Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
White Elephant – Design als elementarer Prozess
Dienstag, 13. April 2010
Unser monatlicher „Künstlertreff“ erlaubt sich einen Ausflug in Richtung Design. Aber eben nicht nur. Das Designerduo White Elephant DesignLab fasst seine Arbeit nämlich weit. Und uneingeschränkt vom klassischen Designfeld.

Tobias Kestel und Florian Puschmann strecken ihre Fühler in viele Richtungen aus – zumindest wenn sich dort potenziell Spannendes tut. Ihr aufrichtiger Drang zum Experimentieren und eine gesunde Portion Neugier lassen Spartengrenzen immer wieder verschwimmen. Knotenpunkte, in die dieses Interesse zusammenläuft, sind neue Rohstoffe zukünftiger Objekte, unterschiedliche Materialien von
natürlich bis künstlich und ihre Eigenschaften, die gefunden, getestet und angewandt werden wollen.

Die Reise zum Mittelpunkt der Erde. Aber warum nicht mit einem ungewöhnlichen Abenteuer beginnen, das diesen Enthusiasmus über das Wesen von Menschen gemachter Dinge beschreibt? Einer Reise ins Dorado eines Designers? Eines Tages war da die Idee, das wohl faszinierendste Material zu ergründen, das die Natur zu bieten hat: „Mit flüssiger Lava zu arbeiten, ist das Fundamentalste für einen Designer“, meint Florian Puschmann. Dazu muss man zum aktivsten Vulkan dieser Erde aufbrechen. Zum Kilauea auf Big Island Hawai’i, wo der „Rohstoff“ größtenteils ohne Explosionen an die Erdoberfläche tritt. Über vier Wochen näherten sich White Elephant in Kräfte zehrenden Wanderungen immer wieder den flüssigen Lavaströmen. Die Zusammenhänge, die dieses Naturschauspiel bewirken, prägten die beiden Designer nachhaltig. Nicht umsonst hat sich für die Bewohner der Insel rund um den Feuer sprudelnden Berg eine komplexe Naturreligion begründet.

Achtung vor dem Material. In  der österreichischen Ferne erdachte Projekte wurden im Angesicht des Vulkans revidiert – was für die Einheimischen eine Beleidigung der Vulkangöttin Pele ist, basierte bei White Elephant auf erspürter Ehrfurcht vor den beobachteten Prozessen. Ihre Interventionen umkreisen demnach das Thema des Werdens und Vergehens, denn Schöpfung und Zerstörung sind hier unmittelbar vereint. „02009“ prägen sie in Anbetracht der Kurzweiligkeit unseres Daseins in die Lava, mit einer „Time Capsule“ injizieren sie eine Botschaft oder drücken die „Earth Bowl“ ihrer Grazer Designkollegen Fluid Forms darin ab. Mit wärmeempfindlichem Papier entstehen Drucke bereits leicht abgekühlter Strukturen. Archaische Bilder zeigen Aluminiumpfeile und -buchstaben, die in der Lava mitschwimmen oder Versuche zum Verhalten eines über die Lava gespannten Metalldrahtes. Nur mit speziellen Schutzanzügen war es überhaupt möglich, dem flüssigen  Gestein so nahe zu kommen.

Interaktion als Prämisse. Dass der forscherische Zugang nicht nur in Richtung Rohstoff, sondern auch in Richtung Kunst führen kann, zeigen soziale Experimente im öffentlichen Raum: Die beliebte „Fondlebox“ war beim „Lendwirbel“ im Einsatz. „Trotz einer Vielzahl unterschiedlicher Gruppen und Ethnien, die hier nebeneinander leben und arbeiten, ergeben sich auffallend wenige Berührungsflächen“, fanden White Elephant. Und entwickelten dazu ein Interaktionsmedium. Ihre zwei Meter hohe Greifbox mit zwei ausgestülpten Handschuhen zum In-die-Umgebung-Tasten ist gekonnte Versinnbildlichung dieser Distanz, indem sie die spielerische Umkehrung anbietet.
Mit der Arbeit „SoundMining“ begeben sie sich sogar auf den Grund eines Fließgewässers, um Geräusche eines eher unbekannten städtischen Alltags hörbar zu machen. 10 Resonanzkörper auf 4 Metern Breite wurden am Geländer des Grazer Mühlgangs montiert und je mit einer Saite versehen, die mit einem Anker  am Grund beschwert wurde. Durch die Reibung des Wassers, die die Saiten in Schwingung versetzt, wurde so das Strömen des Flusses in sirrenden Tönen wahrnehmbar. Und Passanten eingeladen, sich näher mit unbestimmten Gewässern im Stadtraum auseinanderzusetzen. Für White Elephant wertvolle Erfahrungen über die Möglichkeiten zwischen Benutzer/in und Objekt eine stärkere Identifikation herzustellen. Mit allen Sinnen Barrieren abbauen helfen und auch neue Dinge lustvoll wahrnehmbar machen.

