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Es herrscht Tagesordnung
Dienstag, 13. April 2010
Kommentar der Frauenbeauftragten von Maggie Jansenberger Sexismus und Rassismus? Widerwärtig! Gewalt an Frauen und Mädchen? Abscheulich! Einkommensschere? Furchtbar! Unvereinbarkeit von Beruf und Privatleben? Skandalös! Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit? Untragbar! Gläserne Decke? Unerhört! Stereotype Rollenbilder und Klischees? Haarsträubend! So tönte es rund um den Internationalen Frauentag. Unterfüttert mit zig Studien, Analysen und Erhebungen auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene. Dazu manchmal auch die existierenden Konzepte, Maßnahmenkataloge und Handlungsanleitungen, die geeignet wären, all diese Missstände zu beseitigen. Dennoch. Stagnation und Rückschritt. Warum? Weil die Frauen nicht solidarisch sind? Weil die Männer ausgegrenzt werden? Weil die Frauenbewegung schläft? Tatsächlich sind Frauen, weil sie Frauen sind, nicht automatisch solidarisch. Das wäre biologistisch. Tatsächlich engagieren sich Männer für Gendergerechtigkeit. Das ist Ausdruck von Selbstbewusstsein und Reflexion. Tatsächlich gibt es eine Institutionalisierung der Frauenbewegung. Das ist eine Errungenschaft, ohne die vieles nicht möglich wäre. Wenn es also nicht an verschlafenen, unsolidarischen, sich von Männern abschottenden Frauen liegt, woran dann? Wer aber verfügt in der Gesellschaft über das soziale Kapital zur Durchsetzung von Interessen? Nach wie vor ist es ein Old-Boys’-Network, das die Realität bestimmt, und (mehrheitlich) (weiße) Männer fortgeschrittenen Alters bestimmen den Diskurs. Generös wird manchmal auf individueller Ebene gefördert, doch strukturell bleibt alles unangetastet. Tagesordnung. Lohntransparenz? Skandalös! Quotenregelung? Unerhört! Gender Budgeting? Untragbar!
Ein Beispiel: Die KPÖ bringt im Landtag einen Antrag ein, wonach die Wirtschaftsförderung des Landes (Steuergelder) an Unternehmen davon abhängig sein soll, ob diese Frauen und Männern (SteuerzahlerInnen) gleichen Lohn für gleiche Arbeit zahlen. Unerhört! „Das geht an den Sorgen der Menschen vorbei“, sagt LR Buchmann.1  Seltsam. Bisher galt die Lohnhöhe als eine der größten Sorgen der Menschen. Einerseits bestimmt diese maßgeblich, ob der Alltag bezahlt werden kann, andererseits macht die Lohnhöhe so große Sorgen, dass sie nur ja nicht transparent werden soll. Aber vielleicht sind mit „Menschen“ nicht die gemeint, die die Löhne bekommen, sondern jene, die die Löhne zahlen, dann sollte das aber auch so benannt werden. Oder ist die Argumentation schlichter? Meint LR Buchmann einfach die uralte Gleichsetzung „Mensch = Mann“? In jedem Fall stellen Frauen mit solchen Anträgen hier überzogene Forderungen, fehlt ihnen da der Blick auf das Große, das Gesamte, und: für die Folgen solch sorgloser Politik sind die Frauen verantwortlich zu machen. Klubobmann Drexler sagt zum Antrag, es gebe „eine Welt jenseits der geschützten Bereiche, der staatlich alimentierten NGOs und linken Debattierzirkel“. Dort würde „das Geld verdient, von dem diese leben“. 2 Was genau meint er damit? Dass die Welt da draußen Kampfgebiet ist, in das richtige Männer mutig als Jäger und Krieger hinausgehen, um Beute zu machen, während die anderen [sic!] ratschende Weiber sind, die keinen Tag außerhalb ihrer Runden überleben würden? Dass NGOs die minderjährigen Kinder von Vater Staat sind, denen dieser spendabel Unterhalt zahlt? Und diesen – ganz Patriarch – auch recht willkürlich kürzen kann und kürzt, wenn die Kinderlein zu ungehorsam sind oder werden? Neben der Enttarnung seines Politikverständnisses und Frauenbildes durch solche Aussagen gelingt es dem Klubobmann mit diesem Weltbild von hegemonialer Männlichkeit auch jeden Mann und jeden Unternehmer, der sich auch für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen möchte, zu verspotten.
Stagnation und Rückschritt. Diskriminierungen sind tief und strukturell in unsere Gesellschaft eingeschrieben und gesellschaftliche Dominanzverhältnisse werden entlang geschlechts-, klassenspezifischer und ethnisierender Grenzziehungen (re)produziert. Lösungsansätze werden stigmatisiert und verhöhnt – von jenen, denen es nicht um Gendergerechtigkeit oder soziale Gerechtigkeit geht, sondern um den Erhalt von ökonomischer und sozialer Macht und von männlichen Monokulturen. Um die Tagesordnung eben.

1 Kleine Zeitung, 24. 3. 2010
2 Ebda.

Maggie Jansenberger, Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz

maggie.jansenberger@stadt.graz.at
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