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Im Fluss der Zeit |
Sonntag, 16. Mai 2010 | |
An Standort, Perspektive, Aufnahmewinkel so gut es ging angenähert, sind es Fotografien desselben Ortes. Und doch liegen 120 Jahre zwischen den Bildpaaren.
Es war Ende des 19. Jahrhunderts, dass Raimund Baron Stillfried im kaiserlichen Auftrag eine fotografische Dokumentation der Kronländer erstellen sollte. Seine Arbeiten über Bosnien und die Herzegowina hat Max Aufischer Ende des 20. bzw. Anfang des 21. Jahrhunderts für sich entdeckt und all die Orte noch einmal aufgesucht. Sein Anliegen, jene Plätze, Brücken und Gebäude aus heutiger Sicht zu fotografieren, vor denen Stillfried einst sein Stativ aufbaute. Zuneigung und Zufall. Max Aufischer bindet an dieses für die meisten doch „exotische Land“ seit langem eine persönliche Zuneigung, die schwer in Worte zu fassen ist. Zahlreiche Kultur-Kooperationsprojekte im Beruflichen taten ihr Übriges, sodass über die Jahre viele Kontakte und persönliche Erfahrungen gesammelt werden konnten. 50 verschiedene Ansichten aus den unterschiedlichsten Gegenden Bosniens und der Herzegowina befinden sich in der Mappe Stillfrieds – „und es war nicht immer einfach an die Orte heranzukommen“, erklärt Aufischer sein Langzeitprojekt, das zu Beginn ein Bild des Krieges und erst später ein Bild des Landes zeichnet. Seine Vorarbeiten begannen bereits 1994, wobei das Gelingen vor Ort maßgeblich von der Unterstützung der Einheimischen abhing, wenn es darum ging, längst vergessene Plätze aufzuspüren. Aus der einfachen Gegenüberstellung wurde so „eine Beziehung zu Ort, Zeit und Raum, die mich immer wieder völlig in ihren Bann zog“, so Aufischer. Es ist auch keine strikt automatisierte Revisited-Arbeit geworden – denn oft ergeben sich zu einer Fotografie Stillfrieds zwei bis vier heutige Motive. Dann verwischt die teils bewegte Erinnerung durch die neuen Fotos, die für Direktor Otto Hochreiter, „etwas unschuldig Gegenwärtiges haben, die einfach sagen: so ist es heute.“ Zeit als Veränderlichkeit und Vergänglichkeit. Und ist es nicht die zuverlässigste Methode, diesen Fluss der Zeit wahrzunehmen, daran, was er den Dingen, den Orten, den Architekturen tut – jenes Wirken zu zeigen, das er vollbringt? Die Schriftstellerin Dragana Tomašević hat zu Bildern und Orten Passagen aus der Literatur zusammengestellt, so dass auch die großen Schriftsteller dieser Sprache ihre Bilder beisteuern. Wenn die Veränderungen auf den ersten Blick tief greifend anmuten, schimmert doch das Dauerhafte durch, das sich in der Natur, an Bauten, Strukturen oder oft nur kleinen Details manifestiert. Die Bewertung der Bilder liegt am Ende bei dem/r BetrachterIn, der/die eine Prüfung der persönlichen Erinnerung anstellt. So hat sich jenes Bild der berühmten Brücke in Mostar so tief eingegraben, dass mit ihrer Absenz auch der Ort scheinbar verloren geht. Wie die Idee vom unerreichten Atlantis als Ideal, ist auch die konkrete Stadt im Zeitfluss ein Bild, das bei jeder versuchten Annäherung schon wieder zu verschwimmen beginnt. „Auf der Suche nach Atlantis – Bosnien und Herzegowina 1888 – 2008“ bis 24. Mai im Stadtmuseum Graz. | Eva Pichler
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