Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
16. - 20. Juni, Klimakongress: „Radikaler Wandel oder Barbarei im Treibhaus“
Donnerstag, 10. Juni 2010
Ein international besetzter Kongress im Forum Stadtpark wird auf die weltweiten ökonomischen und sozialen Begleiterscheinungen des Klimawandels eingehen – und diese auch bei den Alternativen mitdenken. Es referieren und diskutieren 20 ausgewiesene ExpertInnen aus dem In- und Ausland – vom internationalen Vorsitzenden der Friends of the Earth, Nnimmo Bassey, über den Wiener Politologieprofessor Ulrich Brand und den Leiter des Grazer Wegener-Zentrums Gottfried Kirchengast bis zur Journalistin Corinna Milborn – sowohl über neueste Erkenntnisse betreffend die Ursachen des Klimawandels, über „Klimagerechtigkeit“ – die gerechte Aufteilung der Lasten des Klimaschutzes auf Industrie- und Entwicklungsländer, – über die Zusammenhänge zwischen Armut, Hunger, Migration und Ressourcenkriegen auf der einen und dem Klimawandel auf der anderen Seite und last but not least über den Aufbau einer zivilgesellschaftlichen Bewegung, die den derzeitigen Stillstand in der Klimapolitik überwindet.

Neuer Elan aus dem Süden.
„Letzendlich geht es natürlich auch bei der Klimapolitik um Machtgefälle und wie diese überwunden werden können“, unterstreicht auch Josef Obermoser vom Forum Stadtpark, der Initiator des Symposiums. Diesbezüglich seien derzeit zwei Strategien erkennbar: Die eine sieht die Lösung in einer Neugestaltung des Kapitalismus in Richtung „grüner Kapitalismus“ – des so genannten „Green New Deal“. Die andere meint, dass ökologische Probleme prinzipiell nicht mehr unter kapitalistischen Bedingungen lösbar seien – wobei natürlich auch Zwischenpositionen existieren, die den „grünen Kapitalismus“ als notwendige Etappe auf dem Weg zu einer selbstorganisierten ökologischen Gesellschaft sehen.
Neu sei, dass Menschen aus dem Süden als hauptsächlich vom Klimawandel Betroffene auch eine immer stärkere Rolle in den großen, international organisierten NGOs spielen, sagt Obermoser: „Der Eröffnungsredner des Kongresses, Nnimmo Bassey, ist eine gutes Beispiel dafür. Seinen „Friends of the Earth gehört etwa die östererreichische Umweltorganisation ,Global 2000‘ an.“

Emissionshandel:
Zu viele Ausnahmeregelungen. Eine – nicht von allen ExpertInnen positiv bewertete – Möglichkeit, den CO2-Ausstoß in den Industrie-
ländern zu senken, stellt der von der EU eingeführte Handel mit Emissionszertifikaten dar. Die großen Emittenten – thermische Kraftwerke und einschlägige Unternehmen wie die Stahl- oder Zementindustrie – erhalten zunächst gratis, dann zunehmend über Versteigerungen Zertifikate, die sie zum Ausstoß einer bestimmten Menge CO2 berechtigen. Weil die Menge der zugeteilten „Verschmutzungsberechtigungen“ aber sinkt und diese schlussendlich in ihrer Gesamtheit kostenpflichtig werden sollen, besteht ein Anreiz für die Betriebe, CO2-vermeidende Maßnahmen zu setzen.
Die Grazer Ökonomin Birgit Bednar-Friedl wird am Kongress über „Klimaökonomie“ sprechen. Sie sieht – bei einer prinzipiell positiven Haltung gegenüber dem Emissionshandel – viele Detailprobleme, die es noch zu lösen gelte. So gebe es zu viele Ausnahmeregelungen für die Hauptemittenten, die Erstzuteilung von Zertifikaten dürfe nicht mehr gratis erfolgen, und in bestimmten Bereichen reiche der Zertifikatehandel nicht aus, „da müssen politische Entscheidungen gefällt werden“ – zum Beispiel bei Kohlekraftwerken.

Freiwillige Limits für Entwicklungsländer.
Die CO2-Emissionen des Verkehrs, die durch ein Instrument wie den Zertifikatehandel kaum erfassbar sind und die in Österreich viermal so stark gestiegen sind wie im EU-Schnitt, sollten mit einer CO2-Steuer belastet werden, fordert die Mitarbeiterin des Grazer Wegener-Zentrums. Problematisch sei auch der Ersatz von besonders emissionsträchtigen Produktionszweigen durch Importe aus Ländern wie den USA und China, die keinem CO2-Regime unterliegen („zu einer wirklichen Verlagerung von Produktionen durch den Zerifikatehandel ist es ja kaum gekommen“). Hier müssen internationale Abkommen greifen. Und natürlich sei auch das Problem der Entwicklungs- und vor allem der Schwellenländer zu lösen, die zwar pro Kopf um ein Vielfaches weniger Treibhausgase emittieren als die Industriestaaten, aber aufgrund ihrer hohen Bevölkerungszahlen die weltweiten Emissionen ebenfalls entscheidend in die Höhe treiben können. Hier könnte mit „lockeren Limits“ operiert werden: „Wenn die betreffenden Länder weniger emittieren als der Trend erwarten lässt, könnten die erzielten Einsparungen im Rahmen eines internationalen Zertifikate-Handels ,verkauft‘ werden, das brächte Mittel für die technologische Entwicklung“, sagt Bednar-Friedl.

Klimawandel verschärft bestehende Konflikte.
Kristina Dietz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lateinamerika-Institut der FU Berlin, wird am Klimakongress einen Vortrag über Klimapolitik halten. Für sie lässt sich „der Klimawandel in den Ländern des Südens nicht von bestehenden sozialen Konflikten trennen“. Und sie zeigt dies an einem Beispiel: Es lasse sich bereits empirisch nachweisen, dass der Klimawandel für zunehmende Trockenheit im Nordwesten Nicaraguas verantwortlich ist. „Das wirkt sich auf die  landwirtschaftliche Produktion aus. Es gehen aber nicht einfach die Ernten zurück, sondern der Wandel von der bäuerlichen hin zur agrarindustriellen Produktion beschleunigt sich, weil diese sich mit ihren Methoden besser an die veränderten Bedingungen anpassen kann.“
Auf der anderen Seite haben aber auch bestimmte Strategien der Industriestaaten zur Eindämmung des Klimawandels massive Auswirkungen auf die Länder des Südens: Die Produktion von Agro-Sprit (bei uns beschönigend ,Bio-Treibstoff‘ genannt) hat Auswirkungen auf die Ernährungssituation in jenen Ländern, wo die entsprechenden Pflanzen angebaut werden, „durch den massiven Flächenverbrauch wird die Produktion von Grundnahrungsmitteln reduziert.“

| Christian Stenner

Das genaue Programm finden Sie unter www.klimakongress.org. Die Veranstaltungen des Kongresses stehen – bei freiem Eintritt – allen Interessierten offen!
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