Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Hermann Schützenhöfer: „ÖVP und SPÖ können nur gemeinsam Sparpolitik umsetzen“
Donnerstag, 10. Juni 2010
KORSO setzt in dieser Ausgabe seine Reihe ausführlicher Interviews mit den SpitzenkandidatInnen für die Landtagswahl am 26. September fort. Ende Mai führte KORSO-Herausgeber Christian Stenner ein Gespräch mit dem Herausforderer um das Amt des Landeshauptmannes, ÖVP-Obmann und Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhöfer. Herr Landeshauptmannstellvertreter, was würde anders werden, wenn die ÖVP und damit Sie den nächsten LH stellen würden?
Es würde wieder mehr Verlässlichkeit ins Land ziehen. Derzeit wird einmal rechts, einmal links überholt, das ist nicht die Stabilität, die ein Land braucht. Abgesehen davon würde ich mich auf das Wesentliche konzentrieren: Das sind die Arbeitsplätze der Zukunft, Stichwort „Greenjobs“; ich würde alles tun, damit es ein korrektes, ordentliches Verhältnis zur Wirtschaft gibt und man den Unternehmern nicht laufend ausrichtet, dass man neue Steuerpläne wälzt, um sie wegzutreiben. Ich möchte, dass die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft stimmen, dass sie hier Arbeitsplätze schafft. Ich gehe ja davon aus, dass Arbeit Erfüllung des Lebens ist. Damit stellt sich für jeden Menschen, der keine Arbeit hat, die Sinnfrage. Deshalb müssen wir die Wirtschaft ermutigen, im Land zu investieren und ihr nicht den Eindruck vermitteln, dass sie eigentlich gar nicht erwünscht ist.

Zu einer sinnerfüllenden Arbeit gehört nun auch eine anständige Bezahlung. Sie haben Aufsehen erregt, als Sie eine vierzehnmalige Auszahlung der Mindestsicherung mit der Argumentation abgelehnt haben, dass dann eine Billa-Kassiererin mit 790 Euro Nettolohn nur unwesentlich mehr bekäme als ein Mindestsicherungsbezieher mit 744 Euro. Ist es nicht eher so, dass Löhne, die wie im angesprochenen Fall unter der Armutsgrenze liegen, angehoben werden müssten?
In Österreich leben 2 700 000 Menschen, die Steuern zahlen – und ebenso viele, die keine Steuern mehr zahlen. Diese Zahl zeigt, dass wir ein hoch entwickelter Sozial- und Wohlfahrtsstaat sind. 744 Euro netto plus Wohnbeihilfe sind eigentlich eine relativ gute und korrekte Ausstattung für einen einigermaßen menschenwürdigen Mindestlebensstandard. Mehr soll die Mindestsicherung ja auch nicht sein. Ich möchte, dass es einen Unterschied gibt gegenüber jenen Menschen, die 40 Stunden die Woche arbeitet. Man kann darüber reden, ob gewisse Gruppen nicht eigentlich zu wenig verdienen, aber mir geht’s darum, dass wir nicht eine primitive Verteilungsdebatte, sondern eine Debatte über Leistungsgerechtigkeit führen. Mir wird niemand vorwerfen können, dass ich keine soziale Ader hätte, ich habe 1984 den Mindestlohn durch Arbeit gefordert, ich und niemand sonst. Damals waren alle dagegen, meine eigene Partei sowieso, aber auch die SPÖ.

Beide Parteien sind nach wie vor gegen einen gesetzlichen Mindestlohn.
Ja, ich bin auch für die kollektivvertragliche und gegen die gesetzliche Regelung. Ich bin für die Mechanismen des Marktes. Daher will ich auch keine Einkommensbegrenzung nach oben hin. Sicher, wenn jemand acht Monate bei der Hypo Alpe Adria tätig ist und dann eine Millionenabfertigung bekommt, steigt jedem, der das hört, die Zornesröte ins Gesicht – genau solche Erscheinungen sind aber gesetzlich nicht verhinderbar. Aber nach unten hin müssen wir eine Grenze setzen, und ich habe mich ja auch letztendlich mit der Forderung nach dem Mindestlohn durch Arbeit durchgesetzt. Auf jeden Fall muss der, der arbeitet, ein gutes Stück mehr verdienen als ein Mindestsicherungsbezieher.