Nicht alles Design ist Kunststoffspritzguss. Dass diese Forschungsarbeit zu attraktiven Resultaten führt, davon zeugen bereits ausgereifte Produkte. Die obersten Prämissen bleiben aber auch hier gewahrt: Die Logik des Werkstoffes. Materialien und ihre speziellen Eigenschaften, die sich auf die spätere Form auswirken. Makrostrukturen. Materialimmanente Qualitäten. Aber auch eine natürliche Ästhetik. Gefundene Formen. Die „Wurzellampe“ ist nicht zuletzt ein Extrahieren und Erfahrbarmachen. Ihre persönliche Spürnasen für derartige Phänomene wollen sie nicht als Vorsprung sehen, vielmehr als ausgeprägte Begeisterung, die es mit anderen zu teilen gilt. Für die Strohhalmvase „Pitch Vase“ wurde nach einer authentische Art der Formgenerierung gesucht: die Vase wird nach dem Entformen einzeln geknickt, das Material verhält sich an der Knick-Zone so wie es seiner Plastizität entspricht. Oder „Bubba“, das als Lampe ganz aus Glas auch die Lichtquelle nicht als Störelement auffasst und so Licht und Glas im Raum miteinander verschmelzen lässt.

Was es ist… Ihr Tätigkeitsfeld sehen White Elephant als ein breites Spektrum an sehr verschiedenen Dingen. „Wie in einem Gemischtwarenladen ist die Frage „Was verkaufen wir“ nicht ganz so einfach zu beantworten“, meint Florian Puschmann. Ihr geweiteter Ansatz wirkt manchmal verwirrend: Mehr Sinne ansprechen wollen, spielerisch an die Dinge herangehen und sich nicht auf reines Produktdesign beschränken lassen. Darum haben sie sich ihr eigenes Feld geschaffen. Und sich selbstständig gemacht.
Zeigen, dass gutes Design eben kein „Styling“ ist, das auf ein Produkt aufkaschiert wird, wie die Kunststoff-Leiste mit Chromeffekt auf den Wecker vom Billig-Discounter, wie sie es auch bei ihrem Lehrauftrag am Campus02 zu vermitteln suchen. Es ist ein Nachdenken über Qualitäten, über Funktionen, ein Reflektieren von Stofflichkeiten. Es ist gelebte Begeisterung am Objekt. Es ist das Objekt, das diese Begeisterung in sich und weiter trägt.

www.white-elephant.at

| Eva Pichler

 

WHITE ELEPHANT ...
sind Tobias Kestel, geboren 1976 in Bayern, der nach Abschluss seines Studiums (Industrial Design, FH Joanneum Graz) 2005 White Elephant DesignLab gründet und Florian Puschmann, geboren 1981 in Graz, Studium Architektur in Graz und Industrial Design (FH Joanneum Graz), der seit 2008 mit Tobias Kestel zusammenarbeitet; seit 2008 unterrichten White Elephant am Campus02 Graz (Studiengang Innovationsmanagement) Design. Ausstellungen & Preise: 2009 Screening at the Long Now Foundation Seminar Series in San Francisco/USA; 2009 Exhibition ExperimentaDesign Lisbon/Pt; 2009 1. Preis Wettbewerb „CRYSTALLIZED™ - Swarovski Elements Call for Tender“; 2008 1. Preis Creative Graz Award; 2008 3. Preis Bombay Sapphire Martini Glasdesign Wettbewerb; 2008 Ausstellung International Design Casa, Milano; 2007 Nominierung für den Adolf Loos Staatspreis Design; 2006 2. Preis Glas/ Licht /Design; 2005 SAFE - Design Takes On Risk, The Museum of Modern Art, New York City; 2005  BraunPrize Wanderausstellung; White Elephant leben und arbeiten in Graz.

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