…und Freude daran haben“ In der zweiten Folge unserer Serie ausführlicher Gespräche mit den SpitzenkandidatInnen für die steirische Landtagswahl bringen wir ein Interview mit Claudia Klimt-Weithaler, Klubobfrau und Listenerste der KPÖ. Das Gespräch führte Christian Stenner.
Warum soll man bei den kommenden Landtagswahlen eigentlich KPÖ wählen? Und: Wer hätte etwas davon, wenn er/sie KPÖ wählt? Das ist schnell und einfach beantwortet: Weil wir gezeigt haben, dass wir in den viereinhalb Jahren, die wir nun im Landtag sind, gute und sinnvolle Arbeit geleistet haben. Etwa in der Sozialpolitik, wir haben entscheidende Änderungen am Sozialhilfegesetz erreicht – ohne uns gäbe es etwa nach wie vor den Regress.
Diesen Erfolg heften sich auch die Grünen auf die Fahnen. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass die Grünen in diesem Fall an unserer Seite gekämpft haben. Aber, ein weiteres Beispiel aus dem Sozialhilfegesetz: Es ist der KPÖ zu verdanken, dass die Entscheidungsfristen verkürzt wurden. Wenn wir nicht im Landtag wären, würde ihm jedenfalls das soziale Gewissen fehlen. Ganz wichtig ist uns auch die Gleichstellung von Frauen und Männern, auch da haben wir Erfolge erreicht: Zum Beispiel darf die Wirtschaftsförderung des Landes nur mehr an Betriebe ausgezahlt werden, die gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit bezahlen. Also, um auf die zweite Frage zurückzukommen: Wer eine gute Sozialpolitik in der Steiermark haben will, muss uns wählen. Und: Da ich die einzige weibliche Spitzenkandidatin bin, sehe ich mich als besondere Alternative für Frauen. Als berufstätige Frau und Mutter, die gleichzeitig politisch tätig ist, weiß ich sehr gut, wie schwierig es ist, alles unter einen Hut zu bringen.
Wenn Sie sagen, dass es der KPÖ zu verdanken ist, dass es Verbesserungen im Sozialhilfegesetz gibt, und dass Ihre Partei das soziale Gewissen im Landtag ist, dann geht das eigentlich nicht über klassisch sozialdemokratische Aufgabenstellungen hinaus. Nun hat die KPÖ aber von ihrer Programmatik her den Anspruch, den Kapitalismus abzuschaffen. Hat man sich in Wirklichkeit ohnehin schon davon verabschiedet oder redet man bloß nicht drüber, weil das im Wahlkampf schaden könnte? Nein, ich denke, wir haben ganz klare gesellschaftliche Vorstellungen und werden die auch nicht aufgeben. Tatsache ist aber auch, dass wir als derzeit drittstärkste Fraktion im Landtag die Mittel nützen müssen, die uns dort geboten werden; etwas anderes steht ja derzeit auch nicht zur Debatte. Was den Unterschied zur SPÖ betrifft: Ich habe im Vorfeld der letzten Landtagswahlen von der Sozialdemokratie einiges gehört, das ich unterschreiben hätte können, von der Steiermark-Holding bis zum Lehrlings-Fonds. Als dann das Wahlergebnis feststand – ein SPÖ-Landeshauptmann, vier KPÖ- und drei grüne Abgeordnete – gab es die Hoffnung auf eine sichtbare Änderung der Landespolitik. Aber was ist passiert? Eigentlich kaum etwas anderes als vorher in 60 Jahren unter schwarzer Mehrheit. Der Unterschied zur Sozialdemokratie ist also, dass wir auch nach den Wahlen bei unseren Positionen bleiben.
Worauf führen Sie das zurück? Da geht es um den Machterhalt. Die SPÖ sucht halt lieber den großen Kompromiss mit der ÖVP – das hat man ja in verschiedensten Situationen erlebt. Zum Beispiel in der Kindergartenfrage: Mit uns hätten die Sozialdemokraten auch die Gratis-Kinderkrippe einführen können, die sie selbst gefordert haben, da hätte es eine Mehrheit gegeben. Als sie aber gemerkt haben, dass die ÖVP nicht zustimmt, sind sie sofort zurückgerudert.