Parallel zur Debatte um die Mindestsicherung hat die ÖVP auch die Treffsicherheit von Sozialtransferleistungen kritisiert, Sie selbst haben sich mit dem Ausspruch „Brutto mehr darf nicht netto weniger bedeuten“ in die Diskussion eingeschaltet. Es gibt in der Tat eine einzige Transferleistung, die diesen Effekt hat, nämlich das Kinderbetreuungsgeld. Mit einem hohen Erwerbseinkommen hat man keinen Anspruch mehr darauf, sodass dann unterm Strich netto weniger bleibt. Nun wurde es von der damaligen schwarz-blauen Bundesregierung genau mit der Argumentation eingeführt, man wolle Familien die Möglichkeit geben, sich zwischen Arbeit und Kinderbetreuung zu entscheiden. Wollen Sie das Kinderbetreuungsgeld wieder abschaffen?
Nein, da habe ich gegen die derzeitige Regelung keinen Einwand. Ich glaube, dass insgesamt die Steuerlast zu hoch ist. In bestimmten Einkommenskategorien des Mittelstandes bedeuten brutto 200 Euro mehr – ich schätze das jetzt über den Daumen – plötzlich netto nur 80 Euro mehr. Damit möchte ich ansprechen, dass die Steuerlast hoch ist. „Brutto mehr muss netto mehr bedeuten“ war für mich insbesondere eine Aussage in die Richtung: „Bitte denkt nicht wieder über Steuererhöhungen nach“.

Menschen mit sehr niedrigem Einkommen zahlen zwar keine Einkommensteuer, weil sie aber notgedrungen ihr gesamtes Einkommen konsumieren, zahlen sie 20% davon in Form von Mehrwertsteuer. Hohe Steuerlast tragen Arbeitende mit mittleren und höheren Einkommen. Wenig Steuerlast tragen Kapitalbesitzer – die KESt ist eine Flat Tax von 25% – im Stiftungsfall sogar noch weniger. Spekulationsgewinne unterliegen in vielen Fällen gar keiner Besteuerung. Soll das so bleiben?
Was die Stiftungen betrifft, so haben sie dem Wirtschaftsstandort gut getan. Das Stiftungsrecht hat dazu geführt, dass bei uns Arbeitsplätze entstanden sind, während in anderen Ländern eher Arbeitsplätze abgewandert sind. Es gibt natürlich auch Ausnahmen, siehe SPÖ-Stiftung. Eine Partei wie die SPÖ Steiermark, die eine Stiftung gründet, um dann so viel Geld zu haben, dass sie jetzt Leser täglich mit Inseratserien quasi überfällt: Das ist hinterfragenswert, wenn es auch rechtlich möglich sein mag. Wenn eine solche Partei gleichzeitig ein eigenes Unternehmen, nämlich die Leykam, nach Slowenien aussiedelt, um dort Arbeitsplätze zu schaffen, dann hat sie jedes Recht verloren, in diesem Zusammenhang mit Arbeitsplätzen zu argumentieren.

