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11 Pfund – mehr Kultur will der Staat nicht? |
Dienstag, 13. April 2010 | |
kulturIMcontext von Herbert Nichols-Schweiger
Wahlkämpfe können grausig sein, das ist auch in der Steiermark bekannt und steht ein weiteres Mal bevor. Britanniens Konservative, 13 Jahre weg vom Trog der Macht, nützen die Unterhauswahlen Anfang Mai auch zur kulturpolitischen „Profilierung“. Ihr Vorschlag: Ende der Subventionen, dafür bekommen die BürgerInnen einen Gutschein über elf Pfund für ein Kulturangebot ihrer Wahl. Dass der/die KulturministerIn Ihrer Majestät den Bon von knapp 12,50 Euro persönlich (à la Kärnten) überreichen würde, ist zwar unwahrscheinlich, aber Kulturpolitik als staatliche Aufgabe wäre dann nur mehr ein Feigenblatt. Mit dem Gutschein macht (sich) die/der BürgerIn die Mini-Kulturpolitik selbst. Das Angebot wird sich schon einpendeln. Und zwar in der Bandbreite vom Einsatz des Gutscheins für alles, was bildlich und/oder akustisch für Geld wahrzunehmen ist (vulgo Neoliberalismus?), bis zur Verlegung der Förderung von Institutionen und Produktionen zu der von Angeboten mit einem Rest von Qualitätssicherung: Abstimmung an der Kulturkassa – wahrlich ein Kultur- und Bildungsprogramm, wie es eine nicht nur wegen ihrer Finanzprodukte in der Krise steckende Gesellschaft braucht … Wie auch immer, hinter dem brachialpopulistischen Vorschlag ist eine nachlässige Einschätzung von Wert und Bedeutung der Künste und Kultur zu erkennen, mit der auch hierzulande geliebäugelt wird. „Ist eh schon alles Kunst und mit unserem Steuergeld wird’s bezahlt.“ Nicht alle, die so „argumentieren“, zahlen gar keine Steuern. Diese ZeitgenossInnen nicken sogar – mehr ahnend als wissend – dem vollmundig angekündigten Regierungsschwerpunkt Bildung zu. Denn sie wissen, dass viele der verloren gegangenen und weiter verloren gehenden Arbeitsplätze nicht zu den hier gewöhnten Löhnen zu erhalten sind. Sie spüren, dass entsprechend anspruchsvollere Jobs auch komplettere BewerberInnen verlangen. Sie vermuten vielleicht, dass unser Bildungssystem das nicht ausreichend leisten kann. Sie erfahren allerdings kaum, wie die Lücken geschlossen werden könnten. Aber viel mehr, als dass LehrerInnen und ProfessorInnen weniger Ferien machen sollten, fällt den wenigsten dazu ein. Dass vieles in den Schulen vermittelt wird, was im Berufs- wie im privaten Leben veraltet oder gar nicht ankommt, wird jedoch selten diskutiert, geschweige – längst fällig – zu neuen Chancen geführt. Seit Jahrzehnten, im Grunde seit der Schulausbauwelle von Sinowatz in den 1970er Jahren, hält der berufsbildende Faktor einen geheimen Mehrwert, steckt die Allgemeinbildung, noch mehr die musische in einem Abwehrkampf (Beispiel: die unsinnige Entscheidung Musik ODER bildende Künste in der Oberstufe). Dieser utilitaristische Fokus geht mit den AbsolventInnen „hinaus in die Welt“ – sagen ihre bisherigen pädagogischen BegleiterInnen feierlich zum Abschluss und haben damit leider Recht. Es geht jedoch nicht um das eine oder das andere, sondern um Verknüpfungen und Weiterdenken über diese scheinbaren Grenzen hinaus. Das hätte was, wo kulturelle Bildung Teil des Unterrichts werden könnte. So aber steht der heutige, wegen der polit-administrativen Verzögerungen oftmals schon gestrige Nutzen von Schule einer durchaus individuellen kulturellen Nachhaltigkeit im Wege. Würden also kulturelle Neugierde und spielerischer Ernst in die Lehrpläne und vor allem in die tägliche Unterrichtspraxis einziehen, wäre eine Basis auf Langfrist gelegt. Also der Ausgangsort und womöglich die Verbindlichkeit für eine ganz dringende Erweiterung menschlicher Qualifikationen und Fähigkeiten über die Verwendbarkeit für Beruf und Status hinaus. Konzepte und Curricula gibt es, keine Bange. Kunst und Kultur, wohin sie bis heute entwickelt wurden, sind auch längst nicht mehr angenehmer Ausklang vom harten Berufsalltag oder gar Balsam für leichtsinnig beschwerte Seelen. Sie bieten – unabhängig von Faktenhuberei – Orientierung und Orientierungsmöglichkeiten, Flexibilität und Toleranz. Sage noch wer, davon hätten wir Überfluss. Nicht nur britische Konservative müssen also begreifen, dass den von ihren Profiteuren via Medien, Umwelt oder Berufsalltag Entzauberten eine mit Gutschein versüßte Auswahl unter weniger Angebot gar nichts bringt – die wenigsten würden wissen, warum sie sich für dies oder das entscheiden sollten. Kurze Zeit wäre es ein banaler Appeal, dann käme auch dieser zuschanden. Mit einem wehen Blick auf die nächste steirische Legislaturperiode und die mit ihr verpartnerte Budgetreform, korrekter: Budgeteinschnitte, sollte den Hand anlegenden Kräften klar sein, dass dann lineare Gerechtigkeit über alle Ressorts hinweg die genannten Probleme nur verschärft und die einsichtigen Defizite von den Zahlen zu den dringend notwendigen Fähigkeiten verschöbe. Sie erreichen den Autor unter: herbert.nichols-schweiger@aon.at.
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