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Die Kunst der Interaktion |
Donnerstag, 10. Juni 2010 | |
In der Mitte am Rand lässt die Regionale10 im Bezirk Liezen Publikum und Bevölkerung aktiv an ihren Ausstellungen mitgestalten. Homo ludens und Homo faber kommen in Stift Admont und Schloss Trautenfels in diesem Sommer voll auf ihre Kosten.
Möglicher Skepsis vor einer Beschäftigung mit Werken moderner Kunst begegnet man in Stift Admont mit offensiver Aufforderung: Gezielt wird hier der Gestaltungswille gereizt, müssen BesucherInnen durch Mitspielen, durch Begreifen über ihre Einwirkungen selbst zum Gelingen eines Werkes beitragen, denn erst diese Partizipation führt zu seiner vollen Entfaltung. Spielerisch meint nicht unbedingt unernst, vielmehr forciert die Herangehensweise einen Dialog, ermöglicht jene Fragen an die Gesellschaft, die das Kunstwerk auftut, aktiv mit dem Betrachter zu diskutieren und seine Kreativität in den Wahrnehmungsprozess einzubinden. „Play Admont“, kuratiert von Christine Peters und Michael Braunsteiner, thematisiert damit das Veränderbare, das Wechselhafte. Anfassen ausdrücklich erwünscht. Von hochkomplexen, computergesteuerten Tools bis hin zu einfachen, greifbaren Arbeiten reicht die Bandbreite. Die zweckgewidmeten Räume für Gegenwartskunst werden dabei von den Künstlern überwunden und die Bibliothek sowie die naturhistorische Sammlung ebenso einbezogen wie der Klostergarten. Martin Walde stellt den Besuchern mit „The Web (Spider)“ eine prozessuale, aber auch soziale Skulptur zur Verfügung – ein zartes Netz, das schwarze Spinnenbeine mit der Architektur verknüpft, will weitergewirkt werden. Selbst zum Schöpfer kleiner digitaler Krabbelwesen wird man bei Christa Sommerer und Laurent Mignonneau: Mit einem Blatt Papier, das in eine alte Schreibmaschine eingespannt ist, generiert man digitale Buchstaben, die je nach Kombination entweder von mittels Beamer projizierten Insekten gefressen werden oder umgekehrt diese dezimieren. Umfassenden Körpereinsatz verlangen Erwin Wurm mit auf großen Platten erläuterten Handlungsanweisungen aus der Serie „One Minute Skulptures“ oder Richard Siegal/ The Bakery, der seine Choreografiestunden per Video abhält und die erfolgreichsten Schüler zeitgleich in ein Bewegungsarchiv aufnimmt. Handwerk und Hörwerk. Die Gruppe Robotlab inszeniert gar eine moderne Schreibstube in der Admonter Stiftsbibliothek: Hier ist ein Industrieroboter zugange, der mit handelsüblicher Füllfeder während der Ausstellungszeit Teile des neuen Testaments in feinster Schrift zu Papier bringen wird. Daneben lässt Armin Linke das Publikum wiederum selbst schaffen und sich einen persönlichen Foto-Folder aus dem Bildarchiv des Künstlers ausdrucken. Absolut hörenswert sind die Kurzgeschichten von Tim Etchells, angeregt durch die historische Sammlungspräsentation im Naturkundemuseum – wenn das Warzenschwein neben dem Löwen keine Ruhe findet –, oder Hans Winklers „Handbuch für Wilderer“ am Hochsitz im Klostergarten. Trautenfels und Umgebung im Vergrößerungsglas. Auch im Landschaftsmuseum Trautenfels trifft man diesen Sommer auf explizit Zeitgenössisches. In einem weit verzweigten Projekt versucht man hier dem Geist der Region gerecht zu werden. Und einer Idee vom Museum als lebendigem Laboratorium. Der Künstler erscheint als schaffender Mensch auf einer Vor-Ort-Baustelle, der seine Werke erst aufspüren muss und dabei den Kontakt mit der Bevölkerung nicht scheut. Kuratiert von Adam Budak, haben sechs Künstler den obersteirischen Eigensinn ergründet – in der Landschaft, in der Architektur, in den Köpfen der Menschen. Parallel dazu entstand ein kulturwissenschaftliches Archiv menschlicher Sturheiten, das sich ebenfalls in einem ausgeprägten Schaffensdrang äußert: im perfekten Blumengarten, in der eigenen Werkstatt, im selbst gebauten Einfamilienhaus. Bei diesem „Dilemma des Eigenheims“ setzt auch Franz Kapfers Arbeit an, der mit „Sieh dich für“ einen weithin warnenden Schriftzug vor das Schloss setzt und in der Ausstellung dem Lebensbaum Thuje als ländlichem Schutzwall vor dem Privathaus huldigt. Auch in „My home is my castle“ will man sich schließlich vor ungebetenen Blicken schützen. Das Duo L/B versucht mit „Beautiful Steps“ ein Spiel mit der markanten Schlossarchitektur: Der Turm bekommt einen weißen Ring als Umgang, der sich wie ein Parasit an die Außenmauer klammert, der Marmorsaal eine schwebende Treppe gen Himmelszelt, um den Göttern das Herabsteigen zu erleichtern. Kunst und Kreisverkehr. Katerina Šedá setzt ihre Kunst als Werkzeug ein, um Veränderungen einzufangen: Vor dem Problem eines geplanten Kreisverkehrs hat sie rund 200 BewohnerInnen mit verbundenen Augen zeichnen lassen, wie ihnen diese Verkehrslösung vorschwebt. Mit dem thronenden Grimming als steirischem Olymp oder der „Verherrlichung“ des Schafes am Ennstaler Schafbauerntag entdeckte die griechische Künstlerin Maria Papadimitriou zahlreiche Analogien zu ihrer Heimat, eine Verbindung, die sie in einem griechischen Altar mit Steinen vom Grimming festigte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Christian Philipp Müller sein regionales Material bereits mobilisiert. „Lodenfüssler“ heißt seine Wanderskulptur, die als „Wetterfleck“ für 20 freiwillige Feuerwehrmänner am Stück vom Lodenwerk in der Ramsau eine Marathonlänge per pedes bis nach Trautenfels zurückzulegen hatte. Der Marsch ist als Video in der Ausstellung zu erleben. Nach dem prozessualen Schaffen kann es nun also ans Erkunden und Ausprobieren gehen – und das sei Ihnen hiermit an beiden Orten wärmstens empfohlen: Der Schaffende Mensch, Welten des Eigensinns, bis 31. Oktober auf Schloss Trautenfeld und PLAY ADMONT, bis 07. November im Benediktinerstift Admont. | Eva Pichler
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