Mit der Frage der SP-Stiftung, die Sie jetzt angeschnitten haben, sind wir wieder mitten im Wahlkampf – wie sieht es eigentlich mit der Abschaffung des Proporzes aus? Da haben sich SPÖ und ÖVP ja nichts vorzuwerfen: Je nach vermuteter eigener Stärke ist man abwechselnd dafür und dagegen. Ist Ihr Wunsch nach Beibehaltung des Proporzes in Stein gemeißelt, werden Sie sich auch nach den Wahlen und im Fall einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse dafür einsetzen?
Wir leben in einer wirtschaftlich angespannten Situation. Die Arbeitsplatzsituation wird sich entweder verschärfen oder zumindest nicht sehr entschärfen. Das Wirtschaftswachstum beträgt gerade eineinhalb Prozent. Man benötigt aber  mindestens zwei, drei Jahre lang mehr als zweieinhalb Prozent Wachstum, damit sich dieses positiv auf den Arbeitsmarkt auswirkt. In einer solchen Phase halte ich die Zusammenarbeit vor allem der beiden größeren Parteien für sehr wichtig. Und wenn bei den Wahlen die Grünen oder die Freiheitlichen durch den Proporz ein Regierungsamt erringen, dann ergäbe das ja fast eine Art Konzentrationsregierung – da hätte ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden.
Das steirische Landesbudget umfasst mehr als 93% Pflichtausgaben und nur noch etwa 6% Ermessensausgaben. Wenn von einem Budget von 5 Milliarden 83 Millionen gerade einmal 340 Millionen Ermessensausgaben  sind, dann müssen Sparmaßnahmen auch den Pflichtbereich betreffen. Eine solche ausgewogene Sparpolitik können nur die beiden Großen miteinander umsetzen, das kann ein Großer mit einem Kleinen nicht.

Ihren Worten ist zu entnehmen, dass Sie nach den Wahlen eine Zusammenarbeit mit der SPÖ anstreben werden.
Selbstverständlich. Natürlich schließe ich keine Partei aus – Parteien kommen schließlich durch demokratische Wahlen in den Landtag und nicht durch Putsch, und viele Wähler der FPÖ und der Grünen haben auch uns schon einmal gewählt, warum soll ich die ausschließen? Aber angesichts der Wirtschaftslage, der Budgetlage, der Herausforderungen, die in der Verwaltung auf uns zukommen, glaube ich, dass es auf jeden Fall gescheiter ist, wenn die zwei Größeren zu einer neuen Art der Vernunft in der Zusammenarbeit finden.

Zurück zur Budgetlage, die Sie implizit als dramatisch charakterisiert haben. Finanzlandesrat Christian Buchmann ließ kürzlich mit dem Vorschlag aufhorchen, den Ländern mehr Steuerhoheit zu gewähren und auf Steuerwettbewerb zwischen den Ländern zu setzen. Das könnte ja auch bewirken, dass das Steuerdumping, das sich jetzt auf europäischer Ebene abspielt, innerhalb Österreichs auf Länderebene fortgesetzt wird, mit dem Erfolg, dass die leeren Kassen der Bundesländer noch leerer werden.
Was Steuern betrifft, so bin ich auf jeden Fall dagegen, neue Steuern zu erfinden. Alle jene, die davon reden, man müsse die Reichen besteuern, wissen ganz genau, dass sich das am Ende auf die kleinen und mittleren Einkommen auswirkt, deswegen bin ich immer dafür, ausgabenseitig zu sparen. Zum Zweiten: Ich bin jederzeit bereit, in einen Wettbewerb der Bundesländer einzutreten,  wobei wir uns genau anschauen müssen, ob etwa bei Betriebsansiedelungen die Förderkriterien wirklich eingehalten werden. Wir haben das ja in der Vergangenheit bei Betrieben erlebt, dass ein Betrieb sich trotz Höchstförderung in einem anderes Bundesland angesiedelt hat, weil dort zusätzlich Infrastruktur zur Verfügung gestellt wurde.

Vor Wahlen spekulieren die Medien gerne über mögliche Koalitionsvarianten; weniger Interesse herrscht an den Inhalten, die mit bestimmten Koalitionsvarianten verbunden werden. Mit welchen Eckpunkten würden Sie in Koalitionsverhandlungen gehen, wo müsste sich die SPÖ oder eine möglicher anderer Koalitionspartner bewegen, damit eine Übereinkunft möglich wäre?
Da verweise ich nochmals auf die Budgetlage. Ich glaube, dass wir in einer Regierungsvereinbarung festlegen müssen, wie wir uns die Zukunft der Spitäler vorstellen und wie wir soziale Sicherheit gewähren, ohne dass die Kosten weiter explodieren. Ich möchte auch die Frage der Gemeinden in einem solchen Vertrag stehen haben, weil diese an die Grenze der Finanzierbarkeit gelangt sind. Hier müssen wir Vorstellungen entwickeln, wie wir vom Bund beim nächsten Finanzausgleich mehr bekommen und wie wir diesbezüglich zusammenarbeiten können, ohne uns auseinanderdividieren zu lassen.
Im Gesundheitswesen wird es darum gehen, die medizinische Qualität zu sichern und zu steigern und Doppelgleisigkeiten abzuschaffen.

Wenn konkrete Einsparungspläne entwickelt werden, wie etwa in Bad Aussee, wendet sich die ÖVP dagegen.
Bad Aussee ist aber nicht einmal mit der Lupe im KAGes-Budget zu finden, ebenso wenig wie Fürstenfeld oder Mürzzuschlag oder Voitsberg. Über die Abermillionen, um die es in anderen Zusammenhängen – wie zum Beispiel bei der Abgeltung des klinischen Mehraufwandes – geht, über die redet man nicht. Ich muss in der Zentrale anfangen, darf auch die Peripherie nicht verschonen, aber die Peripherie sperren und die Zentrale noch einmal in ihrer ganzen Saturiertheit noch besser ausstatten? Wohl nicht.
Die Frage der Kliniken im Verhältnis zur KAGes ist ein Thema, das wir ohnehin gerade auch im Zusammenhang, nicht nur, aber insbesondere mit dem klinischen Mehraufwand debattieren. Da müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Wir dürfen uns vom Bund nicht billig schlucken lassen.
Was das Sozialressort betrifft, so hat uns der Soziallandesrat vor drei Wochen im Zuge des Rechnungsabschlusses mitgeteilt, dass er 15 Millionen mehr als die 500 budgetierten gebraucht hat – das Tourismusressort verfügt gerade mal über 19 Millionen Jahresbudget.
Wir müssen also endlich zu einer ehrlichen Budgetierung kommen, Rahmenpläne müssen eingehalten werden, und wenn das in einzelnen Bereichen nicht möglich ist, muss ich schauen, wo kann ich wirklich sparen. Sonst zahlen am Ende der Entwicklung die ganz Schwachen drauf, weil dann mehr Förderungen abgeschafft werden müssen, als ihnen zumutbar ist. Das alles will ich nicht: Ich will, dass wir den Haushalt in Ordnung bringen und den Leuten helfen können.

Die Mehraufwände im Sozialbereich sind doch aber genau auf die krisenbedingte Zunahme der Sozialhilfe-Fälle – also auf die von Ihnen genannte Hilfe für die ganz Schwachen – zurückzuführen.
Die Gemeindeabgaben für die Sozialhilfeverbände sind in den letzten drei Jahren zwischen 40 und 80% gestiegen; dieser Anstieg betrifft natürlich auch die Landesanteile an der Finanzierung. 82% von diesen Abgaben gehen schon in die Pflege. Hier möchte ich nichts kürzen, aber es muss uns etwas einfallen, wie wir die Qualität der sozialen Absicherung und der Pflege halten, ohne dass die Kosten weiter explodieren, sonst können wir’s uns nicht leisten und dann zahlt der sozial Schwache.

Daraus ergibt sich eine letzte Frage: Sind Sie für eine Pflegeversicherung?
Ich bin für keinerlei Abgaben, Steuererhöhungen und Versicherungen in diesem Zusammenhang. Natürlich kann man eine solche Versicherung  im Modell als eine Lösungsmöglichkeit analysieren, aber sie wäre für mich nur ein allerletzter Ausweg. Zuerst müssen wir schauen, wo wir sparen können.
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >