortet eine der Ursachen für Medienkonzentration in der Abschaffung der Medienförderung, die durch die Vergabe von Inseratenkampagnen durch öffentliche Stellen ersetzt wurde, deren Löwenanteil den marktdominanten Medien zugute komme. Hier wäre es sinnvoll, betont Flecker, neue Kriterien aufzustellen, nach denen hochwertige Printmedien objektiv gefördert werden könnten, was Drexler angesichts der „in unnötige Inseratenkampagnen verschwendeten Gelder“ ebenfalls für wünschenswert hält.

Krise und gescheiterte Bändigung.
Die G20-Treffen und politische Verhandlungen auf internationaler Ebene hätten gezeigt, dass der Finanzsektor seine Interessen so weit durchsetzen konnte, dass keine verbindlichen Regeln für die Ausstattung mit Eigenkapital beschlossen wurden, kritisierte Pfeifer. Hier sei eine Rückkehr zur Politik der nationalen Interessen zu beobachten, die auch ein Ausdruck von Lobbyismus sei. „Ein Ausdruck dessen ist es auch, keine Politik zu machen“, fügte Flecker hinzu, „sodass sich jene Kräfte durchsetzen können, die ohnehin stark sind. Dann kann von einer Gleichheit der Waffen keine Rede mehr sein.“ Die scheinbare Pluralisierung der Meinungsvielfalt durch das Web 2.0 täusche jedenfalls darüber hinweg, dass es dort zu einer Polarisierung der Positionen komme, wo sich  jeder ihm genehme Meinung abholt, gab Pfeifer zu bedenken. In der abschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden Fragen der politischen Kultur, der föderalistischen Verfassung und der Medienlandschaft in Österreich erörtert.

| Josef Schiffer

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