Man kann davon ausgehen, dass die FPÖ wieder im nächsten Landtag vertreten sein wird. Wie wird sich das Ihrer Meinung nach auf die Landespolitik auswirken, wie wird die KPÖ darauf reagieren? Viel wird davon abhängen, wie die ÖVP reagiert, ob sie gemeinsam mit der FPÖ Politik machen will oder ob sie sie rechts liegen lässt.
Auch Franz Voves hat Übereinkünfte mit der FPÖ nicht ausgeschlossen. Ja, das zeigt er ja auch anhand von Themen wie dem Bettelverbot. Das ist auch so eine Machterhaltsgeschichte nach dem Motto: Hauptsache, ich bleibe Landeshauptmann.
Was ist die Position der KPÖ zu diesem Thema? Wir haben uns klar gegen jegliche Art von Verbot ausgesprochen, sowohl gegen ein generelles als auch gegen ein sektorielles, auch deswegen, weil wir wissen, dass damit das Problem ja nicht gelöst ist. Ich habe im Vorfeld zu der Landtagssitzung, wo darüber debattiert wurde, genau recherchiert: Überall dort, wo es ein Bettelverbot gibt, auch in bestimmten deutschen Städten, musste man erkennen, dass sich damit nichts ändert. Es ist auch nicht wirklich exekutierbar. Wird ein Bettler erwischt, muss er Strafe zahlen; das kann er natürlich nicht, weil er kein Geld hat – sonst würde er ja nicht betteln. Irgendwann muss er dann eine Ersatzhaftstrafe antreten – kann es unser Ziel sein, Bettlerinnen und Bettler einzusperren?
Das Wiedererstarken der FPÖ hängt zweifellos auch damit zusammen, dass die Menschen in der Krise dazu neigen, mangels Wissen über die wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge die altvertrauten Sündenböcke für die Misere verantwortlich zu machen. Warum werden die kritischen Stimmen weniger vernommen als die Hetzer? Ich habe eher den Eindruck, dass sich die Menschen in Krisenzeiten zu den Großen hingezogen fühlen, nach dem Muster: „Mutter, jetzt brauch‘ ich Schutz, jetzt brauch‘ ich Betreuung“. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Krise für den Großteil der Bevölkerung noch nicht wirklich spürbar ist. Das wird sich aber leider ändern, und dann, glaube ich, werden die Menschen auch wieder den kritischen Stimmen zuhören. Das hat man ja jetzt auch bei den Gemeinderatswahlen gesehen, die KPÖ hat jedenfalls nirgendwo ein Mandat verloren. Das heißt, dass die Menschen unsere Arbeit und unsere Positionen honorieren.
Auf die öffentliche Hand, auch auf die Länder, kommen jetzt nach dem Willen der EU und der Koalitionsparteien, aber auch der rechten Opposition, gewaltige Sparpakete zu, die, nebenbei gesagt, die beginnende Konjunktur nach Meinung vieler Ökonomen wieder abwürgen werden. Wie wird sich die KPÖ da verhalten? Auffallend ist, dass da immer nur davon geredet wird, dass man ausgabenseitig sparen muss, dass „wir alle den Gürtel enger schnallen müssen.“ Dabei wurde aber nie an die Politik selbst gedacht.
