Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Tanz um – was?
Mittwoch, 10. März 2010
kulturIMcontext von Herbert Nichols-Schweiger Wenn es nach den von KulturpolitikerInnen annoncierten Schwerpunkten ginge, müsste der künstlerische Tanz in der Steiermark eine Domäne sein. Im Frühling 2008 hat Wolfgang Riedler, der damals neue Kulturreferent in der Grazer Stadtregierung, diese in den letzten Jahrzehnten immer wieder radikal erneuerte Kunstform zu seinem Schwerpunkt erklärt. Seine Kollegin im Land übernahm das Kulturressort vor fünf Monaten – und auch Bettina Vollath wünschte sich deutliche Akzente in dieser Kunstdisziplin.

Aber nicht nur die beiden Kulturlenker in Stadt und Land haben sich dafür geoutet, auch viele KünstlerInnen und ProjektträgerInnen zeigen – teils seit Jahrzehnten – Ambitionen, dieses Metier zu stärken:
Vom Ballett- und Tanzensemble der Grazer Oper muss man nicht reden, dafür sorgt Darrel Toulon selbst. Er muss jedoch zusätzlich die Musiktheaterproduktionen regelmäßig betanzen und beides verbindet nicht nur finanziell ein dünner Spagat. Eben erst markierte er die Reisezwänge über Kulturgrenzen hinweg als „Nomaden“ in grau.
Der steirische Herbst (nach Eigeneinschätzung zu wenig, aber vergleichsweise doch ganz gut dotiert) zeigt, worauf es auch ankommt: international anerkannte Compagnien aus der euro-amerikanischen Koproduktionsallianz als Herausforderungen, vor einem Jahr getoppt mit der von ihm wesentlich initiierten Choreographic Platform Austria. Nach 33 Jahren war der internationale Geist dessen, was neuestes Tanztheater in Österreich ausmachen sollte, wieder in der Steiermark.

Unter den deutlich bescheideneren  Bedingungen der freien Szene
– lässt die Internationale Bühnenwerkstatt zu Sommerbeginn mit avancierten Solis und Kleingruppen den Publikumsbereich des Theater im Palais bersten,
– sucht das Kulturzentrum bei den Minoriten behutsam in den näheren und weiteren östlichen und südlichen Nachbarländern nach neuen Tendenzen,
– ist der Steirischen Kulturinitiative nicht nur die weltweit faszinierende Tanztheatersprache Butoh, sondern auch die persönliche Konfrontation mit deren ExponentInnen wichtig,
– wurden für den Tango Breite und Spitze etabliert,
– machen immer wieder einige kleinere Gruppen und Ensembles auf sich aufmerksam, anhaltend beispielsweise Christina Medina.
– und Kooperationen erleben das hier übliche Auf und Ab.

So weit, so kurz. Allerdings: Weder das große Kultur-Publikum noch überregionale Medien werden davon anhaltend beeindruckt! Vor dem weiten Horizont der Beobachtungen lassen sich zwar jede Menge wichtige Schritte und Absichten registrieren (angefangen von New Dance im steirischen herbst 76 oder Nonverbalem Theater zwei Jahre später). All das scheint jedoch nie untereinander zeitlich und personell gezielt verknüpft worden zu sein. Neben dem in Österreich (fast) alles dominierenden Wien dürften Salzburg, Linz, St. Pölten und Innsbruck konzisere Zugänge gefunden zu haben.
Genau genommen fehlt es an den drei unverzichtbaren Grundlagen:
– ständige Proben-, Trainings- und Diskursmöglichkeiten in einem Tanzzentrum unter souveräner Leitung (von der Oper abgesehen),
– ständige regionale und internationale Verflechtung,
– fokussiertes Marketing.

Die Truppen, Gruppen und Vereinigungen haben immer wieder darauf aufmerksam gemacht. Aber nicht einmal in wirtschaftlich guten Zeiten hatte ihr Tanz ums goldene Kalb Erfolg. Nun wird zwar als Konsequenz aus dem von der Stadtkultur ausgerufenen Tanzschwerpunkt eine Tanzebene auf das Probenhaus des „anderen Theater“ aufgemauert. Theater und Tanztheater der freien Szene sind dann im gleichen Haus, aber auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Vereinen organisiert … Für hiesige Verhältnisse ist das schon eine Herausforderung.
Angesichts absehbarer Budget-Fastenzeiten taucht unweigerlich die Frage auf: von welcher der wenigen international herzeigbaren Kunstdisziplinen soll das Geld für den Aufbau eines veritablen Tanztheater-Höhenflugs abgezwackt werden? Wenn ja, schämen sich sogar die nicht unter Wahrheitspflicht stehenden Hinweistafeln „Kulturhauptstadt Graz“ an den Autobahnzubringern. Neue Hoffnung für das Tanztheater bringt wahrscheinlich erst die nächste Hochkonjunktur …
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