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Honduras: ALBA-Beitritt war Grund für den Putsch
Freitag, 18. Dezember 2009
Auf Einladung von Südwind weilten zwei Honduranerinnen, Iris Oneyda Henríquez, ehemalige Näherin und Arbeitsrechtsaktivistin, und Yadira Rodríguez, Rechtsanwältin und Mitarbeiterin bei der Organisation EMIH („Equipo de Monitoreo Independiente de Honduras“ – „Team für unabhängige Kontrolle aus Honduras”) in Österreich. Christian Stenner sprach mit ihnen noch vor der durch den Putsch gegen Präsident Zelaya vom Militär erzwungenen Präsidentschaftswahl – bei der diesem die Kandidatur verwehrt wurde – über die Situation im Land.
Als Grund für den Militärputsch gegen den demokratisch gewählten honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya wird allgemein die Tatsache angegeben, dass Zelaya eine zweite Amtszeit via Verfassungsänderung angestrebt hat. War das tatsächlich der Hauptgrund?
Yadira Rodríguez: Einer der Hauptgründe war die Annäherung an Venezuela und der Beitritt zur von Hugo Chavéz ins Leben gerufenen Freihandelszone ALBA. Allerdings ist Honduras ALBA beigetreten und nicht Zelaya – ein Austritt dürfte für seinen Nachfolger nicht so leicht zu bewerkstelligen sein. Und: Die Bevölkerung möchte bei ALBA bleiben, weil der Beitritt einige Vorteile gebracht hat. Das direkt von Venezuela gelieferte Erdöl ist zum Beispiel viel günstiger als das brasilianische, für die Bauern hat der Vertrag ebenfalls günstigere Bedingungen gebracht.
Dennoch war der Beitritt nicht der einzige Grund für den Putsch. Unter anderem hat Zelaya den Mindestlohn angehoben und viele Unternehmen mussten den von ihnen verbrauchten elektrischen Strom bezahlen, was vorher nicht üblich war. Außerdem wurde der Militärchef seines Amtes enthoben – und einige Minister, die ihre Arbeit nicht getan haben. Das waren alles Gründe, die den Unwillen der Eliten erregt haben.

Hat sich auch für den Bereich, in dem Sie selbst aktiv sind – nämlich den Maquila-Sektor, die verlängerten Werkbänke in den zollfreien Produktionszonen – unter Zelaya Positives getan?
Iris Oneyda Henríquez: Natürlich, es gab, wie erwähnt, viele Unternehmen, die große Schulden bei den Elektrizitätswerken angehäuft hatten, und unter Zelaya mussten sie beginnen, diese zu begleichen. Vor allem hatte aber die Anhebung des Mindestlohns positive Auswirkungen für die Beschäftigten.

Wie ernst sind die Beteuerungen der USA zu nehmen, sie hätten mit dem Putsch nichts zu tun? Nach außen hin haben sie ja sogar die Rückkehr Zelayas ins Amt gefordert.
Yadira Rodríguez: Wir halten den Staatsstreich für ein Experiment der USA, die wissen wollten, wie die Länder Lateinamerikas darauf reagieren. Dennoch ist wichtig, dass die internationale Gemeinschaft zumindest verbal negativ auf den Putsch reagiert hat.

Wie wird es nach der Wahl am 29. November weitergehen?
Iris Oneyda Henríquez: Die Wahlen sind eigentlich schon verloren. Der nächste Präsident und sein Team stehen fest – und sogar, wer im Obersten Gerichtshof sitzen wird. Nach dem Staatsstreich vom 28. Juni ist eine starke soziale Bewegung entstanden, die sich ganz klar gegen den De-facto-Präsidenten Micheletti gestellt hat und die jetzt zum Boykott der Wahl aufruft. Das Problem ist, dass das Militär hinter dem De-facto-Präsidenten steht und es im schlimmsten Fall sogar zu einem Bürgerkrieg kommen könnte.
Wir fordern eine verfassungsgebende Versammlung, bei der über den von Zelaya vorgelegten Verfassungsentwurf abgestimmt werden soll – und auch über andere Forderungen, die jetzt vom Volk erhoben werden, z.B. über eine Abschaffung des Militärs.

Nachtrag: Der Boycottaufruf des Zelaya-Lagers dürfte erfolgreich gewesen sein: Nach Angaben der Widerstandsbewegung, aber auch nach unabhängigen Quellen gingen nur 35% der HonduranerInnen zu den Urnen, der „siegreiche“ Kandidat Porfirio Lobo von der Nationalen Partei erhielt von diesem Anteil 56% und kann sich somit nur auf eine ziemlich schmale Minderheit der Wahlberechtigten stützen. Die neue Regierung spricht allerdings von 61% Wahlbeteiligung.
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