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Dichands Geheimnisse
Montag, 19. Juli 2010
Kopfzeile von Martin Novak Pikiert regierten die Redaktionen darauf, dass die trauernde Familie bei der Totenfeier für den Krone-Herausgeber („Requiem für Dichand“) im Stephansdom sich ein Foto- und Video-Verbot ausbedungen hat. Eine Nachrichtensendung des ORF ließ durchklingen, dass sich offenbar – ja wer jetzt, der Tote, die Familie? – für etwas Besseres halte als der Bundespräsident und der Wiener Altbürgermeister. Bei deren Trauerzeremonien habe man sehr wohl fotografieren und filmen dürfen. Und, so der Grundtenor der Berichterstattung, diesen Respekt vor der Privatsphäre habe ja gerade die Krone nicht immer gewahrt.
Abgesehen von dieser kleinen Verstimmung verlief das mediale Requiem aber sehr harmonisch. Nicht jeden Tag erscheinen Kronenzeitung und Die Presse mit einem gleichlautend prosaischen Blattaufmacher „Hans Dichand – 1921–2010“.  Nicht immer in den letzten Jahren hat Wolfgang Fellner in seinem Österreich-Kommentar seine Meinung über die Krone und deren Herausgeber dermaßen freundlich formuliert. „Das Geheimnis des Hans Dichand war ohne Zweifel sein Liebe zu den Lesern.“ Das hätte auch in der Krone selbst kaum schöner stehen können. Tat es auch nicht: Dass er „nicht über die Köpfe der Massen hinweg“ blickte, „dürfte eines der Geheimnisse des Hans Dichand sein“, mutmaßte Ernst Trost dort nur. Weitere Geheimnisse enthüllte er nicht, zumindest ein Sekundärgeheimnis durfte man aber aus dem Bildtext ableiten: „Seine große Liebe galt der Familie – und den Tieren.“ Das hat offenbar Fellner übersehen, obwohl der Verstorbene für „die jüngere Generation von Zeitungsmachern“, der auch er angehöre, „ein Vorbild an Mut, Unternehmergeist, auch Kritikfähigkeit gegenüber den Mächtigen“ sei – aber offenbar nicht an Liebesfähigkeit.
Soviel Liebe hat ihren Preis. Sechs Seiten Österreich, zwei Seiten Standard, drei Seiten Presse, drei Seiten Kurier, vier Seiten Kleine Zeitung, eine Seite 3 in den Salzburger Nachrichten, sie alle kommen ohne den zartesten Hinweis aus, dass die Krone nicht nur ein Hort der Liebe des Herausgebers, sondern auch ganz banal ein wirtschaftlicher Konkurrent ist, im Fall des Kurier noch dazu einer, mit dem es erhebliche wirtschaftliche Verflechtungen gibt. Hätte man das tun sollen? Versuchen wir eine Gegenprobe: Würden wir in irgendeiner Zeitung dieser Welt eine von Bill Gates verfasste Würdigung Steve Jobs lesen können, ohne Hinweis darauf, dass Microsoft und Apple Mitbewerber sind?
Vielleicht verzichten aber Österreichs Medien nur auf diesen Hinweis, weil sie mit jener wissenden, „reifen Öffentlichkeit“ rechnet, die Presse-Chefredakteur Michael Fleischhacker eine Woche nach der medialen Trauerfeier in seinem Leitartikel apostrophierte (in dem er sich weniger über Dichand, als über dessen Starkolumnisten Christoph Schönborn alterierte).
Diese Öffentlichkeit ist dann sicher auch reif genug, um die eventuell nicht ganz gewollte Ironie in der Dichand-Würdigung durch Österreich richtig genießen zu können: „ … Er selbst lebte bis zuletzt bescheiden, besitzt ein  Anwesen am Attersee und ein Haus auf Sardinien …“ Und seine Krone-Anteile seien zuletzt auch nur mehr 200 Millionen Euro wert gewesen.
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