Norbert Pfaffenbichler (geboren 1967) ist besonders als abstrakter Konzept- und Filmkünstler bekannt. Mit seinen neuen Arbeiten im Grazer Mediumturm wagt er nun den Schwenk in eine narrative Richtung und beschäftigt sich in einer gelungenen Einzelausstellung mit der Entwicklung der Moderne, die er von ihrer unheimlichen Seite her beleuchtet.
In sieben Themenräumen werden dabei Elemente des Films sowie der Film- und Fotografiegeschichte des 20. Jahrhunderts zu einer Erzählung verwoben, die auch biographisch gefärbte Züge aufblitzen lässt. „SILENT ALIEN GHOST MACHINE MUSEUM“ spannt dabei als Titel viele Bezugsebenen mit ein: Das Medium Film als „Geisterabbildungsmaschine“, der historische Stummfilm und eine museale Praxis der Inszenierung als grundlegende Herangehensweise. Das Spiel beginnt bereits am Eingang, über den in einfachen Buchstaben „Museum“ hingekrakelt ist und der „Shop“ im Eingangsbereich hält eine zehnteilige Postkartenedition des Künstlers bereit – Arbeiten, die man in der Ausstellung wieder finden wird.
Die Wahrnehmung auf der Leinwand und im realen Raum. Der filmische Blick und die im filmischen Raum einfach zu realisierenden Dimensionssprünge ziehen sich thematisch durch die ganze Ausstellung. Eine um 90 Grad verdrehte Szenerie schiebt den Betrachter sachte und auf Kinderstühlen in die Vogelperspektive, von wo aus er auf einem real an der Wand platzierten Tisch ein filmisches Kartenspiel beobachtet. „5 Card Games“ stellte ebenso viele Paare vor die Aufgabe aus 1000 Kunstpostkarten auszuwählen und ein eigenes Spiel zu entwickeln. Eine Versuchsanordnung, die aufzeigen soll, wie unterschiedlich wir mit Bildmotiven umgehen, nach welchen visuellen Kriterien wir sie sortieren und kombinieren. Nach räumlichen Bezugsebenen seziert Pfaffenbichler auch den Charly-Chaplin-Klassiker „Dough and Dynamite“, den er aus der zweidimensionalen Kino-Darstellung in eine installative Ebene überführt. Die verschiedenen Handlungsräume werden dabei in neun Realräumen an der Projektionswand aufgeschlüsselt, wo Figuren und Handlung hin und her springen.
Licht und Stille als Konzept. Die unterschiedlich gestalteten Lichtsituationen der einzelnen Ausstellungsräume werden wie harte Schnitte gesetzt und der Besucher durch Vorhänge in das nächste, noch unbekannte Setting gestoßen, das Nachbildungen der Lärmmaschinen des Futuristen Luigi Russolo zeigt. Schwarze Trichter formen hier aber nicht Schall, sondern Blicke auf einen Bildschirmausschnitt, der grimassenschneidende, geschminkte Mondgesichter fokussiert. „Silentio“ fordern sie allesamt eindringlich, aber ausdrücklich tonlos. An der Wand zeigen Fotoarbeiten unheimlich vergrößerte Tierexperimente aus den dreißiger Jahren oder phantomartige Gesichter, die aus den Videoaufnahmen des Reichstagsbrandes herauszutreten scheinen. Freuds Brille wird zum surrealen Sehbehelf für das Kameraauge halbiert und die unzähligen Einzelbilder zweier Spielfilme auf ein einzelnes Foto belichtet – zwei gegensätzliche politische Blöcke repräsentierend geben sich die beiden Propagandafilme, „The Birth of a Nation“ und „Oktyabr“ nach dieser formalen Verdichtung zur Nebelwolke schließlich nahezu „vergleichbar“.
Künstlerhände brauchen sechs Finger. Mehrere Arbeiten widmen sich auch der Person des Künstlers, dem das Publikum womöglich mehr zutraut, als er leisten kann: als Portrait ohne Kopf und Focus auf die manipulierten Hände mit je sechs Fingern. Oder im eigenen Themenraum, der ein „Portrait of the artist as a squid“ verspricht. Norbert Pfaffenbichler als Taddäus Tentakel, ein aus der Zeichentrickserie SpongeBob entliehener Tintenfisch, der an der Kassa eines Fast Food Restaurants von einer Karriere als Künstler träumen muss. In der „Luna Capella“ wird schließlich ein bewunderter Regisseur zum Zentrum der Verehrung: Pier Paolo Pasolini wird in einer Kulisse seines Kurzfilms „Die Erde vom Mond aus gesehen“ mit verschiedensten Reliquien in Anspielung auf Leben und Werk gehuldigt.
Gesichtsstudie und Nahaufnahme. Die Arbeit „O.T“ zeigt als Videocollage eine Gesichtsstudie unterschiedlicher Schauspieler in der Rolle des Adolf Hitler, gleichzeitig eine beängstigend oft wiederkehrende filmische Figur. Mit einer Reise in die Fantasie oder aber in den Entwurfs- prozess eines Filmsettings endet der Streifzug durch das Geister-Film-Museum. Ein Riese mit langer, verschlungener Nase scheint in Nahaufnahme aus dem Boden zu erwachsen. Der Titel der Arbeit liefert den Hinweis auf ein Turngerät für einen Kinderspielplatz, wenn auch der Kellerraum als Präsentationsort und die kindgroßen Figuren, Notenständer mit aufgesteckten Puppenköpfen, die Szene ins Groteske hin abdriften lassen. Der Filmemacher als fabulöser Zauberkünstler und Geisterbeschwörer, der eine räumliche Analyse filmischer Möglichkeiten und Verfahren vornimmt und synchron den Besucher in seinen selbst bestimmten Positionen im Ausstellungsraum mitdenkt. Ein Gang durch sein Kuriositätenkabinett voller dunkler Bilder sei hiermit wärmstens empfohlen. SILENT ALIEN GHOST MACHINE MUSEUM ist bis 22.05. im Kunstverein Medienturm zu sehen.
| Eva Pichler
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