Doch, der Landeshauptmann hat jetzt eine Verkleinerung des Landtages vorgeschlagen. Genau die würde aber das Kraut nicht fett machen und ich halte sie auch demokratiepolitisch für sehr bedenklich. Die von uns vorgeschlagene deutliche Reduktion der Politikergehälter, die wesentlich mehr bringen würde, wurde aber immer von allen anderen Parteien abgelehnt, ebenso wie unsere Vorschläge, auch auf die Einnahmenseite zu schauen. Auf Landesebene haben wir zum Beispiel eine höhere Besteuerung der Spielautomaten und die Nahverkehrsabgabe vorgeschlagen, auf Bundesebene eine Reichensteuer. Wir wollen nicht bei den Ausgaben anfangen zu sparen, deren Einschränkung den Großteil der Bevölkerung trifft, sondern wir wollen umgekehrt dort Einnahmen lukrieren, wo viel Geld vorhanden ist. Es darf doch wohl nicht wahr sein, dass Österreich das siebentreichste Land weltweit ist und trotzdem bei uns in der Steiermark 12% der Menschen armutsgefährdet sind. Wenn es eine echte Umverteilung gäbe, dann müssten wir jetzt nicht nach Einsparungspotenzial suchen. Natürlich muss man sich auch die Pflichtausgaben ansehen, manche Dinge ändern sich ja auch im Lauf der Zeit. Aber zuerst einen Gratiskindergarten mit der richtigen Begründung einzuführen, dass er bildungspolitisch wichtig ist, um dann festzustellen, dass man sparen muss und ihn mit dieser Begründung wieder abzuschaffen – also, so geht das nicht. Da braucht es schon ein Gesamtkonzept.
Im Zuge der angekündigten radikalen Einsparungen werden wahrscheinlich auch die noch vorhandenen Beteiligungen der öffentlichen Hand zur Disposition stehen. Wir waren immer gegen einen Verkauf des öffentlichen Eigentums und diese Linie werden wir auch weiterhin verfolgen. Gerade jetzt in Zeiten der Krise bieten Unternehmen im öffentlichen Eigentum die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist jedenfalls sinnvoller als bestimmte private Investoren mit Förderungen zu ködern, die dann, wenn ihnen die Rahmenbedingungen nicht mehr passen, die Produktion wieder einstellen oder in ein anderes Land verlagern, aber dennoch keinen Cent an Förderungen zurückzahlen müssen.
Ihre Wahlkampfthemen sind Sozialpolitik und Arbeit. Ja, und das werden auch weiterhin unsere Schwerpunkte sein, auch nach den Wahlen. Die Einführung eines Mindestlohns von 10 Euro brutto in der Stunde bzw. 1600 Euro brutto monatlich und die Arbeitszeitverkürzung sind zwei Forderungen, die wir immer wieder nennen. Und wir wollen aufzeigen, dass genug Geld da ist, um Arbeitsplätze zu schaffen, von denen die Menschen leben können; da gehört die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich natürlich dazu. Dazu gehört aber auch ein Zurückdrängen der Leiharbeit.
Der aktuelle leichte Rückgang der Arbeitslosenzahlen wird aber vor allem auf einen Anstieg der Leiharbeitsverhältnisse zurückgeführt. Ja, aber das ist ein massives Problem, weil es sich ja um prekäre Beschäftigungsverhältnisse handelt. Wenn man mit den Betroffenen redet, versteht man, warum das für sie ein Problem ist. Sie wissen heute nicht, ob sie nicht vielleicht übermorgen schon ganz wo anders eingesetzt werden. Damit wird jede Lebensplanung unmöglich. Ich will aber, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können und auch Freude daran haben. Noch ein Wort zur Umverteilung: Mittlerweile wird in zig Studien nachgewiesen, dass die Menschen überall dort, wo die sozialen Unterschiede nicht so groß sind, glücklicher, zufriedener und auch gesünder leben als dort, wo die Einkommensschere weit auseinander geht.
Sie haben sich aber gegen die Mindestsicherung quergelegt – das ist doch auch eine Umverteilungsmaßnahme, wenn auch eine bescheidene. Ich bin für eine Mindestsicherung, die diesen Namen auch verdient. Mit der jetzigen Gesetzesvorlage habe ich Probleme, darum hat die KPÖ dagegen gestimmt. Das Problem ist, dass die Mindestsicherung für viele BezieherInnen geringer ausfällt als die alte Sozialhilfe. Wir haben zum Beispiel ausgerechnet, dass eine allein erziehende Mutter mit zwei Kindern, die 490,-- Euro in einem Halbtagsjob als Aufräumerin verdient, 233 Euro Alimente bekommt und 542 Euro Miete bezahlt, gegenüber der jetzigen Sozialhilfe und Wohnbeihilfe 111 Euro verlieren würde – jetzt bekommt sie 397 Euro Sozialhilfe, dann bekäme sie 286 Euro Mindestsicherung..
