Der Rand wird zum Mittelpunkt |
Dienstag, 13. April 2010 |
In der Mitte am Rand ist das Motto der Regionale 10 im Bezirk Liezen: Geografischer Kern Österreichs, aber aus Sicht der Zentren im Abseits. Und mit 3270 km2 größer als das Bundesland Vorarlberg.
Mir ist es ein Anliegen, die kulturellen Kräfte dieser Region sichtbar zu machen, zu vernetzen, in einen internationalen Diskurs zu setzen…“, so Kulturlandesrätin Dr.in Bettina Vollath zum Programm der Regionale 10, das sich geerdet, aber mit internationalem Kontext präsentiert. „Was hat der zeitgenössische Kunstbetrieb mit den Menschen zu tun, die in den Zwängen einer globalen Leistungsgesellschaft stehen?“, fragt sich der künstlerische Leiter der Regionale 10, Dietmar Seiler, der das Festival genau an der Schnittstelle zwischen zeitgenössischer Kunst und Alltagskultur ansetzen möchte. „Community Art“ lautet der etwas sperrige Begriff der Stunde: wenn möglichst viele Menschen aufgerufen werden, sich aktiv zu beteiligen. Damit soll sich die Regionale 10 zu einer der möglichen Antworten auf die oben zitierte Frage entwickeln.
Der Fabrikschlot als Musikinstrument. Zahlen zu Liezen gäbe es viele. Die wichtigsten zur Regionale: 73 Tage mit 180 Veranstaltungen und 8000 Aktiven, aber auch 40 Nationen – „ein Durchlüften, von dem sicher alle profitieren werden“, so Seiler. Die Fäden bei der Eröffnung, dem „Anstimmen“ am 2. Juni in Trieben, zieht der französische Klangkünstler Michel Risse, der neben Orchester, regionalen Chören und Blaskapellen auch Architektur zum Klingen bringen wird: Fabrikschlot, Kirchturm, Maibaum und Stadtbrunnen tauchen als Instrumente in seiner Komposition für Trieben auf und Mitfeiern ist ausdrücklich erwünscht.
Beteiligung statt Besichtigung. Programmatisch wird, wann immer es möglich ist, an Bestehendes angeknüpft. „Wir haben nicht das Kulturleben des Bezirkes Liezen neu erfinden müssen“, so Sailer. Mit dabei im Herzen des Bezirks: Stift Admont, das mit der Ausstellung „Play Admont“ den Mitmachgedanken ernst nimmt und 16 Positionen internationaler Gegenwartskunst zeigt, die den Besucher als aktiven Teilnehmer unbedingt benötigen. In Schloss Trautenfels geht man in Kooperation mit dem Universalmuseum Joanneum mit „Der schaffende Mensch – Welten des Eigensinns“ der aktiven Gestaltung des Lebensraums durch uns Menschen nach. Sechs Künstler initiieren ein buntes Laboratorium zu lokalen Themen – auch hier ist Beteiligung des Publikums gefragt.
Fremdsehen entlang der persönlichen Grenzen. Durch das Festival schlängelt sich der 400 km lange „Grenzgang“, eine Wanderung rund um den Bezirk, an der alle 30 Gemeinden teilnehmen und jeweils ihren Teil des Weges gestalten. Die ganze Regionale über werden diese Grenzen erwandert, bis sich Mitte August eine „Kulturkarawane“ formiert, wenn KünstlerInnen die letzten vier Tage von Pürgg nach Altaussee pilgern, wo als Abschlussfest die Berge einmal mehr in Flammen stehen werden. Entsprechend dem Motto des Festivals sollen auch die Ränder der Gesellschaft ins Zentrum geholt werden: über das Projekt „Fremdsehen“ wurden Gemeinden dazu aufgerufen, für 14 Tage einen Menschen aus dem Ausland aufzunehmen und zu beherbergen, um mit ihm gemeinsam eine Veranstaltung zu erarbeiten. Auf dass der kulturelle Austausch so zur Selbstverständlichkeit wird.
Höhepunkte, Theaterfreuden … Einer der Höhepunkte im Bezirk ist im wahrsten Sinne des Wortes der Dachstein. Dass er das auch für die Regionale wird, dafür trägt der wohl berühmteste chinesische Künstler Sorge: Ai Weiwei nimmt die Herausforderung des gewaltigen Berges an und hat ihm eine Installation gewidmet. Auch im Theater geht natürlich nichts ohne Publikum: das Rührstück „s’Nullerl“ wird mit dem Heute konfrontiert, das unkonventionelle Projekt „Einfach weg“ entsteht überhaupt erst während der Proben mit den Theatergruppen Schladming und Ramsau und in „Sprich mit ihm“ liefert das Theater im Bahnhof beißend-komischen Nachhilfeunterricht in Heimatkunde. Musikalisch wetteifern zwei Festivals um die Gunst des Publikums: „Musik am Rand“ geht an vier Wochenenden in alle musikalischen Richtungen – nebeneinander, miteinander und ineinander und „Arcana“ setzt in St. Gallen mit Intendant Peter Oswald auf Neue Musik, an 12 Tagen wird es Werke von 33 KomponistInnen zu hören geben.
Durcheinanderbringen und für fruchtbringende Erfahrungen sorgen. Ganz dem Alltag verpflichtet werden „Essgeschichten“ zum Thema, was früher so auf den Tisch kam, die Supermarktkette Landmarkt infiltrieren und die HTBLA Raumberg entwickelt mit „Sportarbeit“ aus traditionellen Arbeitsgeräten Übungen für ein ländliches Fitnesscenter. Orientierung über alle – weit über das Genannte hinausgehenden – Angebote bietet eine eigene Kulturlandkarte. Das Festivalzentrum Hotel Karow findet sich unweit des Bahnhofs in Liezen. Für mehr Programmhinweise sei ein Besuch auf der Homepage wärmstens empfohlen und was etwaige Wetterkapriolen betrifft (179 Regentage pro Jahr), geben die Organisatoren ein letztes Geleitwort mit in den Kultursommer: „Wir haben beschlossen, uns vor dem Wetter nicht zu fürchten.“
Regionale 10 – vom 2. Juni bis 14. August – www.regionale10.at
| Eva Pichler
» 1 Kommentar
1Kommentar am Dienstag, 22. Juni 2010 14:21
Hallo und danke für den nützlichen Artikel. Genau das habe ich gesucht.
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