Gewaltige Konzentrationsprozesse und die Gier nach immer mehr Marktanteilen bedrohen heute die Sortenvielfalt vieler Kulturpflanzen und geben Anlass zu größter Besorgnis: Noch vor 25 Jahren gab es weltweit über 7000 Saatgut-Unternehmen, von denen keines einen Marktanteil von über einem Prozent hatte. Heute beherrschen die zehn größten Agrokonzerne, wie Monsanto und DuPont mehr als die Hälfte des weltweiten Angebotes an Saatgut.
Auf der alternativen Saatguttagung „Zukunft säen – Vielfalt ernten. Let’s liberate diversity!“ trafen sich im Grazer Volkshaus im März zahlreiche Bio-Landwirte und Experten aus vielen Teilen der Erde. Europäische Saatgutinitiativen aus zehn Ländern haben Gegenvorschläge ausgearbeitet und das diesjährige Treffen fand hier statt, weil eine stärkere Zusammenarbeit mit den ost- und südeuropäischen Ländern angestrebt wird. In den Sitzungen wurden wirksame Strategien gegen die Verengung der Vielfalt sowie den Verlust der uralten Sorten diskutiert und auf einem Markt im Volksgarten wurde der rege Austausch von Saaten in der Praxis betrieben.
Bedrohung der bäuerlichen Sorten. Ganz konkret äußert sich die Gefahr für die Artenvielfalt in einer sich abzeichnenden gesetzlichen Änderung: Die EU will noch im heurigen Jahr ein europaweit einheitliches Saatgutrecht verabschieden, das zur Folge haben könnte, dass in Zukunft auf dem Saatgutmarkt ausschließlich industrielle Sorten verfügbar sein werden. Regionale und bäuerliche Sorten könnten dann bald nur noch in Museen und Schaugärten zu finden sein, befürchten viele Landwirte auch in den Schwellenländern, wo die Agrokonzerne massiven Druck auf Politik und Bauern ausüben, um den gesamten Markt unter ihre Kontrolle zu bekommen. Mit Ana de Ita, der Leiterin von CECCAM (Centro de Estudios para el Cambio en el Campo Mexicano – Studienzentrum für den Wandel am mexikanischen Land), die bei der Tagung in Graz zu Gast war, sprach Josef Schiffer für KORSO über die konkrete Situation in Mexiko. Sie ist seit vielen Jahren aktiv in der nationalen und internationalen Antigenmais- und Biodiversitätsbewegung und versucht mit ihrer Arbeit die indigenen Lebens- und Bewirtschaftungsformen in den ländlichen Regionen Mexikos lebendig zu erhalten. Wie stellt sich derzeit die Situation heute in Mexiko dar, insbesondere nach den enormen Preissteigerungen bei Lebensmitteln in den vergangenen Jahren? Maismehl zur Herstellung von Tortillas ist nach wie vor die klassische Hauptnahrungsquelle für die große Mehrzahl der MexikanerInnen. Die Höchststände der Preise sind seit 2008 zwar wieder etwas zurückgegangen, aber nach wie vor sehr hoch. Das hat auch damit zu tun, dass der Markt für die urbane Bevölkerung in Form eines klassischen Oligopols von nur wenigen Konzernen kontrolliert wird: Der US-Riese Cargill beherrscht rund 50 Prozent des Absatzes, während der Rest von den beiden großen mexikanischen Firmen Maseca und Minsa beliefert wird. In den ländlichen Regionen, besonders im indianisch geprägten Süden, herrscht die Eigenversorgung noch vor, wird aber durch staatliche Eingriffe zunehmend beeinträchtigt.
Wie sehen die gesetzlichen Eingriffe in Bezug auf die traditionellen Wirtschaftsweisen aus? Im Gefolge der NAFTA-Verträge und der WTO-Abkommen gab es großen Druck auf die mexikanische Regierung, Vereinheitlichungen und Regulierungen beim Saatgut umzusetzen, um so den Standards der internationalen Handelsbestimmungen Genüge zu leisten. Seit 2007 gibt es ein neues Saatgutgesetz, das die Verbreitung von industriellen Saaten forciert; auf der anderen Seite werden der Anbau und der Verkauf von traditionellen Maissorten massiv behindert. Heute beherrschen vier Konzerne – Monsanto, DuPont, Pioneer und Cargill – den Vertrieb des Saatgutes beim Mais. Trotzdem sind derzeit nur etwa 14 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen mit kommerziellen Sorten bepflanzt, vor allem in der nördlichen Provinz Sinaloa, wo Großbetriebe vorherrschen, während im Süden ein Gemisch von verschiedenen bäuerlichen Sorten angebaut und auch untereinander ausgetauscht wird. Auch moderne Saaten finden ihren Weg in den Kleinanbau, weil für den Verzehr gekaufte Körner auch für den Anbau auf den Äckern verwendet werden.
Was bedeutet das für die Kleinbauern in den ländlichen Regionen? Es gibt noch immer eine riesige Biodiversität beim Mais. Viele Bauern sind jedoch nicht darüber informiert, dass sie mit dem Verkauf und dem Austausch von Saatgut, wie er seit Jahrhunderten betrieben wurde, gegen die Gesetze verstoßen und auch mit Geldstrafen sanktioniert werden können. Noch wird das Saatgut-Gesetz in der Praxis nicht vollzogen, aber das könnte sich auf Druck der internationalen Multis bald ändern, zumal es keine politische Partei gibt, die die Interessen der indigenen Bevölkerung mit Nachdruck vertritt. Durch die Senkung der Zölle durch die NAFTA-Verträge drängte immer mehr Mais aus den USA in den Markt, der heute fast 30 Prozent der verbrauchten Mengen ausmacht. Die lokalen Kooperativen konnten mit dem Preisdruck der amerikanischen Produkte nicht konkurrieren, sodass die staatlichen Betriebe, welche den Bauern zuvor die Ernte abkauften, schließlich geschlossen werden mussten. Damit steht auch die Existenz von vielen kleinen Landwirten auf dem Spiel, die in die Städte abwandern.
Wie sieht die Situation bei gentechnisch veränderten Pflanzen in Mexiko aus? Mitte der 90er Jahre konnten gentechnisch veränderte Tomaten usw. nur kaum Fuß fassen, da sie vom Konsumenten abgelehnt werden. Daneben gibt es Versuche mit GVO-Baumwolle, die von der öffentlichen Hand massiv finanziell gefördert werden, um die Produzenten zum Umsteigen zu bewegen. Ein bestehendes Moratorium in Mexiko gegen Gen-Mais wurde im Frühjahr 2009 von unserer Regierung nicht verlängert. Dadurch steigt die Gefahr der Kontamination der indigenen Sorten durch Pollenflug. Diese bereits feststellbare Entwicklung stellt ein willkommenes Argument für Monsanto dar, dem GVO-Verbot die Grundlagen abzusprechen. Organisationen wie die unsere kämpfen dagegen an und bemühen sich, die traditionellen Bewirtschaftungsformen zu erhalten. Für uns in Mexiko stellt der europäische Weg eine große Hoffnung dar, da er beweist, dass eine gentechnikfreie Landwirtschaft keine Utopie ist.
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