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Verschärft Wirtschaftskrise Konflikte oder ist sie auch eine Chance?
Dienstag, 13. April 2010
Enormen gesellschaftspolitischen „Sprengstoff“, aber auch eine Stärkung des Staates als Konsequenz der „großen Krise“ sieht der Politologe Peter Filzmaier als Folge der Wirtschaftskrise. Walter Rotschädl, Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, geht davon aus, dass sich die Verteilungsfrage aufgrund der Notwendigkeit, die durch die Krise entstandenen Budgetlöcher zu stopfen, in Zukunft schärfer stellen werde. (pr) „Wenn von der ‚großen Krise’ die Rede ist, so ist das keine Übertreibung. Die Wirtschaftsforscher sind sich darin einig, dass die Krise mit ihrem Höhepunkt 2009 die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg ist, vergleichbar mit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre mit ihren verheerenden politischen Folgen“, so AK-Präsident Walter Rotschädl Mitte März im Rahmen der Stiftingtaler Gespräche in der Otto-Möbes-Akademie der steirischen Arbeiterkammer, wo Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier vor etwa 200 Betriebsräten/Betriebsrätinnen in seinem Referat „Die große Krise – öffentliche Meinung zu Arbeit und Wirtschaft 2010“ und der anschließenden Diskussion die Auswirkungen der „großen Krise“ in der öffentlichen Wahrnehmung erörterte.

Verschärfte Konflikte. Die Wirtschaftskrise verschärfe bestehende Konflikte in der Gesellschaft, stellte Filzmaier fest. So sei ein grundsätzlicher Streitpunkt zwischen den Regierungsparteien, ob sich Leistung mehr lohnen soll oder der Staat noch größere Obsorgeleistungen zu erbringen habe. Weitere Verschärfungen ortet der Politologe im Generationenkonflikt und im Konflikt zwischen öffentlichem und privatem Sektor. Der Generationenkonflikt etwa wird durch das Leben in Parallelwelten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und unter Verwendung völlig unterschiedlicher Kommunikationskanäle verstärkt, sodass es derzeit eine Generationenkluft statt eines Generationendialogs gibt. In der Konfliktlinie zwischen In- und AusländerInnen finde gar eine „Radikalisierung“ statt. Dies habe dazu geführt, dass „das AusländerInnenthema den politischen Wettbewerb in Österreich beherrscht“. Es werde viel zu wenig publiziert, was AusländerInnen für das Land leisten. Darüber hinaus bestehe die Sorge, dass als Produkt der Wirtschaftskrise eine Neiddebatte innerhalb des Mittelstandes entsteht.

Top-Thema Arbeitsplätze. Auf die Frage, welches Resümee aus dem öffentlichen Diskurs über die „große Krise“ zu ziehen ist, hat Filzmaier Antworten: „Die gute Nachricht ist, dass sowohl aus moralischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen ethische Mindeststandards von Wirtschaft und Arbeit mehr denn je ein Thema sind. Die schlechte Nachricht ist, dass Arbeitsplätze in der öffentlichen Meinung von 75% als Top-Thema gesehen werden, aber nur 25% glauben an eine Lösungskompetenz der politischen Akteure/Akteurinnen bzw. der jeweils bevorzugten Partei. Antworten also, die zum Handeln Anlass geben. „Wir werden eine Gesellschaft organisieren müssen, wo ein Drittel der Menschen keine Arbeit in dem Sinne, wie wir es verstehen, hat“, so der Politologe. Die Frage, wie man es schaffen kann, werde vor allem sozialpsychologisch zu lösen sein. Mehr denn je werden in Zukunft die Sozialpartner gefragt sein, die laut Filzmaier „gut beraten seien, sich von den politischen Parteien zu distanzieren.

Krise als Chance. Trotz aller negativen Vorhersehungen hat das Schlagwort von der „Krise als Chance“ aber auch seine Berechtigung, denn die Wirtschaftskrise führt zu einem greifbaren Wandel. So sei die Frage mehr oder weniger Staat gegenwärtig klar beantwortet: „Niemand kann noch eine hemmungslose Privatisierung und den völligen Rückzug des Staates aus der Wirtschaft verlangen. Das ist positiv als Regulativ für einen hemmungslosen Neoliberalismus“, so Filzmaier. Und AK-Präsident Rotschädl betont, dass es nun Aufgabe der Arbeitnehmervertretungen sei, darauf zu achten, „dass unsere Mitglieder bei der Budgetsanierung nicht überproportional zum Handkuss kommen“.
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