Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Drei Tage aktuelle Kunst
Sonntag, 16. Mai 2010
Von 16. bis 18. April konnte die Grazer Galerienszene mit einem umfangreichen Programm aufwarten. Vom Atelier Contemporary bis zur Werkstatt Graz waren 24 Veranstaltungsorte mit insgesamt 27 Ausstellungen bei den heurigen Galerientagen vertreten, um bei freiem Eintritt und mit ausgedehnten Öffnungszeiten sowie zahlreichen Eröffnungshighlights die aktuelle Kunst in Graz in Szene zu setzen. Medienkritische Kunstaussichten. Michael Goldgruber und Andreas Heller nahmen in der von ihnen kuratierten Gruppenschau „above and beyond“ die BetrachterInnen an der Hand und führten zu den interessantesten Aussichtspunkten junger Panorama-Kunst. Im Hauptraum des Forum Stadtpark reihten sie gekonnt 13 internationale Ansichten unterschiedlichster Medien, die sich alle rund um das inszenierte Ausschauhalten als kulturhistorisches Phänomen menschlichen Freizeitverhaltens formierten. Es ist das Regime des Blicks, das Diktat von Point-of-View-Architekturen, die Regieanweisung in der Fernsehübertragung, die uns mitunter authentisches Erfahren der umgebenden Landschaft vorgaukeln. Ein Erlebnis, das wie so vieles den Wandel zum Konsumgut bereits längst durchlaufen hat. In diesem Zusammenhang hervorzuheben: Daniel Zimmermanns Lauberhornrennen im Sommer.

Akustische Raumansichten. Im ESC im Labor bewegte sich Christine Clara Oppel mit „Mindspace“ zwischen realem und illusionärem Klangbild. Wie in den Raum implantiert, ergibt sich mit ihrer Installation ein flächiger Klangteppich, den es für die BesucherInnen zu durchschreiten gilt. Ein Resonanzkörper der spezifischen Klangereignisse, die Christine Clara Oppel aus natürlichen Geräuschen am Computer modifiziert und neu zusammenstellt. Wie in unberechenbaren Wellenschlägen aktiviert die Komposition dabei die einzelnen Lautsprecher, um die physische Ausstellungsumgebung zu erweitern und ihre Umrisse verschwimmen zu lassen.

Universen ungewohnter Wahrnehmung. Bei Eugen Lendl ist es Manfred Erjautz, der sich in einer Einzelausstellung mit dem Titel „Effigies and Refuges“ mit Grenzen beschäftigte – zwischen realer und fiktiver Ebene. Wie in einem Zwischenstadium sind seine Objekte in einer Welt platziert, die der Besucher erst langsam abtasten muss. Banales Schmiedeeisen, Lego oder Textilaufnäher fungieren als Material dieser Schöpfungsgeschichte eines ungewohnten Paralleluniversums, das poetisch vereinnahmt und den Betrachter als Fremdkörper letztlich wieder ausspuckt (noch bis 29. Mai).
Als „Animierte Leere“ tritt Gustav Trogers künstlerischer Kosmos an die Öffentlichkeit. Das Atelier Contemporary in der Griesgasse gibt dem Meister der Vorspiegelung Szepter und Räumlichkeiten in die Hand und präsentiert Spiegelobjekte und Spiegelbilder. Wohin das Auge auch seinen Blick tut, wird es zurückgeworfen. Bis 16.05. ist der Mirror-Displacements-Werkprozess noch zu bewundern.
Die Galerie Schafschetzy zeigt noch bis 22. Mai Alltagsszenen und Paraphrasen auf berühmte Werke aus der Kunstgeschichte von Klaus Ludwig Kerstinger, der mit seinen Neuinterpretationen vor allem das städtische Gewimmel berühmter Straßenszenen in heutigen Zusammenhängen inszeniert und dabei auch inhaltliche Umdeutungen und Brüche provoziert.

Mit dem bloßen Auge. Wer schließlich auch der Galerie Centrum einen Besuch abstattete, durfte einen Blick in das ungewöhnliche Archiv der Sammlung „Schauwerk“ werfen. „Es gibt keinen Ort, wo Kunst berührt, oder durch eine Aktion, eine Bewegung, einen (Ein-)Griff mit den eigenen Händen neu wahrgenommen werden kann“, so lautete die Feststellung von Künstler und Initiator René Schmalz. Wider diese Eindimensionalität der Kunstbetrachtung treffen nun seit vier Jahren Pakete in der Schweizer Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden in Trogen ein, die die Verwaltung dieses ansehnlichen Wunderkisten-Archivs übernommen hat. Mittels Online-Katalog kann sich der/die BenutzerIn vor Ort eine sog. „Blackbox“ aus der Sammlung ausheben lassen und hat die Möglichkeit, den Inhalt selbsttätig zu erforschen. Hin und wieder geht die Sammlung auch auf Reisen zu ausgewählten Ausstellungen – und kommt zum Beispiel nach Graz, wo künstlerische Entdeckungsreisen in 25 verschiedenen Koffern, Schachteln und Schatullen möglich sind, die von kleinen Kostbarkeiten bis zu riesigen aufblasbaren Skulpturen unterschiedlichste Inhalte bieten. Hier hat der Respektabstand vor der „heiligen“ Kunst mit einem Mal alle seine Meter eingebüßt und erlaubt ganz im Stillen eine fast kindliche Freude.

| Eva Pichler
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >