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Von unterm Dach ins Erdgeschoss |
Mittwoch, 10. März 2010 | |
Der Grazer Kunstverein hat nach nur zwei Jahren den „Kunstcluster“ im Palais Thinnfeld verlassen und neue Räumlichkeiten im Palais Trauttmansdorff bezogen. Der künstlerische Leiter Søren Grammel im Gespräch mit KORSO-Redakteurin Eva Pichler über Beweggründe für den Umzug und neue räumliche Perspektiven.
Was war der Grund für den Grazer Kunstverein nach nur zwei Jahren das Palais Thinnfeld und damit die „Nähe“ des Kunsthauses wieder zu verlassen? Wir zahlten im Palais Thinnfeld für 280 m2 bei einer zwar fairen Miete, aber sehr hohen Betriebs- und Anschlusskosten für Putzdienst und Sicherheit etwa 50.000 Euro im Jahr. Hier kommen wir bei 350 m2 auf etwa 23.000 Euro. Das heißt, wir sparen jetzt knappe 30.000 Euro von unserem Budget, die einfach mit der Miete weg waren und die wir hier für Kunst ausgeben können. Damit können wir Künstlern Reisen und Materialien bezahlen oder Geräte ausleihen, wenn wir sie brauchen. Für den Grazer Kunstverein ist das proportional gesehen im Budget eine sehr große Summe. Wie ist das Verhalten der Stadt Graz in diesem Zusammenhang zu bewerten? Über die GBG wurde im Grunde Fördergeld als Miete an die Stadt Graz zurückbezahlt. Wir haben extrem hartnäckig bei Bürgermeister Nagl angefragt und keine Hilfe bekommen. Man muss dazusagen, dass der Grazer Kunstverein nie in den „Kunstcluster“ eingezogen wäre, wenn es nicht mündliche Zusagen von den Vorgängern des jetzigen Kulturstadtrates gegeben hätte. Nicht nur mir, auch dem Vorstand war von Anfang an klar: Das wird zu teuer – wir können ja rechnen. Da kann man insofern Herrn Riedler gar keine Schuld geben. An der Idee und Entwicklung des Projekts Kunstverein-im-Kunstcluster waren ja viele Leute involviert, deren Funktionen und Ämter teilweise über die 6-7 Jahre gewechselt haben. Sicher war es alles gut gemeint. Viele Leute haben dem Vorstand versichert: Wir werden euch dann helfen, wir gleichen die Differenz irgendwie aus. Der Kunstverein hat zwei Jahre ausgehalten, ohne dass man diesen mündlichen Zusagen nachgekommen wäre und hat schließlich die Konsequenzen gezogen und sich etwas Neues gesucht. Ich finde, dass die Stadt Graz ehrlicher und härter darüber nachdenken muss, was Nachhaltigkeit in der Kulturförderung bedeutet und was sie vielleicht auch wert sein sollte. In der Kulturförderung ist Nachhaltigkeit oft das erste Opfer. Ist der Kunstverein froh, nun näher an die Menschen zu kommen – hoch oben im Dachgeschoss war das ja nicht so einfach? Das ist der zweite große Grund für den Umzug und ich freue mich wahnsinnig über zehn große Fensterflächen, die eine Fassade entlang der Passage bilden, die wirklich eine Durchlässigkeit unseres Programms zur Öffentlichkeit hin gewährleistet. Und das ist gerade deswegen wichtig, weil unser Programm ohnehin sehr speziell ist. Es ist wichtig, dass man der Öffentlichkeit die Chance gibt zu bemerken, was hier passiert und auch neugierig zu werden. Der Kunstverein war 16 Jahre lang im Grunde immer im zweiten Stock und entweder im Hinterhof oder hinter einer anderen Institution. Ich bin wirklich froh, dass wir aus diesen „WGs“ raus sind. Zur Einweihung wurde mit „Windowdressing : Buswraps“ von Henning Bohl & Sabine Reitmaier gleich eine Installation präsentiert, die sich diesem Außenraum zuwendet. Es war die Idee der Künstlerinnen zu sagen: Bei der Eröffnung präsentiert der Kunstverein seine Räume leer und wir bespielen die Fensterfläche und damit die Passage draußen. Die Poster mit denen sie die Fenster ausgekleidet haben – übrigens auch eine Andeutung an den Zustand der Renovierung, dass man das Innere abklebt – gehen motivisch auf ein selbst fotografiertes Bildarchiv zurück, das die beiden von Reisebussen gemacht haben – also ein ganz schräges Thema eigentlich. Welche Perspektiven und neuen Formate eröffnen die Räumlichkeiten? Wir haben hier durch die Raumaufteilung neue Möglichkeiten der Bespielung und wollen im ersten Raum sowohl eine Empfangs- wie auch Arbeitssituation, aber auch, dass er Dinge bereithält, die man mit Information, Vermittlung oder Kommunikation überschreiben könnte. Dass man hier Kunstzeitschriften lesen, das umfangreiche Videoarchiv benutzen und sich dazu auch selbst einen Kaffee machen kann. Hier werden Vorträge und Filmvorführungen stattfinden. Gleichzeitig wollen wir in diesem Raum, den wir „Studio“ nennen, auch künstlerische Interventionen etablieren, die mit Kommunikationsformaten arbeiten. Die kommenden Ausstellungen von Sara Deraedt und Johanna Billing eröffnen am 15. März. Johanna Billing ist eine Stockholmer Videokünstlerin, wobei die Bezeichnung fast wieder zu kurz greift, weil ihre Arbeit über soziale, oft workshopartigen Situationen entsteht, die sie selbst mit jungen Erwachsenen und Jugendlichen oder Teenagern kreiert und wo es ganz stark um die Suche nach individuellem Ausdruck geht, aber auch um die Erfahrung kollektiver Situationen. Die Akteure ihrer Videos bewegen sich in der Spannung dieser beiden Pole. Sara Deraedt arbeitet mit Präsentationsformaten wie Broschüren und Postern, aber auch mit virtuellen Formaten wie Power Point. Ihre Arbeit geht dabei immer vom haptischen Sammeln bestimmter Bilder aus, die sie selbst fotografiert und zu Bedeutungen verknüpft.
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