Es gibt doch ein Verschlechterungsverbot? Das gibt es, aber es müsste in der Gesetzesvorlage des Landes berücksichtigt sein, und das ist nicht der Fall. Inzwischen sind die Caritas und die Kinder- und Jugendanwältin in ihren Stellungnahmen zur gleichen Ansicht gekommen wie wir: Achtung, es wird schlechter. In einem Punkt würde die Mindestsicherung zweifellos eine Verbesserung bringen, nämlich durch die Krankenversicherung, die man damit automatisch erwirbt. Aber wenn die Menschen für ihre Verhältnisse so viel Geld verlieren, dann wird es ihnen wahrscheinlich auch in Hinkunft lieber sein, sich den Sozialhilfe-Krankenschein zu holen.
Welches Wahlziel setzen Sie sich? Und: Streben Sie – wie die Grünen – einen Sitz in der Landesregierung an? Unser Wahlziel ist der Wiedereinzug in Klubstärke, das heißt, wir müssen zumindest zwei sein, weil ein einzelner Abgeordneter nur sehr wenige Mitwirkungsmöglichkeiten hat. Wir werden natürlich unsere derzeitigen vier Sitze mit Händen und Füßen verteidigen. Aber es ist klar, dass die Situation 2005 eine andere war. Mitregieren ist kein Ziel, das wäre überheblich.
Wenn Sie Ihr Wahlziel erreichen, werden Sie wieder an der Wahl des Landeshauptmannes teilnehmen müssen, es könnte sogar eintreten, dass die KPÖ das Zünglein an der Waage ist. Was werden Sie dann tun? Das hängt natürlich in erster Linie davon ab, wer dann zur Wahl steht. Vor viereinhalb Jahren haben wir Franz Voves gewählt, weil er betonte, zu seinem Wahlprogramm zu stehen, dem wir ja einiges abgewinnen konnten. Jetzt würde ich ihn nicht mehr wählen, weil er in den vergangenen vierienhalb Jahren trotz der günstigen Mehrheiten im Landtag nichts weitergebracht hat. Ich kann mir aber ebensowenig vorstellen, Hermann Schützenhöfer zu wählen.
Claudia Klimt-Weithaler, geboren 1971 in Fohnsdorf, ist ausgebildete Kindergartenpädagogin. Nach verschiedenen Anstellungen in Kinder- und Jugendorganisationen und Frauenprojekten baute sie 2003 eine Kinderkrippe auf und ist Geschäftsführerin dieser Einrichtung. Die zweifache Mutter zog 2005 für die KPÖ in den Landtag ein, seit Februar 2010 ist sie Klubobfrau.
» 1 Kommentar
1Kommentar am Dienstag, 18. Mai 2010 19:08
Da kann ich Frau Klimt-Weithaler und ihrer politischen Analyse nur zustimmen. Wenn die Mindestsicherung einen \\\"Sozialabbau durch die Hintertür bedeutet\\\" so ist es erstens richtig und wichtig die Bevölkerung über das bevorstehende Gesamtpaket zu informieren und zweitens keine Zustimmung zur Gesetzesvorlage vorzunehmen. Wenn die Mindestsicherung in der derzeitigen Fassung beschlossen werden würde, so ist anzunhmen, dass wir in Österreich \\\"Hartz IV\\\" ähnliche Sozialpolitik mit all ihren Folgen hätten. Das würde die Bildung eines Niedriglohnsektors - den wir ohnehin schon haben - in unserem Land eher beschleunigen als dämpfen. Viele Leute wären auf zusätzliche Unterstützung seitens der Länder und Kommunen als existenzsichernd angewiesen, weil sie mit dem erworbenem Lohn nicht über die Runden kommen. Ergo Mindestlohn sichert Arbeitsplätze und stabilisiert auch den Euro. lg karl
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