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Sozialbegleitung: Begegnungen auf Augenhöhe
Donnerstag, 10. Juni 2010
Seit bald zwei Jahrzehnten engagiert sich der Verein „pro humanis“ erfolgreich in der Sozialbegleitung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Beeinträchtigungen. KORSO sprach mit ehrenamtlichen HelferInnen und ihren KlientInnen. Gottfried K. hat eine Lehre in einem technischen Beruf absolviert, er kommt aber ursprünglich „aus der Landwirtschaft“, wie er selbst sagt. Dann packt ihn der Hunger nach Bildung: „Ich hab’ mich für den Besuch der Abendschule entschieden und wollte die Matura nachmachen.“ Dann lief einiges schief; es gab Probleme mit einem Professor, „ich hab’ mich in Krankheitsvorstellungen hineingesteigert – Hypochondrie, wie man so schön sagt.“ Der Schulabbruch folgte zwangsläufig, „um 2000 ging’s mir dann sehr schlecht, die Ärzte disgnostizierten schizophrene Persönlichkeitsstörungen, ich musste ins LSF.“ Sozial immer isolierter fand er eine Kompensation im Internet: „Ich hab nächtelang gechattet.“ Irgendwann stolperte er dann über einen Zeitungsartikel, in dem von der Institution der Sozialbegleitung die Rede war, „da hab ich mich gemeldet.“ Die ersten Kontakte „waren aber nicht so toll.“

Etwas Sinnvolles tun.
Bis er auf Josef Rath traf, Pensionist, wie K. aus landwirtschaftlichem Milieu stammend, aber lange Jahre als Fabrikarbeiter beschäftigt. „Ich habe schon während meiner beruflichen Tätigkeit alle Arten von psychischen Grauslichkeiten kennengelernt, und immer wieder haben sich Kollegen an mich um Hilfe in schwierigen Lagen gewandt“, erzählt er. Dann wurde er in fortgeschrittenem Alter noch arbeitslos – „da habe ich vor fünf Jahren die Grundschulung für Sozialbegleiter bei ,pro humanis‘ absolviert, weil ich etwas Sinnvolles tun wollte.“
Der Kontakt zwischen Gottfried und Josef entwickelte sich äußerst positiv – „wir konnten uns auf Augenhöhe unterhalten.“ Der Sozialbegleiter machte Vorschläge für gemeinsame Aktivitäten, Theater- und Musicalbesuche wurden unternommen, auch eine Fahrt nach Wien. Und Gottfried K. konnte an einem von pro mente angebotenen Arbeitstraining teilnehmen, bei dem er Akten des Landesarchivs restaurierte. Seit Herbst 2009 besucht er wieder die Abend-HAK – „unlängst ist er in der Schule mit einer tollen Präsentation vor 100 Leuten aufgetreten“, freut sich Rath. Er hat eine Freundin in Wien, die er regelmäßig besucht. Und er arbeitet zumindest ein paar Stunden in der Woche als Aushilfe im EDV-Bereich.

Professionalisierung ehrenamtlicher Tätigkeit.
„Gar nicht so viel anders“ sei es bei ihr gelaufen, erzählt Michaela Sch., die Gottfrieds Geschichte aufmerksam verfolgt hat. Die ausgebildete Kindergartenpädagogin begann ein Studium, 1995 traten erstmals Panikattacken auf. Sie gab die Ausbildung auf, arbeitete im Kundendienst eines Versandunternehmens, dann ging eine Beziehung auseinander – „da war ich dann auch nicht mehr fähig zu arbeiten.“ 1999 wurde sie frühpensioniert. „Damals konnte ich nicht einmal in einen Bus einsteigen“, erzählt sie. 2005 suchte sie um eine Sozialbegleitung an, 2006 traf sie zum ersten Mal ihre Sozialbegleiterin Karin Paul. Diese hatte sich zunächst in einem raueren Feld als ehrenamtliche Helferin versucht: „Ich habe im Vinzidorf angefangen, aber ich hab’ bald gemerkt, dass ich das emotional nicht verkrafte.“ Auch sie absolvierte dann die 55 Stunden umfassende Grundschulung bei „pro humanis“, „diese Professionalisierung ehrenamtlicher Tätigkeit finde ich sehr wichtig.“ „Auch Fortbildungen werden angeboten“, ergänzt Rath – „wir lernen nie aus.“ Zur erwähnten Professionalisierung zählt auch ein Supervisionsangebot, das in Anspruch genommen werden kann, wenn der/die SozialbegleiterIn einmal nicht weiter weiß. Und es gibt klare Regelungen: Die Begleitung (das Wort „Betreuung“ ist hier verpönt) soll nicht mehr als eineinhalb bis zwei Stunden in der Woche umfassen und nach dem 1:1-Schlüssel erfolgen – auf jede/n BegleiterIn kommt nur ein/e KlientIn.

Mit DJ Ötzi auf der Bühne.
Im Kontakt mit Paul – „zunächst sind wir irrsinnig viel miteinander spazieren gegangen – hat auch Michaela Sch. in den letzten Jahren ihre Lebensfreude wiedergewonnen – sie sprüht vor Aktivitäten: Sie arbeitet in einer Pfarre mit, trägt das Pfarrblatt aus und wirkt im Singkreis mit; sie fährt wieder mit dem Rad und mit dem Auto, führt ihren eigenen Haushalt und den ihres Freundes – und vor kurzem ist sie als Gewinnerin eines Publikumspreises gemeinsam mit DJ Ötzi vor 10.000 Personen auf der Bühne gestanden, erzählt sie begeistert. Und sie wünscht sich, es gäbe die Möglichkeit einer Teilpension: „Dann könnte ich auch beruflich wieder arbeiten, nach meinen Möglichkeiten.“
| cs

An der Tätigkeit als SozialbegleiterInnen Interessierte wenden sich an: pro humanis, 8020 Graz, Dreihackengasse 1, Tel. 82 77 07, office@prohumanis.at
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